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Sonntag, 30. April 2023

Der Fluch mit dem Flug

 
Hella, die hallesche Putzsau, hat schnell ein neues Ladenlokal für ein paar Tage angemietet. Bei dem Leerstand in den Städten ist das kein Problem. Sie ist mit ihrem Putzladen zu ihren Kunden gezogen und hatte nur ein Problem. Wegen  der Hexenaktionswoche mit "Walpurgisnacht-Rabatt auf alle Putzmittel" (außer Besen) durfte sie nicht alles blitzblank putzen. Was bei einem Putzladen doch eigentlich selbstverständlich sein sollte. Aber Hexen, ihre Zielgruppe für diese Woche, mögen es doch lieber etwas heimliger beim Einkauf. also natürlich schmudddelig angegraut.

Das Sortiment im Putzladen hat Hella dem besonderen Anlass angepasst. Neben den klassischen Putzmitteln, Seifen, Bürsten, Eimern und Desinfektionssprays hat sie rund um die Besenauslage noch reichlich Must-Haves für Hexen einsortiert: Tränke, Tinkturen und Tiegel; Wurzeln, Würmer und anderes getrocknete Getier; Wandkarten für giftige Kräuter, Pilze und Spinnen.

Hinter einem Restposten von Corona-Klorollen findet die kleine Hexe endlich die Fachabteilung für Fluggeräte. Hier gibt es die klassische Reisigform und modernere Flieger mit Kastenheck für die Borsten. Allerdings vermisst die Kundin ein Mietangebot. Wenn sie den Besen doch nur für die Walpurgisnacht braucht, weil Putzen nun mal nicht ihr Ding ist, dann wäre doch Rent-a-broom großartig. Allerdings hat Hella bislang noch keine gute Verwendung für die Second-Hand-Besen gefunden. Wer will schon ein durchgerittenes Modell, bei dem alle Borsten krumm geflogen sind?
 
Die kleinen Hexen sind begeistert. Hellas Putzladen hat nicht nur eine exzellente Besenauswahl. Allgemeiner Hexenbedarf im Original-Vintage-Look steht hier überall zum Verkauf. Auch wenn die Neuware wahrscheinlich hauptsächlich aus Vietnam, Pakistan und China kommt.

Schaummäuse und Lakritzkatzen in einem Korb. So dicht kommen sich Katz und Maus nur in Hellas Putzladen. Doch die geschäftstüchtige Putzsau setzt bei der Hexensonderaktion im Besenladen auch auf Impulskäufe. Ob das auch für die Nordic-Walking-Stöcke gilt? Doch welche Hexe macht sich zu Fuß auf den Weg zum Hexentanzplatz im Harz? Und wenn, wäre es heute am Sonntag nicht viel zu spät, um noch rechtzeitig anzukommen?

Ein Restposten an Hexenbüchern liegt achtlos auf der Palette. Wer braucht heute noch dicke Schwarten, wenn es doch fast alles als eBook gibt? Wem das zu mühselig ist, sucht einfach das passende Tutorial-Video auf YouTube. Oder fragt Alexa oder Siri. Für Hella ist es immer noch ein gutes Geschäft: Manche DIY-Schreckerinnen kaufen die alten Schwarten, um aus den bunten Illustrationen selbstgemachte Glückwunschkarten zu machen. Die kleine Hexe findet da die Box mit bunten Lutschfröschen in Porno-Sorten verschärft nice. Der Trend geht zum Zweitfrosch.

Von wegen alte Schwarten! Es gibt da jemanden, der kann sein Glück kaum fassen.

Die kleine weiße Maus hat seit Jahren ein Problem. Sie hat damals versprochen, dass das Besenfliegen husch-husch funsionieren würde. Ein Zauberspruch … und alle kleinen Schrecker würden abheben und auf ihren Besen zum Brocken fliegen. Doch so ein Zauberspruch hat es in sich und alle Versuche mit Zauberstab, Flugpulver und geheimen Hexenbuch waren bis jetzt gescheitert. Nun hat sie – juhu – genau dieses Zauberbuch aus dem Grabbeltisch in Hellas Putzladen gezogen. Doch verdammt, was ist das für eine Sprache?  

