Und hier beginnt ein neues Abenteuer:
Marie hält etwas enttäuscht die rote Schnur in der Hand. So richtig schnell wird es damit nicht werden. Auch Larissa hat keine Idee, wie sie ohne Dreirad eine ordentliche Sausgeschwindigkeit erreichen wollen.
Auf dem Winter-Karussell warten Schwarzfuß, Q, Marieles Hase und ein Nachbarjunge, dass es endlich ordentlich rundgeht. Begeistert sind sie in die Sitze geklettert, als die Bärenmädchen verkündet haben, zum Jahreswechsel eine große Sause starten zu wollen. Wenn denn schon ein Kettenkarussell mitten im Garten wartet.
Doch sie haben übersehen, dass es im Winter schnell dämmert und Marie dann ohne Licht kein Dreirad fahren sollte. Ihr Schutzengel am Lenker hat schließlich keine Nachtsichtbrille und das El-Eh-Deh-Tagfahrlicht wird noch am Rattenrenner benötigt. 'Tagfahrlicht' hat der Rennpraktikant extra betont, als die Mädchen gefragt haben. So können sie das Karussell nur im Handbetrieb beschleunigen, wenn sie vorher das rote Band um die Karussellmitte aufwickeln und dann wieder abziehen. Das Drehding dreht sich dann ein paar Mal hin und mit genügend Schwung auch wieder zurück. Doch das ganze Hin und Her mit den vielen Richtungswechseln lässt auch den empfindlichen Magen des Nachbarjungen hüpfen, der inzwischen schon über Flugübelkeit klagt.
Marie wüsste gern, wohin sich Nelleke verdrückt hat, und sie ist mit den lahmen Umdrehungen allein gelassen hat. Wenn sie bald nicht wiederkommt, wird der Nachbarjunge sich bald mit grünem Gesicht in die Büsche schlagen. Und die beiden Schlappohren warten immer noch sehnsüchtig darauf, dass ihre Löffel vom Fahrtwind nach hinten gezogen werden. Stattdessen schaukeln sie gerade nur träge im Takt der Kettensitze.
Endlich kommt Nelleke zurück und hat eine zündende Idee: Sie stellen das Fahrgeschäft auf Düsentrieb um.
Dafür hat sie richtige Raketen mitgebracht. Die großen Jungs horten davon eine riesige Menge für die Sylvesterknallerei heute um Mitternacht auf der Straße. Im Moment sammeln sie noch Altglas im Haushalt für die Abschussrampen im großen Weltraumflughafen B-Ä-R. Hoffentlich bleiben sie dabei nicht in der Planung stecken. Da stört es ja wohl keinen großen Geist, wenn sich die Mützenbärin gerade mal vier Saushilfen ausleiht.
"Heh, nicht so wackeln, Marie." Wie soll Nelleke die Raketen an den Karussellecken mit dem widerspenstigen Draht befestigen, wenn die rote Fusselbärin nicht stillhält? Das Dach dreht sich sowieso schon die ganze Zeit und diese Bärenleiter ist auch nur so schnell hingeräubert.
So, das ist endlich der letzte Treibsatz am Baldachin. Nelleke hat alle Raketen bewusst mit der Spitze etwas nach unten gerichtet. Der Rückstoß soll ja nicht den Streifenstoff entflammen. Und abheben soll das Karussell auch nicht. Da ist es sicher besser, wenn die Ecken gleich mehr Anpressdruck bekommen.
"Und ihr seid sicher, dass das so richtig ist?" Der Nachbarjunge denkt an seinen empfindlichen Magen, der sowieso schon angegriffen ist.
"Klar doch!" Nelleke zückt das lange Kaminfeuerzeug und beginnt zügig die Raketen zu zünden. Am Besten starten alle gleichzeitig, damit es eine gleichmä8ige Beschleunigung gibt. Marie, Larissa, RaffRaff und die kleine Maus halten dabei schon einen respektvollen Sicherheitsabstand ein.
Doch als alle vier Raketenmotoren plötzlich los fauchen – die Lunten sind abgebrannt – kommt ihnen der viel zu klein vor. Im Laufschritt vergrößern sie die Enfernung zum Flammenrad und eine Nelleke stürmt lachend hinterher. Das wird ein Riesenspaß.
Wenig später saust und braust es wie geplant. Mit einem kräftigen Strahl treibt jede der Raketen die kleinen Karussellfahrer im Kreis herum. Schneller und schneller flitzen die Sitze auf der Kreisbahn und die juchzenden Flieger werden immer höher nach außen getrieben.
Genauso hat Nelleke sich das vorgestellt – es gibt doch nichts Schöneres, als wenn ein Plan funktioniert. Die anderen Bären sind beeindruckt, so schnell war noch nicht einmal Maries Dreirad.
Als die Kleinen immer höher im Kreis fliegen, wird es ihnen doch etwas unheimlich. Könnte nicht jemand die Fahrt etwas langsamer machen? Doch – upps – eine Bremse haben die klugen Bärenmädchen nicht vorgesehen. Bis jetzt war die Kreiselei ja immer nur viel zu langsam gewesen ...
