Donnerstag, 6. November 2008

Darf die Maus raus?



Lisa hat sich das Stoffbuch unter den Arm geklemmt.
Das ist viel sperriger, als sie gedacht hat. Aber sie will
es unbedingt Marie zeigen. Zeigen, weil die ja noch
nicht lesen kann. Das kann Lisa zwar auch nicht, aber
da sie die Geschichte schon kennt, macht das nichts.

Endlich hat sie den kleinen Wildfang gefunden.
Das ist auch gut so, denn das blöde Stoffding ist nicht
nur sperrig sondern auch noch ziemlich schwer. Das so
ein bisschen Flusenkram auch so viel Gewicht haben
kann?

Die kleine Bärin ist so beschäftigt, das Monsterbuch durch
das Zimmer zu wuchten, das sie noch nicht einmal bemerkt,
als ihr das Kuscheltier wegrutscht. Schnell liegt das Langohr
auf dem Parkett.

Da kommt schon eine aufgeregte Bärenmutter zurück:
„Kaninchen, du musst dich doch ordentlich fest halten.
Das kann ich nicht auch noch machen...“

Dann wird aber erstmal das kleine Frotteetier getröstet
und die Schlappohren gekämmt. Denn eigentlich hat
sich
Lisa ganz furchtbar erschreckt, als plötzlich die kleine
Kuschelfreundin weg war.

Jetzt kann die Bärenmutti Marie endlich das Buch zeigen:
„Das heißt Blätterfetzenhaus oder so. Aber das ist nicht
wichtig. Es ist aber ganz wuschelweich und man kann ganz
viele Sachen machen,“ erklärt die Bärin mit feierlicher Miene.

Die kleine Schwester hat die gelborange Katze in einer
Stofftasche entdeckt. Die kann man sogar rausziehen und
dann hat sie unten ein Loch, in das eine ganze Bärenpfote
reinpasst. „So eine Katze habe ich als Holzanhänger!“

„Miau! Ich bin jetzt eine Katze, die ganz doll mit den
Armen schlackern kann,“ verkündet stolz Marie. „Und das
mache ich jetzt auch!“


Und schon tanzt eine Katze durch das ganze Zimmer und
eine kleine Bärin hüpft eifrig unten dran dazu. „Das ist
Miezen-Hippel-Hoppel oder ein Schlicker-Schlacker-Tanz.
Das brauchen Katzen, wenn sie so lange in Büchern fest hängen.“

„Marie, wenn du weiter hinter der Katze her rennst, verpasst
du den ganzen Anfang.“ Lisa hatte sich eine Lesestunde ganz
anders vorgestellt. „Kaninchen, pass auf, ich zeige dir, wie
es losgeht.“ Und dann hebt sie ihre Stimme, dass es auch
wild umher springende Katzen mithören können: „Und wenn
die Marie nachher nichts mehr versteht, weil sie nicht
zugehört hat, dann sagen wir ihr nichts.“

„Hier ist zum Beispiel extra ein Zumachding, das
man ganz vorsichtig hochziehen muss,“ führt
die große Buchkennerin vor, als sie den
Klettverschluss vor der neugierigen Marie öffnet.

Sie klappt das Buch auf - jetzt geht die Geschichte auch endlich los.
Die Katze braucht ein Haus und fragt jeden. „Marie, wo ist denn
jetzt die Miez?“


"Na hier!" Die Katze guckt von oben rein.
Sie sucht doch ein Heim.

Dann kommt sie zur Tür herein, wo ein Schmetterling
vor einem Spiegel wartet.

Die Kugelsamtpfote hat aber noch keine Zeit und zwängt
sich gleich wild schlackernd durch ein enges Loch.

Schnell schiebt Marie den Käfer von einer Seite zur anderen.
Aber davon bekommt die Katze kein neues Zuhause.

Als nächstes entdeckt die kleine Bärin einen Frosch,
dem sie die Arme hin und her ziehen kann. Mal ist der
rechte Arm ganz lang. Dann der linke.