Warum schreibt jemand ein Zauberbuch in transsilvanisch? Das kann eine kleine weiße Maus doch nicht lesen! Und Deepl und Google können noch kein transsilvanisch. Das kommt vielleicht erst im übernächsten update. Und Chat-GBT kann vielleicht mit zwei, drei Stichworten einen neuen Faust schreiben. Aber es kennt keine funsionierenden Zaubersprüche. Das hat die kleine weiße Maus schon ausprobiert. Das ganze verdammte Hexending sperrt sich noch gegen die Digitalisierung. Hexen und Magier haben bis auf Weiteres wohl noch eine Jobgarantie.

So bleibt das einzig Teuflische am heutigen Tag bis jetzt die Pizza Diavolo. Denn das neue Flugpulver ist entweder nicht vegan oder es fehlt an seltenen Erden, die die chinesischen Drachen einfach nicht mehr schicken. Und selbst die Bundesregierung schwächelt beim Fliegen für alle. Es gibt immer noch kein legales Zeug zum High-Fly. Die kleine weiße Maus hat eine Testtüte, eine Landkarte und etwas Schokolade bereit liegen. Aber Hella weigert sich, ihren Putzladen in eine illegale Haschhöhle verwandeln zu lassen.   

Die kleinen Hexen auf der Suche nach neuen Besen haben die Ecke mit der Elektromobilität entdeckt. Aber leider sind das noch die alten Hybridgeräte, die immer eine lange Leitung brauchen, weil die Akkus viel zu schwach sind. Also haben sie ein Reichweitenproblem und werden damit nie rechtzeitig am Brocken ankommen.

Die kleine Hexe hat Glück. Hella ist in ihrem Putzladen mit "Sonderwochen für Hexenbedarf" auf der Höhe der Zeit und zeigt ihr einen echten Akku-Sauger als Besen der Zukunft. Der macht die Brockenreise mit einer einzigen Akkuladung. Er ist natürlich nicht ganz billig. Aber wer als Hexe zeitgemäßer als auf Reisig reisen möchte, kommt an einem eBroom einfach nicht vorbei. Natürlich gibt es immer noch keine Klimaanlage, keine Massagefunktion und kein Soundsystem. Es bleibt ein Besen und außerdem geht das sofort auf die Reichweite.

Glücklich ziehen die kleinen Hexen von dannen. Wanda hat sich beim Besen doch für ein klassisches Modell entschieden, dann aber wenigstens in Schock-Orange. Tabita hat sich dagegen einen topp-modischen eBroom geleistet und aus reiner Nostalgie für einen gehäkelten Klorollenhut auf der Düsenablage. Treat nimmt doch noch mal ihr altes Modell. Das ist inzwischen schon etwas gerupft, deshalb will sie diesmal auf ihr Fluggewicht achten und hat sich dafür eine Körperwaage besorgt. Hella ist zufrieden. Der verkaufsoffene Walpurgis-Sontag im Putzladen ist ein voller Erfolg. Sie will noch schnell eine Quittung schreiben, doch die kleinen Schrecker winken ab. Sie haben keine Zeit, der Brocken wartet!

Idee und Szene: SchneiderHein      Immobilienhandel: Schneider     Fotos und Text: Hein  


Donnerstag, 30. April 2020

Besenrettung



Seit Anfang der Woche ist Hellas Putzladen wieder geöffnet. Auch wenn die reinliche Buntsau alles rund um das Putzen, Wienern und Scheuern anbietet, dafür braucht sie keine 800 Quadratmeter. Hella ist auf ihre Sauberkunden vorbereitet, hat natürlich auch Schutzmasken für sich und die reinkommenden Passanten. Wer mehr Umsatz macht, bekommt sogar noch ein Extrapäckchen Schutzausrüstung für den nächsten Laden.