"Ich glaube, da läuft etwas nicht rund," wendet sich Marie an die Expertin für wahnsinnige Fluggeschwindigkeiten. Doch, doch, die kleinen Sesselflieger beschreiben eine perfekte Kreisbahn, die sich immer höher schraubt. Aber auch Nelleke wird etwas mulmig. Der Plan funktioniert wohl viel zu gut.
Doch was sollen sie machen? Wie sollen sie sich der feuerspuckenden Höllenmaschine nähern, ohne mit voller Wucht von den sauschnellen Sesseln erwischt zu werden? Die Hasenpfoten, Schweinsfüße und Paarhufer darin bekommen inzwischen ein echtes Astronautentraining in einer Zentrifuhre – was ist denn das? – na, ein superschnell kreiselnder Fliehkraft-Drehdingsbums.
Immer wilder brausen ein langmutiges Rindvieh, ein ängstliches Ferkel und zwei fest in ihren Sitz gepresste Fluglöffelträger durch die Nacht. Die Raketen rackeln inzwischen heftig in ihren hastigen Verankerungen und werden immer widerwilliger in die enge Kreisbahn gezwungen.
Nein, da können die Bärenmädchen wirklich nicht mehr selber helfen. Aber sie haben eine Idee: Sie schicken einen vollautomatischen Roboter-Rettungstrupp, der sich langsam sirrend zum flammenspeienden Drehwurm aufmacht. Die Roboterhelfer wissen hoffentlich, was zu tun ist, wenn sie bei den heftig umhergeschleuderten Sesselflugpassagieren endlich ankommen.
Doch plötzlich gerät die Zentrifuhre vollkommen aus den Fugen. Der Standteller beginnt bedrohlich abzuheben, wenn die Schubkraft der Raketen inzwischen das ganze Karussell über die Betonplatten tanzen lässt.
Wenig später hat es den Rettungstrupp selbst dahingerafft. Wer hilft jetzt den Helfern? Nur ein Inspektionsroboter versucht noch viel zu bedächtig dem wild um sich schlagenden Karussellfuß zu entkommen.
Dann ist die ganze Karussellei zum Glück ganz schnell vorbei. Einige Raketen versuchen sich in den Boden zu bohren, während andere sich losgerissen haben und ziellos durch den Garten zischen. Die beiden Schlappohren und der Nachbarjungen sind mit dem Schrecken davongekommen und suchen sofort das Heil in der Flucht.
Zurück bleiben ein verknicktes Gestell, zerrissener Markisenstoff, die erste ausgebrannte Raketenstufe, umhergeworfene Sitze, rettungslos verlorene Retter und eine einsame Ferkelkappe.
Larissa rettet Q aus dem Grünzeug. Als das gescheckte Tier aus dem Kettensessel geschleudert wurde, ist es zum Glück im Dickicht weich gelandet. Die kleine Bärin ist froh, dass ihrem Liebling nichts Schlimmeres zugestoßen ist. Demnächst wird sie sich zweimal überlegen, ob sie sich auf den nächsten verwegenen Nelleke-Plan einlassen wird.
"Leckomio! Das gibt sicher Ärger." Marie zittert noch am ganzen Körper und auch Nelleke hat ihre Kappe in den Nacken geschoben. "Nicht, wenn wir alles wieder ordentlich hinstellen und die Raketen verschwinden lassen. So halt, dass Anna nichts merkt." Aber wie wollen sie dieses ganze Chaos bloß wieder aufräumen?
Fotos: W.Hein
Das Karussellabenteuer ist eigentlich auch schon wieder ein Jahr alt. Am 31.12.2013 wurde es noch "schnell" im Bild festgehalten. Aber bei den ganzen Aufregungen und dem vielen Feuerzauber wäre die Geschichte in den paar Stunden bis zum Neujahr niemals rechtzeitig fertig geworden. Denn all die spektakulären Flammen und Explosionen werden erst später am Computer dazugebaut. Sonst wäre es für die kleinen Fusselpelze viel zu brandgefährlich. Auch so ist es schon ein Riesenabenteuer gewesen für Nelleke, die weiße Maus und Marie auf der Suche nach dem richtigen Karussellmotor. Im entscheidenden Moment hat sicher geholfen, dass im Supermarkt des Vertrauens ein günstiges Raketenangebot gemacht wurde und einige Wochen zuvor in einer Fernsehsendung von "Nicht nachmachen" gezeigt wurde, wie man eine Wäschespinne im Garten auf rasante Touren bringt. Die kleinen Bärinnen sind alles Rica-Bären, Schwarzfuß ein Hase von Eva Tietz, Marieles Hase eine "Beigabe"von Christiane Kaufmann. Die kleine weiße Maus kennt Deb Canham. RaffRaff hat seinen Namen vom Kindermund geliehen und der Nachbarjunge und Q tragen sogar einen Knopf im Ohr.