Dienstag, 6. Dezember 2016

Bühne frei



 "Da hätte ich ja gleich in der Blechdose hocken bleiben können!" schnaubt das Sputnik. "Nur weil dieses Zweikerzensingen ohne Leitung sein soll!" Das rote Fusseltier ist eigentlich der tiefenenspannte E-Saitenzupfer der 'Plagegeister' und wenn die kleine weiße Maus zum Konzert ruft, kommt es sofort. Doch nun soll alles 'änplaged' sein. Und ein unverstärkter 'Plagegeist' klingt doch armselig.

 "Ich schwirr dann mal ab!" Denn wenn das Sputnik noch länger bleibt, läuft es vor Wut noch rot an. Tiefrot um es genauer zu sagen. Und das ist dann das Gegenteil von lässig und entspannt.

Zurück bleibt der kleine rote Weihnachtsraudie, oder wie diese Instrumentenhalter und Bühnenarbeiter heißen, mit der Ukulele. Die hätte das rote Fusseltier doch spielen können, aber: "Ich nehme doch keine Schrumpfgitarren," hatte das Sputnik geknirscht. "Das ist doch was für ein Winz-Ego!"

 Die kleine weiße Maus hat keine Zeit, sich um das unelektrische Zwergensolo von fusseligen Liedgitaristen zu kümmern. Sie hat ja noch so viel zu organisieren. Die Diva in Rot jongliert auf der Bühne noch mit Liebesäpfeln. Die letzten Liederbücher sind immer noch nicht verteilt. Am Flügel hockt hoffentlich ein Wunderkind, denn sie hat von ihm noch keinen Ton gehört. Aber sie kann sich da nicht auch noch selber hinhocken, um die Tasten-Wirto-Ossin zu geben.

Sie wird vom Pult aus die Mäuse dirigieren müssen, damit die kleinen Nager nicht immer aus dem Takt fallen. Dafür hat sie den Sternstab gegriffen, den die kleine Naseweiße im Hexenhaus gefunden hat. Hoffentlich ist das jetzt doch kein Zauberstab. Wenn sie den nun wild schwingen muss, könnten sonst die verrücktesten Dinge geschehen.

Der Flügelspieler klimpert heute nur einpfotig, da er seinen Katzensack nicht aus den kleinen Tatzen geben will. So spielt er auch den Triller, der alle zur Ordnung rufen soll, damit dieses ständige Geraune der Unordnung endlich verstummt. "Hau in die Tasten. Lauter," ruft die Chefmaus. "Nimm die Fußtreter und mach den Flügeldeckel auf."

Cheddar, Cecil und Swim sind bereit. Es war zwar von einem Singen die Rede, aber bevor die Jungens nur mitbrummen oder gar nur Lippenmarkieren, weil sie eh keine Ahnung vom Text haben, haben sich die drei Nager Trommel, Horn und Becken gegriffen. Damit werden sie die schönsten Stellen spontan untermalen, wenn es endlich los gehen sollte.

 Da es den drei Musikussen so schwer fällt, auf ihren Einsatz zu warten, scheppert trötet und wummst es immer mal wieder zwischendurch. Entnervt versucht die Schlafmaus sich das Kissen über beide Ohren zu ziehen. Es ist wohl eine ausgesprochen blöde Idee, den Tassenwinterschlaf neben einer Waldbühne halten zu wollen. Das nächste Mal nimmt sie gleich die Teekanne und sucht sich ein Plätzchen neben der Sommerlaube.

Jack fragt Rosa im Strickponcho, was sie denn singen wollen? Er ist gerade angekommen, weil er eigentlich auf einen Weihnachtsmarkt mit Lebkuchen, Zuckerstangen und Glühsaft gehofft hatte. Nun sollen hier auf der Waldbühne nur Lieder abgesungen werden. Aber welche? Rosa hat auch keine Ahnung, denn bis jetzt gab es keine Probe.

Für so ein Testsingen hatte die weiße Maus keine Zeit. Auch jetzt will sie endlich anfangen, wenn sich alle zur Bühne aufstellen könnten. Und die Lieder? "Da müssen die singenden Nager nur in die Bücher schauen! … Jack, nicht in mein Buch!"

In die Bücher schauen? Das tun die Mäusemädchen ja. Aber in den Sangesbüchern sind überall unterschiedliche Seiten. Auf einigen sehen sie leckere Torten, andere zeigen die 'Funsionsweise' von Dampfmaschinen und wer Pech hat, den bleckt ein Totenschädel mit lateinischen Namen an.