Das Hygiene nun vor aller Munde ist, findet die Saubersau sogar richtig gut. Auch das Waschen von Pfoten und Hufen bekommt jetzt endlich die notwendige Beachtung. Aber noch besser für Hella das Ausbleiben bestimmter Kunden, auch wenn sie die letzten Tage jede Gelegenheit gehabt hätten …

Die ordnungsliebende Putzsau mag es überhaupt nicht, wenn wertvolle Putzmittel zweckentfremdet werden. Wenn zum Beispiel ihre wunderschönen Besen als Fluggerät missbraucht werden. Wenn wilde Raser der Lüfte in haarsträubenden Flugmanövern, wie verrückt am Stiel reißen und bei der Landung alle Borsten knicken. So ist sie glücklich, dass sich die ganze Woche nicht eine Hexe hat blicken lassen, um für den wilden Walpurgisritt noch schnell einen neuen Reitbesen zu shoppen. Da hätte es wohl auch nichts genutzt, dass Hella vorsorglich als Besenschutz die Preise verdoppelt hat.


Idee: SchneiderHein      Fotos: W.Hein

Aber Hella bleibt sich treu, auch wenn ihr Putzladen häufiger umzieht. Das war ein kurzer Schwenk über den Einzelhandel bevor es endlich weitergeht mit der kleinen weißen Maus und ihrer großartigen Idee, wie sie doch noch zur Walpurgisnacht kommt … 




Donnerstag, 2. April 2020

Maskeneinkauf



"Das ist doch nur ein besseres Wischtuch vor dem Gesicht," muffelt Jack über das Tragen eines Mundschutzes im Supermarkt. "Der ist doch zum Schutz für die anderen, damit du deine Viren ihnen nicht ins Gesicht rotzt." Alice findet, dass auch kleine Schritte helfen. "Pah, ich rotze in die Armbeuge und wenn wäre das ja was für 'Lissspler" mit ihrer feuchten Aussssprache."

In den Zeiten von Corona - genauer der Covid-19 Pandemie (Alice kann da sehr genau sein) – sollen alle wenigstens einen passiven Mundschutz tragen, wenn sie einkaufen gehen. Aufgeregt wuseln die Mäuse durch die Gänge, um für die nächsten Tage kleine Vorräte einzukaufen. Eine Maus ist vielleicht ein Nagetier – aber noch lange kein Hamster. Wobei, die machen vielleicht dicke Backen, aber warum gibt es keinen Generalverdacht gegen Eichhörnchen? Die legen doch überall Vorratsnester an, um im Ernstfall die Hälfte zu vergessen.

Die Versorgungslage bei Obst und Gemüse ist noch sehr gut, es gibt eine reichhaltige Auswahl auch aus fernen Ländern, als ob nicht die meisten Flieger am Boden stehen würde. Aber im Regal für Nudeln, Reis, Kartoffelpüree, Mehl und Zucker gibt es riesige Lücken und ein paar einsame Pakete mit Ladenhütern wie Instant-Flocken für Semmelknödel mit Röstzwiebelaroma. Die werden dennoch gleich in der Tasche von Valentina verschwinden. Die Maus kann nur den Kopf schütteln. Mit diesen schmalen Resten werden auf ihrem Einkaufszettel viele Ausfälle blieben.

Der kleine Wolf schüttelt auch nur den Kopf. Ständig saust er ins Lager, um einige der Regale immer neu aufzufüllen. Aber wenn er wenig später nachschaut, gähnt da wieder ein großes Loch. Vielleicht sollte er sich den Umweg sparen und die Kunden gleich durch das Lager führen.

Wobei … einige Artikel sind wirklich selten geworden. Pink hat noch eine Box mit Frischhaltetüchern und zwei Flaschen mit Desinfektionsreiniger entdeckt und sofort eingesackt.

