Es gibt wohl nicht viele, die wissen wollen, was Mäuse am Ostertag treiben. Für die wenigen gibt es hier einen Nachbericht…
Dafür müssen die Osterhasen aber sehen, dass sie von hier verschwinden. Bis heute morgen haben sie noch Züge mit Ostereiern bestücken lassen, die hier in den Fabriken, gefärbt, gekocht, bemalt oder aus Schokolade gegossen und umwickelt worden sind.
Doch nun sind alle Nester bestückt … und wenn nicht … ist es jetzt auch zu spät. und jetzt wird es wirklich Zeit zu gehen, bevor die anderen kommen.
Die anderen das sind die Besucher, die hinter die Kulissen sehen wollen. Die sehen wollen, wie die Osterhasen diesen ganzen Osterrummel organisieren. So sind Alice und Jack begeistert, wieder im Land der kleinen Menschen zu sein. Vor einigen Wochen haben sie hier schon mal die Stadt besucht.
Victoria ist froh, dass alle endlich wieder einen Ausflug machen können. Und beim letzten Besuch sind sie nicht bis zu den Fabrikationsanlagen vorgedrungen – sie sind in der Innenstadt hängen geblieben, weil immer jemand sich vertändelt hatte.
Deshalb behält sie heute ihren Albert im Auge, der dafür immer wieder nervös auf seine Uhr schaut, ob denn diesmal die Zeit reichen wird. Wenn die Sommerzeit ihnen doch schon eine ganze Stunde geklaut hat.
Jack wuselt aufgeregt über die Gleise. Hier gibt es ja so viel zu entdecken und das Meiste sieht ausgesprochen lecker aus.
Auch Pink ist begeistert: Das ist ihre Farbe! Schade, dass es das Ei nicht rechtzeitig in ihr Nest geschafft hat und hier noch am Haken baumelt.
"Vorsicht Jack!" Alice wird hektisch: "Runter von den Gleisen." Plötzlich saust ein Schweineschnäuzchen über die Schienen und bring neue Arbeiter zur Eierschicht.
Wo ist der kleine Matrose geblieben? Kaum ist die eilige Saunase wieder verschwunden, ist auch Jack wie vom Erdboden verschluckt. Nur ein Stapel mit Kisten ist umgestürzt. Besser Alice richtet die wieder auf, bevor noch jemand kommt und sie zur Ordnung ruft.
Plötzlich taucht Jack wieder hinter den Güterwagen auf. Er springt von Wagen zu Wagen und untersucht die Fracht ganz genau. Dieser Schlaumeier: Schoko-Hasen in Goldpapier und Krokant-Eier sind hier noch dicht an dicht gestapelt. Wenn Ostern jetzt quasi gelaufen ist, braucht die doch niemand mehr. Das Haltbarkeitsdatum hält doch sicher nicht bis ins nächste Jahr. Da könnte er doch sicher massig naschen und danach noch eine Tüte voll nach Hause nehmen. Oder zwei, wenn Alice sie tragen würde. Statt immer nur die Bedenken …
Wenig später fliegt ein silberner Pfeil über die Schienen. Jack und Alice sind schwer beeindruckt. Das ist doch viel sausewindiger als so ein Vorortkriecher.
Der Propeller am Heck treibt das Geschoss an. Kein Wunder, wenn der Schienenzeppelin an ihnen vorbeifliegt, um im nächsten Tunnelportal zu verschwinden.
Überall wohin das Mausemädchen blickt, überall wird von den Arbeitern viel gewunken. Das liegt wohl an den schweren Maschinen, schnaufenden Kränen und lärmenden Flurfahrzeugen. Die kann man nur mit großen Gesten steuern und es sieht auch viel gewichtiger aus, als wenn man(n) mit einer Fluppe in der Ecke steht.
Pink ist enttäuscht. Diese Wagons müssen doch die Tankwagen für die Eiermalfarben sein. Leider kann sie von außen nicht erkennen, ob es türkis, sonnengelb oder kaminrot sein könnte, wenn alles in pechschwarzen Behätern angeliefert wird.
Auch ihre Freundinnen können ihr nicht helfen. Wenn in einem Wagon eine pinke Brühe schwappt, von außen ist nichts zu erkennen. Aber wahrscheinlich wäre der Tank auch längst geleert. Und die Farbe auf unzähligen Eiern und zahllosen Dekoholzhasen verteilt. Was machen sie also noch hier?
Buttercup steht plötzlich allein bei den Güterwagen. Wo sind ihre Freundinnen geblieben?
Pink untersucht inzwischen die Schuppen. Vielleicht liegen hier noch ein paar pinke Dekostücke, die niemand braucht. Noch ein paar Eier oder Nester. Doch bis jetzt sind alle Baracken leer. Die haben hier offensichtlich alles, was sie hatten, schon im Sichtbereich verteilt.
Valentina schaut inzwischen dem Verladern zu, die darauf warten, dass die kleinen Rangierloks frische Güterwagen zur Rampe bringen.
Buttercup ist froh, als sie Valentina in den Backsteinschluchten entdeckt. Doch kaum ist sie einen Moment abgelenkt, ist die rote Maus schon wieder zwischen den Hallen abgetaucht.
Auch wenn in den Hallen immer noch die Schweißlichtbögen flackern, diese rohen Eier werden 'hässliche Entlein' bleiben und keine schönen Ostereier mehr werden.
Victoria hat genug gesehen. Irgendwie ist hier alles staubig und schmuddelig. Dieser Dunst, Staub und Dreck vieler Jahre überzieht hier alle Gebäude, die wenn sie nicht aufpassen noch zu 'Lost Places' werden. Es ist schon erstaunlich, wie alles, was hier in diesem Siff und Sott verladen worden ist, in ihrem Haus so nett, so sauber und so adrett aussehen kann. "Es wird Zeit, wir brechen auf!"
Nur Jack kann sich schwer losreißen. Er würde gern noch ein paar Güterwagen filzen. Denn umso länger er wartet, umso mehr Güterwagen verlassen die Fabrik, werden von den kleinen Dieselloks zu den Abfahrtpunkten geschleppt.
Dann übernimmt die Schnellzuglokomotive und bringt die süße Fracht in die Ferne. Eigentlich nur bis zum nächsten Schattenbahnhof, wo er verdeckt auf die nächste Fahrt wartet und die Fracht zum Beispiel mit Muttertagsgeschenken getauscht werden kann.
Idee: S.Schneider Szene und Fotos: W.Hein
Die Osterfabrik hat jetzt viele Jahre, eigentlich Jahrzehnte in Kartons geschlafen zusammen mit den Stromlinienlokomotiven und dem Schienenzeppelin. Und dann kam endlich die Aufgabe, Ostereier für die Hasen im Kleinen in großen Mengen zu produzieren. Inzwischen sind die Produktionsanlagen schon wieder von Pappe umschlossen.
Kaum sind die Mäuse weg – bis auf die eine, die sich mal wieder verlaufen hat und noch ihre Freundinnen sucht. Kaum sind auch die Mäuse weg, versinkt die Gebäude wieder im Dornröschenschlaf bis zum nächsten Ostern. Oder die Monster kommen und starten die Fratzen-Kürbis-Produktion. Denn die Drachen setzen auf die neue Seidenstraße und 3D-Drucker unter jedem Weihnachtsbaum, der dort gleich die Geschenke mit Geschenkkarton und Schleife frisch ausdruckt.