Abert hat sogar ein Buch mit weißen Seiten bekommen. Da kann er sich die Melodie ausdenken. Aber wie soll er der Nachzüglerin erklären, wann die Blockflöte dran ist?

 Wie sollen sie nun 'Schohohokotooorte' singen? Und wie passt das zu 'Üühüüüberrdruckveeeenntiiiil'? Kommt dann ein kurzes 'Fontanella'? Oder warten sie bis zum krönenden Finale mit dem 'Allzweckrei-rei-rei-niieeeee-ger … rei-rei-niiegerr!' Und was hat das mit Weihnachten zu tun?

 Das Waldhorn ist zu spät dran. Viel zu spät, so was von zu spät hetzt es durch die Vorweihnachtszeit zur Waldbühne.

So hat die Maus keine Zeit, also wirklich keine Zeit zu sehen, wie Camio dem Neuen erklärt, dass er die kleinen Mäuse nicht mausen kann. "Miau, kann ich wohl," verkündet Marcu. "Ich zieh die Pfoten hoch, bin sprungbereit und …" "Nein, nein, nein," beschwichtigt der Siamese den Jungspunt: "ich meine: dürfen. Du darfst keine Mäuse mausen." "Oooch, auch nicht zum Spaß …" maunzt Marcu. "Niemals nicht," schüttelt Camio den Kopf, bis die Ohren schlackern.

Da hat das kleine Waldhorn Glück, denn für so einen 'Spaß' hat es nun absolut echt wirklich keine Zeit.

Die Grünmäuse wuchten endlich den Lichterkranz herbei. Die kleine weiße Maus hat die beiden schon vor Stunden losgeschickt, aber erstens ist dieses Mistding so schwer und sperrig. Un zweitens müssen sie aufpassen, dass sie sich nicht die Pfoten verbrennen.

Wie soll das erst werden, wenn alle vier Kerzen brennen? Oder haben sie das doch die Reihenfolge durcheinander gebracht? Nein, die Chefin hat gesagt. Zwei Kerzen sollen sie anzünden, wenn sie den Kranz holen … geholt … holen … egal … jetzt ist es ja nicht mehr weit.

Auch ohne Zauberstab ist es wie verhext. Die rote Königin trällert immer wieder Cola-Raturen, als hätte sie zu viel von dem braunen Britzelwasser getrunken. Der kleine Chor murrt, weil keiner weiß, was am Advent nun gesungen wird. "Ho-ho-ho" darf ja wohl nur der Weihnachtsmann singen. Und dazwischen stapft eine gelbe Maus und trommelt sich etwas Taktloses zurecht. Mal große oder kleine Pausen oder ein schnelles Trommelgewitter, wie der Mäuserich im Gedränge voran kommt.

Jack wüsste dagegen viel lieber, wie er an die ganzen Schokoladenkuchen in den Bücher rankommt. Mjam, die würde doch keiner da reindrucken, wenn sie nicht alle gebacken werden sollen. Doch leider gibt es hier die falschen Traditionen. Vorweihnachtsessen oder Winterschlemmen wäre doch viel besser als Adventssingen. Frankfurter Kranz statt Advents Kranz, Jammie!

Besser als nur darüber zu lesen, ist das wahre Leben. Also hat sich Jack die kandierten Liebesäpfel geschnappt und bringt sie erst einmal in SIcherheit. In Sicherheit vor den anderen hungrigen Mäuler. Noch sind sie abgelenkt, da kann er sich um den eigenen knurrenden Mäusemagen kümmern.

Heftig klopft die weiße Maus mit dem Stab auf das Pult. "Ruhe bitte und alle Augen zu mir." Heftigeres Pochen mit Stab. " Wir beginnen mit … " Weiter kommt sie nicht, weil sofort wieder das Gemurmel anschwillt. "Genau! Womit denn?" "Dampfmaschinen-Oper oder Torten-Lieder?" "Müssen wir uns nicht nach den Stimmlagen aufstellen?" "Dann zum Gefiepe nach links!" "Menno!" Hoffentlich segelt jetzt nicht der Stern davon, wenn die weiße Maus noch heftiger aufs Pult haut.

Völlig atemlos hechtet das Waldhorn zur Bühne: "Pfüh, bn hich zuspätt? Hmppfüh?" hechelt die Blechblasmaus den selig mampfenden Jack an. Der schiebt das leckere Zuckerwerk schnell in die andere Wangentasche: "Hüch globe nüsch! Die hbbn noch garnich angfaggn," presst er mit vollen Backen hervor.



