„Das sieht doch alles schon sehr schön aus!“ Schwungvoll öffnet Herr Fuchs die Tür zur Küche.
Herr Kröt war gerade noch voller Begeisterung, als Herr Fuchs ihm ein stilvolles Refugium auf dem Lande versprochen hat. Er sah sich schon als prächtigen Landlurch inmitten sanft geschwungener Felder, Wiesen und Auen residieren. Und die dringendste Frage schien zu sein, woher er so schnell das Personal nehmen sollte. . . Doch nun ist seine Begeisterung schlagartig verflogen.
„Einmal durchfegen, feudeln, etwas Farbe, dann ist die Küche wie neu,“ Herr Fuchs tänzelt durch den Raum, den er dabei in den schönsten Farben ausmalt. „Da kann noch viel individuell gestaltet werden: Offene Küche mit Tresen und Kochblock in der Mitte, Kühlschrank mit Eiswürfel-Maschine oder französische Landhausküche mit bodenlangen Fenstertüren und Fußbodenheizung unter Terrazzo-Fliesen. Sie haben alle Möglichkeiten, weil Sie hier ja nichts einschränkt.“ Herr Fuchs zieht sich am Kragen, der inzwischen doch etwas eng geworden ist. Er nimmt sich fest vor, beim nächsten Termin das Exposé vorher zu lesen.
Herr Kröt tappt unschlüssig zwischen den umgestürzten Möbeln umher. Seinen Landsitz hatte er sich durchaus 'wildromantisch' vorstellen können. Aber so wildromantisch? Nun gut, das ist nur die Küche und da wollte er sich sowieso nicht so oft aufhalten.
Der Landlurch in spe muss sich erst einmal setzen. Schnell richtet Herr Fuchs einen Stuhl auf und ärgert sich, dass er den Champagner vergessen hat. Ob es hier noch etwas zu feiern gibt, weiß er nicht. Aber ein Stimmungsaufheller wäre langsam angebracht.
„Wir sollten uns jetzt die anderen Räume ansehen,“ Herr Fuchs kann hier in der Küche nicht viel gewinnen. „So eine Hausbesichtigung muss sich ja auch steigern können.“ Hoffentlich, denn Herr Fuchs hat leider auch keine Ahnung, wie die ‚anderen Räume‘ überhaupt aussehen.
„Kommt nur,“ leutselig winkt der schlaue Makler den zögerlichen Kunden heran. Es bleibt schwierig, denn die angekündigten ‚anderen Räume‘ sind nur ein Raum, der auch schon bessere Tage gesehen hat. „Klein und fein ist doch immer das Beste. Lässt sich viel besser sauber halten. Man braucht nicht so viele Möbel und es wird gleich schon wohnlich, wenn ein Sessel am Ofen steht.“
Hier wollte Herr Kröt gleich mit Sack und Pack einziehen. Er hat sein Kofferset schon dabei. Aber wenn das hier eine Zimmerflucht sein soll, hatte er sich eigentlich etwas anderes darunter vorgestellt. Hier sind ja höchstens schon die anderen Zimmer geflohen.
Im Sessel vor dem bullernden Ofen. . . Herr Kröt soll sich schon mal setzen, die Augen schließen und seine Phantasie fliegen lassen. Der Lurch folgt vorsichtig den Anweisungen. Hoffentlich bricht das Sitzmöbel nicht gleich unter ihm zusammen. Und was raschelt da in der Ecke?
Herr Fuchs hofft, dass niemand den Strom abgestellt hat und das alte Radio noch einen Sender halten kann. Er hätte jetzt gern einen flotten Walzer, einen schmissigen Fuchstritt oder wenigstens ein Wiegenlied. Das wird ein viel schwierigeres Verkaufsgespräch als gedacht: „Ihr kennt doch Betongold? Die Immobilienpreise steigen und steigen. Morgen kostet das hier sicher schon das Doppelte. Domizile im Grünen sind ja so gesucht. Die Stadtflucht treibt die Preise! Ihr habt sicher davon gehört?“
Der grüne Kunde schluckt und schweigt. Das ist viel komplizierter als gedacht. Er wollte doch nur schöner Wohnen. Vielleicht ist das hier ja wirklich eine gute Gelegenheit - aber es fühlt sich einfach nicht so an.
Herr Kröt wünscht sich, Herr Fuchs hätte ihm vorher den schnittigen Sportwagen besorgt. Dann wüsste er, was er jetzt tun würde: Davonbrausen so schnell die Pferdestärken galoppieren. Vor der nächsten Hausbesichtigung wird erst ein fahrbarer Untersatz besorgt! „Nun, Herr Kröt, können wir unterschreiben“ drängt der Makler. „Herr Kröt, was denken Sie?“ „Brumm-brumm…“
Idee: SchneiderHein Fotos: W.Hein
Lost Places vor unserer Haustür: Herr Fuchs wird Herrn Kröt aber sicher noch ein paar Immobilien vorstellen müssen. Beide Figuren kommen von Juli Nazarenko (Junaart).