Der rote Bär entdeckt einen echten Schatz in der Deko. Eine Rolle Klopapier hat sich unter einer Häkelmütze versteckt! Dafür ist das Fach für Müllbeutel fast leer und bei den Putzmitteln liegen nur Streusand, Gallseife und Bohnerwachs wie Blei in den Auslagen.

Victoria möchte rechtzeitig die Vorräte in ihrer Käsevitrine auffüllen, um auch für eine längere Quarantäne vorzusorgen. Sie kann sich nur noch nicht entscheiden, welche Käse sie nach Hause rollen will. Ganze Laibe halten sicher länger als aufgeschnittene Tortenstücke. Und manche Käsesorten werden mit der Lagerung noch viel aromatischer. Aber dass ein dreimonatiger Rohmilchkäse bei ihr noch sieben weitere Monate reifen kann – das glaubt sie selber nicht.

Auf jeden Fall nimmt sie einen Handvorrat von kleinen Rundkäsen mit … als Snack für zwischendurch.

Albert wartet, bis Victoria sich endlich entschieden hat. Er würde gern einen Schluck Wasser aus dem Wasserspender nehmen, doch irgendwie stört der Mundschutz und er sucht noch die Einwegbecher. Da tippt ein Finger auf seine Schulter …

"Hey du," spricht die dunkle Gestalt im Mantel Albert von hinten an: "Hey du, womit wischt du dir jetzt noch den Po ab?"

"Natürlich mit Klopapier," dreht sich der Mäuserich um. "Psst, nicht so laut, es muss ja nicht jeder hören, dass wir über Klopapier reden." Der Fremde neigt sich zu Albert runter: "Und, hast du noch Klopapier?" Albert bemüht sich zu flüstern: "Es wird Tag für Tag weniger und in den letzten beiden Wochen war es hier immer ausverkauft." "Dann ist ja gut, dass ich welches habe," antwortet der große Mantelträger. "DU HAST KLOPAPIER!" ruft Albert begeistert. "Psst, nicht so laut." "Du hast Klopapier …" flüstert erschrocken der Nager im hellblaue Samtfrack. "Genaaau."

Zum Beweis lüpft der Affe die linke Mantelseite, bis im Innenfutter die ersten Rollen blitzen.

"Und, willst du Klopapier?" Albert nickt eifrig: "NATÜRLICH!" Er ist doch kein Wellensittich, der mit einer alten Zeitung als Unterlage zufrieden ist. "Psst! Muss ja nicht jeder mithören." Der Mauseherr zuckt zusammen: "Du würdest es mir verkaufen?" Er wirft einen letzten Blick auf die Rollen, bevor der Mantel wieder zuklappt: "Genaaau."

"Ich bezahle die Rolle dann vorn an der Kasse?" Albert versteht noch nicht, warum der Supermarkt das Klopapier nur noch einzeln und persönlich übergibt. Und warum der Fremde keinen weißen Kittel trägt, wie die anderen Mitarbeiter. "Nun, ich bin selbstständiger Einzelhändler und nur hier, weil meine Kunden auch hier sind," erklärt die dunkle Gestalt. "Dann gehörst du gar nicht zum Personal?" "Genaaau. Deswegen habe ich ja noch ein paar besonders gut gewickelte Rollen für spezielle Kunden." Der Affe blickt sich schnell um, ob auch niemand sie belauscht. "Die sind aber ruckzuck weg." Albert schluckt: "Ich kaufe bei dir direkt?" "Genaaau."

"Jack, leg deinen Mundschutz an." Alice findet es überhaupt nicht witzig, dass der Mäusejunge ihn runtergezogen hat, als er sich zwei Lutscher gegriffen hat. "Wie soll ich denn lutschen, wenn ständig ein Stofffetzen vor der Nase hängt?" Es reicht doch, wenn die Süßigkeiten alle unter Quarantäne sind, weil alles einzeln in Folie verpackt ist.