Idee: SchneiderHein   Fotos: W.Hein

Noch eine Auftragsarbeit von Silke, die etwas aus den Fugen gerät. Ich weiß nicht, was sich Silke unter einem besinnlichen Adventssingen auf der Holzbühne aus dem Erzgebirge vorgestellt hat. So aber muss sie wahrscheinlich noch bis zum dritten Advent warten, bis es etwas traditionell weihnachtlicher wird. Die kleinen Mäuse sind von Deb Canham. Den schicken Winterstrick hat Silkes Mutter feingefummelt. Die meisten Musikinstrumente kommen aus der Bärenhöhle in Hannover. Und die beiden Nichtmauser sind von Teddyana aus Paris/Petersburg zu uns gezogen.


7 Kommentare:

Monika + Bente hat gesagt…

Ich liebe eure Bildgeschichten - auch wenn ich in letzter Zeit wenig Zeilen hier gelassen habe , ich bin da.

Liebe Grüße und noch eine schöne Adventszeit - Monika

SchneiderHein hat gesagt…

@ Monika
Ich muss gestehen, dass wir bei Euch schon lange nicht mehr in Ruhe vorbeigeschaut haben. Aber das werden wir in den nächsten Wochen voll Freude alles nachlesen und 'weggucken' ...

Claudia hat gesagt…

Herlich, ich habe dieses Konzert sehr genossen! Ich freue mcih jedesmal, Eure so liebevoll gemachten, bebilderten und geschriebenen Geschichten lesen zu dürfen!.
Hab einen feinen und freundlichen Tag!
♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

Edith W. hat gesagt…

Einfach goldig, liebe Silke. Und die 'feingefummelten' Sachen sind mir als erstes aufgefallen. Sie sind sehr schön und der Text zum Schmunzeln!
Liebe Grüße
Edith

Anonym hat gesagt…

Sputnik als fusselnder und eigentlich tiefenentspannter E-Gitarrist ist und bleibt ein Held! Aber jetzt hat wohl die kleine weiße Maus grad die schwierige Aufgabe, das Ohrkästa und dessen eigenwillige Musikanten auf das Weihnachtskonzert einzustimmen! Und dazu auch noch die Bühnenbildner wegen Adventskranz und Kerzen ... und dabei ist nichtmal ein Blick in die vielen Bücher wirklich hilfreich.
Aber die kleine Chefmaus schafft das sicher !
Liebe und schmunzelnde Grüße, schöne Adventstage wünscht euch von Herzen Manu

kleine-creative-Welt hat gesagt…

ich kann mich immer so ergötzen an diesen kleinen süßen Tierchen -
wie sie gekleidet sind - mein Gesicht muss sich automatisch zum Lächeln bereit machen -
zu süß - diese ganzen Details - so liebevoll arrangiert - und die schönen Geschichten dazu - ein Weihnachtskonzert vom Feinsten -

liebe Grüße- Ruth

heinwerken hat gesagt…

@ alle
Vielen Dank für die lieben Kommentare zum wilden Weihnachtskonzert. Ich stelle mir inzwischen mit leichtem Grausen vor, wie "Absperrventil" zur Melodie von "Stille Nacht" klingt und bin nicht sicher, ob es hier eine Tonspur geben sollte.

@ Claudia
es war sogar eine feine und freundliche Woche ;-)

@ Edith
Schön das Silke's Mutter den feinen Winterstrick für die Mäuse noch gezaubert hat, da es inzwischen leider nicht mehr so einfach wäre. Da werden die Mäuse noch so manchen Winter die Schätze gern vorführen und Dir hoffenlich dabei Freude bereiten.

@ Manu
Yeah! das Sputnik dschämmt dann eben in der Dose mit der Elektroklampfe, wenn sparsam intonierende Wunderkinder die Bühne besetzen. Die weiße Maus hat inzwischen rausgefunden, dass es helfen würde, wenn alle dasselbe Buch hätten. Jetzt muss sie nur noch merken, dass ein weiterer Vorteil wäre, wenn es auch noch ein Gesangsbuch ist, das statt Bänkeleien aus der Gruft sich vielleicht mit dem Preisen von Immergrünen, stummen Dunkelheiten und Herkunftsnachweisen aus höheren Sphären beschäftigt. Woran maus auch alles denken soll!

@ Ruth
Wie schön, dass so ein Weihnachtskonzert ein Lächeln auf Dein Gesicht zaubert. Wenn das gelingt, ist das für uns das schönste Geschenk.