Menno, Alice ist so eine Schlaumeier*in: "Gelutscht wird erst, wenn sie bezahlt sind." So lange kann der kleine Matrose auch mit dem Mundschutz warten und sich draußen dann in eine einsame Ecke verziehen. "Wenn alle anderen so eine Maske tragen, kann ich auch ohne gehen." Muss ihm ja keiner nachmachen.

Der Hase ist aufmerksam geworden. Was zeigt der Affe heimlich der kleinen blauen Maus? Das sieht doch verdächtig nach Klopapier aus. Er hat schon die Tiefkühlwaren und Bananen gebunkert. Auch etwas Schokolade für die eigene Belohnung, wenn er nun alle Tage brav im Bau bleibt. Aber die kostbare Rollenware für stille Orte fehlt noch im Einkaufswagen.

Er spricht die große dunkle Gestalt im weiten Mantel an. "Ihr habt das weiße Gold unserer Tage?" Der Affe bürstet ihn unwirsch ab. "Warte doch, bis du dran bist!" Er hasst es, mitten im Verkaufsgespräch unterbrochen zu werden, wenn der 'Fisch' gerade am Haken zappelt. Sonst springt er doch noch davon.

Der 'Fisch' äh Albert lässt sich von irgendwelchen Konkurrenten längst nicht mehr beiseite schieben. Im Gegenteil, er sollte zugreifen bevor diese letzten Rollen auch noch weg sind. Zumal er nur noch jetzt einen streng limitierten Sonderpreis als persönlichen Bonus bekommt. "Weil ich so ein guter Kunde bin …" "Genaaau."

Die Verhandlungen sind fast abgeschlossen: Der kleine Nager im blauen Frack muss sich nur noch zwischen 'drei-lagig flauschgenoppt' und 'vier-lagig supersoft' entscheiden. Natürlich kann er nicht mit Karte zahlen und es gibt keine Punkte. "Nur Bares ist Wahres," murmelt er, als er nach dem Portemonnaie nestelt. "Genaaau."

"Ich habe eine Quittung!" Albert versteht gar nicht, warum Victoria sich aufregt. Damit bekommt er seine Rolle gleich sicher durch die Kasse. Er hat sich immerhin um die gemeinsame Versorgung mit überlebenswichtigen Wertstoffen gekümmert. Bevor das letzte Blatt runtergespült ist und die Familie in die sprichwörtliche Pappröhre guckt.

Das ist mal wieder typisch für ihren Albert. Kauft er mitten im Supermarkt für einen Horrorpreis eine einzelne Rolle Klopapier. Als wenn das wirklich helfen würde. Victoria seufzt, sie hat längst nachgefragt und sich vom weißen Wolf für morgen ein 12er Paket zurücklegen lassen. Das kostet dann sicher weniger als Alberts Einzelstück. Der Affe ist inzwischen weitergezogen und verhandelt längst mit dem nervösen Hasen.


Idee: SchneiderHein       Fotos: W.Hein

Ewige Kinder meiner Generation haben es sicher sofort erkannt: Das Verkaufsgespräch mit dem Affen und Albert ist eine direkte Hommage an die dubiosen Geschäfte von Schlemihl mit Ernie in der Sesamstraße. Es ist zwar kein 'A' oder eine 'Flasche mit Luft'. Aber der immer noch andauernde Hype um Klopapier ist im Moment auch kein Deut vernünftiger. Einige eifrige Käufer machen wahrscheinlich aus den gekauften Paketen eine Dämmung für den Innenraum in der kalten Jahreszeit. Oder planen eine Zweitwährung für die Zeit nach dem Euro. Eine Rolle hat 250 Blatt, man kann also auch kleinere Beträge rausgeben.


Montag, 23. Dezember 2019

Auf der Jagd nach dem grünen Baum



Scharf bremst Victoria die Familienkutsche ab. Die Tür schwingt auf. Jetzt hopp, sie müssen sich ranhalten. Bald ist Weihnachten und sie haben immer noch keinen Baum.

Schnell, schnell, Victoria scheucht Alice und Jack aus dem Auto. Was will denn Albert noch an der Hecktür? "Wozu brauchst du denn eine Säge?"

Albert will doch nur einen Baum umsägen, dann können sie nach Hause und schmücken. "Mein Lieber, was ist bloß in dich gefahren? Das ist doch lächerlich" Victoria schüttelt den Kopf. "Die sind doch alle viel zu hoch. Solche Riesen können wir nur längs in den Raum legen." Sie versteht ihren Albert nicht: "Man sägt doch keinen Baum im Stadtwald um."

Los jetzt, sie hat etwas außerhalb geparkt, weil die Innenstadt sicher längst überfüllt ist. Also haben sie einen kleinen Fußmarsch vor sich.

Hier sind sie richtig – auf dem Weihnachtsmarkt finden sie bestimmt den passenden Weihnachtsbaum: schon vorgeschnitten und wohnzimmer-gerecht. Dahinten sieht es ziemlich grün aus. Victoria treibt alle zu Eile an, bevor die besten Stücke weg sind. Sonst bleiben nur die Schiefen, Einseitigen und Kahlen übrig. Und Albert muss bei so einem Kümmerling alle Äste abschneiden, Löcher bohren und die Zweige dann passend umstecken.

Natürlich gibt es auf einem Weihnachtsmarkt nicht nur Grünzweig. Zwei Mäuse schwenken stolz ihre Bratwürste mit ohne Senf. Und zwei Mausemädchen schauen ihnen dabei sehnsüchtig zu. Selbstgestrickte Ponchos halten schön warm, aber maus bekommt die Ärmchen nicht hoch und so bleibt es schwierig, von einer Wurst abzubeißen. Wenn jetzt keine Hitzewelle kommt, müssen sie wohl hungrig bleiben.

Victoria will endlich zu den Bäumen. Doch Jack geht keinen Schritt weiter, bevor er nicht die Auslagen vom Süßwarenstand ausgiebig studieren konnte. Er hat plötzlich so einen Hunger – ohne eine Tüte gebrannte Mandeln wird er sicher gleich zusammenbrechen. Er kann schon jetzt keinen Fuß vor den anderen setzen.

Da lauert schon die nächste Ablenkung. Der Stand mit Glühwein bietet sogar verschiedene Geschmacksrichtungen an. Eher süßlich mit Beeren oder etwas herber mit Rhabarber – reichlich Zucker macht den Alkohol im Trank viel unauffälliger.

 "Victoria, sie haben warmen Rhabarber," Albert kennt bis jetzt doch nur seinen leichten Sommerwein. Victoria seufzt, es geht wohl schneller voran, wenn sie Albert gewähren lässt. Der wundert sich, dass das Becherpfand inzwischen höher ausfällt als der warme Inhalt. Nun Albert kennt ja auch nicht die Kalkulation des freundlichen Budenbesitzers…

Die eilige Baumsucherin hat Glück, dass Alice nicht die kandierten Äpfel entdeckt hat, die als zweites Standbein am Glühweinstand zusätzlich verkauft werden. Dann hätten die Umwege an den Fress- und Konsumbuden noch länger gedauert.

Nur der rote Bär profitiert in seinem Stand nicht von den vier Mäusen. Er hat auf Schlitten, Skier und andere Winterartikel gesetzt. Doch wer kauft das jetzt, wenn weit und breit keine weiße Weihnacht in Sicht ist. Im nächsten Jahr kann er besser Badehosen, Sonnenbrillen und Sonnenmilch anbieten. Wenn er kein Holzspielzeug als Zusatzgeschäft verkaufen würde, hätte er überhaupt keinen Umsatz, um die kesse Assistentin bezahlen zu können.

Das Holzzeug ist Alice und Jack zu schwer verdaulich. Da können sie auch schnell weiter. Endlich erreichen sie die ersehnte Insel voller Nadeln und Grün.

Im weihnachtlichen Baumhandel erklärt der Chef den beiden Gehilfen, wie die Bäume an die Maus kommen. "Das Wichtigste ist der richtige Auftritt," hebt er gewichtig an. "Deshalb – ohne einen grünen Nadelanzug geht gar nichts." Die beiden Gehilfen gucken missmutig an sich herunter. Sie finden diese grünen Fusseldinger nur kratzig und unpraktisch. Sie pieksen beim Hinsetzen… "Ihr sollt nicht rumsitzen," tönt der Chef, "Tut wenigstens so, als ob ihr was tut!" … und ständig hat man Nadeln im Essen. "Ich zahle Euch nicht fürs Mampfen!" Oh, sie werden bezahlt?

Victoria hat schon den ersten Kandidaten gefunden. "Der ist schön dicht und die Nadeln halten noch gut." Sie zieht fest am Grün. "Albert, schau mal, ob die Größe stimmt."

"Meine Dame, das ist meine Uniform." Der Baumverkäufer streift Victorias Hand aus dem nadeligen Rock. Seinen Gehilfen erklärt er: "Das ist natürlich Berufsrisiko." "Ups," weicht Victoria zurück. "Wir suchen einen Weihnachtsbaum." Der große Bär nickt bedächtig. Das ist im Weihnachtsbaumverkauf keine echte Überraschung. "Welche Farbe soll er denn haben?"

Albert hat etwas Handliches ausgesucht. Victoria schüttelt den Kopf. So einen Schrumpfbaum stellt sie höchstens in die Bodenvase am Eingang. Und dann müssten es mindestens zwei sein.

Als Albert die fertig geschmückten Bäume in Augenschein nimmt, winkt Victoria gleich ab. Sie nimmt doch keinen Instant-Baum. Sie schmückt selber – wozu hat sie sonst die ganzen letzten Wochen Kugeln, Schleifen und all die anderen Dekodinge besorgt, deren Kartons sich in den Schränken stapeln? Der Baumhändler ist erleichtert. Er verkauft die Auslagen mit den Mustern nicht gern, bevor die letzten Torschlußpaniker am 24. mittags jeden Preis bezahlen.

Jack hat es nicht so mit der Natur. Er schaut sich inzwischen lieber die Technik an, die die Nadelbäume kappt und eine Krone kürzer macht. Das ist doch was anderes als Alberts schnöde Handsäge.

Alice erklimmt die hohe Leiter, weil sie zu den oberen Wipfeln will. "Die Tannen sind ganz schön hoch…" krakelt sie von den oberen Sprossen.

"… das sind jetzt mindestens… na so einige Meter," ruft sie in Augenhöhe der Spitze. "Habt ihr ein Maßband?" "Komm wieder runter, es sind Fichten und viel zu hoch für unser Wohnzimmer."

Albert steigt vorsichtig auf eine kleine Trittleiter, um zu zeigen, wie hoch der Baum ungefähr sein sollte. "Komm wieder runter," ruft Victoria besorgt, "bevor du noch runter fällst." Außerdem, wie soll sie den Baum zum Auto bekommen, wenn sie gleichzeitig einen maladen Albert schleppen muss.

Dann braucht Alice den Tritt. Bei der Turnerei auf der großen Leiter hat sie ihre Mütze verloren, die sich auf der Spitze eines kleineren Baums verfangen hat. Albert nimmt den letzten Schluck Glühwein. Er hatte sich die Baumsucherei nicht schwierig vorgestellt. Entweder sind sie zu riesig oder zu klein. Oder sie hängen schon voller Lametta und Licht. Gibt es denn hier nichts in mittlerer Größe für normalgewachsene Wohnzimmer?

Jack vermisst seinen Hüppelschwan. So ein Esel ist doch nur ein schwacher Ersatz. Können sie endlich gehen? Oder bekommt er wenigstens eine weitere Tüte gebrannte Mandeln für den Weg?

Endlich … auf der Rückseite des Standes findet Victoria ihren Baum. Der Tannenchef ist erleichtert, dass unter seinen Nordmannen doch noch der richtige grüne Hausgast auf Zeit steht.

Mit wenigen geübten Handgriffen befreit er den Baum von seinem Ständer. Die beiden Gehilfen sollen das Netz holen. Der Grünling wird schnell eingestrumpft.

Die Mäuse wuchten den Baum zurück zum Auto. Victoria passt auf, dass sie mit dem Netz nirgendwo hängen bleiben. "Scheuert ihn bitte nicht so über das Pflaster. Der Baum bekommt sonst noch kahle Stellen, bevor er ins Haus kommt."

An der süßen Bude stehen zwei Mausemädchen und ärgern sich, dass sie unter den Ponchos ihre Ärmchen nicht hoch genug bekommen, um all die Schlickersachen naschen zu können.

Na, gut, sie haben den Baum wohl doch eher zum Auto geschliffen, aber er hat sich unterwegs auch ordentlich schwer gemacht. Und wenn maus die Unterseite zur Wand dreht, fehlen die Nadeln nicht wirklich.

Albert holt die Decke aus dem Auto und legt sie übers Dach. Er weiß schon, wie sie den Baum nach Hause bekommen. Als die Tanne auch auf dem Dach liegt, können alle einsteigen. Den Rest macht er allein.

Jack muss doch noch helfen. Er fädelt das Seil, das Albert ihm reicht, durch das Auto. Wenn sie das mehrfach wiederholen, können sie dis Tanne so festzurren, dass nichts mehr verrutschen kann.

 So, der Knoten hält, da kann Victoria auch scharf bremsen oder mit Karacho in die Kurve gehen. Die ruckelt inzwischen an der Tür, die zu klemmen scheint: "Albert, mein Bester, das Auto ist nun ein wenig in der freien Entfaltung beschränkt."

Oh, das hat Albert wohl noch nicht ausreichend bedacht. Er steht draußen und alle Türen sind fest verschnürt. Er kommt nicht rein und niemand raus. Sie können noch nicht mal vorfahren, um ihn später abzuholen. Wird er jetzt Trittbrettfahrer?


Idee: SchneiderHein    Fotos: W.Hein
Chic in Strick: Uta Schneider

Die Mäuse – auch unsere vier Baumhelden – hat alle Deb Canham geschaffen. Die meisten Bären der Weihnachtsmarktbesucher auch … nur die Budenbesitzer sind Bären von Eva Tietz, Zhanna Zimokosova und Herrmann Teddy Hirscheid. Die vielen kleinen Ministrickteile der Mäuse sind fein gefummelt von Silkes Mutter. Ich und kleine Mausemädchen haben die Ponchos übrigens nicht richtig verstanden. Es gibt kleine Grifflöcher am Saum. Wie maus damit die Ärmchen zum Mund bekommt, ohne den ganzen Poncho zu lüpfen – das wissen wir immer noch nicht. Einen Ehrenplatz in den Aufzählungen bekommt der Esel. Er passt zu Weihnachten und erinnert mich zugleich an Loriot (Hier kein Zitat, da es Loriots Erben auf die Goldwaage legen könnten und damit verdrängen, wie sehr Loriots Textzeilen inzwischen allgemeiner Sprachgebrauch werden konnten). Der Esel ist aber auch eine Erinnerung an Silkes und meine Kindheit, weil wir beide unabhängig voneinander einige beflockte Figuren von "Wagner, Künstlerschutz Handwork" hatten. Meine kamen vom Waldzoo in Osnabrück und ein sitzender Braunbär hat die Haushaltsauflösung meines Elternhauses überlebt. Es ist kurios, dass die Zusätze vom Etikett inzwischen zum Eigennamen für Sammler aufgestiegen sind.