Kaninchen hat kleines Eckchen für sich gefunden. Denn die
Schnecke ist ja so langsam, da hat das Schlappohr noch viel Zeit.
Aber dann wird es eng, weil Lisa die Seite umschlagen will.


Bevor aber die ungeduldige Bärin dazu kommt, presst sich
wieder die Katze durch das nächste enge Loch. Menno!
Keiner scheint sich für die Geschichte zu interessieren.
Lisa zieht einen Flunsch.

„Jetzt kommen wir endlich zur Maus,“ verkündet sie ganz
gewichtig, als eine kleine blaue Figur aus einer Stofftasche
schaut. Die Katze mit der Bärenpfote im Po fragt sofort:
„Darf die Maus raus?“

Also nimmt Lisa die Maus, damit sie endlich weiterkommen.
Sonst bleibt die wild umherhüpfende Katze ja am Ende doch
noch obdachlos.


Schließlich überzeugt Lisa ihre kleine Schwester davon, dass sie
die beiden Schlenkerpuppen in die Taschen stecken, damit die
beiden endlich zuhause ankommen. „Das ist jetzt das neue Haus
für Katz und Maus und die Geschichte ist aus.“

Dann ist das Buch zu Ende und die große Erzählerin
klappt es erleichtert zu. Jetzt ist auch alles gesagt
und gezeigt. Na ... fast, denn Marie entdeckt noch
das Spiralding auf der Rückseite.

Also zeigt sie Marie, dass man die Scheibe auf der Rückseite
drehen kann. Aber immer in Pfeilrichtung. Das ist doch ganz
aufregend, oder?

So jetzt hat Marie alles gesehen. Lisa will das Buch
gerade wegpacken, da will die kleine Bärin das
Stofffetzenblätterding gleich noch mal öffnen.


Sie klappt es schnell an der Stelle auf, wo Katze
und Maus in den Taschen warten.

Lisa muss wieder die blaue Maus nehmen und
Marie wird zur wilden gelborangen Katze: „Miau! Miauauuarr!“


Dann toben beide Tiere durch das Buch, jagen sich durch die
Seiten, vorbei an Frosch, Schnecke und Schmetterling. Die
kümmert das genauso wenig wie den Schiebekäfer. Aber die
wussten ja alle auch nicht, dass am Ende das Mausehaus
im Buch gewartet hat.

Und danach steigen eine blaue Maus und eine gestreifte Katze aus
dem Hausbuch aus und erkunden das ganze Zimmer.
Die Bärenmädchen gleich hinterher.

Viel Gerangel auf dem Parkett. Zwei Bärinnen purzeln
übereinander: „Vorsicht, sonst werde ich plattgemacht,“
piepst ängstlich die Maus. „Miau, Miaohohoo, sei kein
Paniklangohr, jetzt komm ich!“ ruft die Katze „Gleich
habe ich dich. Miehihihiii“ „Menno! Ich bin kein Angsthase!
Kannste Kaninchen fragen“

Lisa und Marie spielen noch ganz lange mit den Pfotentieren.

Und Maus und Katze sind glücklich. Das ist viel spannender
als immer nur im wuschelweichen Blätterfetzenhaus zu sitzen.


Das ist natürlich kein "Blätterfetzenhaus" sondern das "Blätterhäuschen",
ein erstes Kinderbuch von Haba für kleine Kinder und kleine Bären.
Die Katze und Maus gehören dazu, obwohl sie sicher auch anderswo
tolle Abenteuer erleben können.
Lisa und Marie kommen aus Detmold von Ulrike und Claude Charles.


Fotos: W.Hein


Samstag, 1. November 2008

Hoch hinaus



Die Rollente hat extra ihr Zugband mitgebracht.
Für die große Ausfahrt im Garten. Vielleicht hat
der Neue ja Zeit.

Der kleine Bär begrüsst das Rolltier ganz aufgeregt.
Nein, für eine Ausfahrt hat er jetzt keine Luft.
Aber vielleicht kann sie ihm ja helfen ...

Die ganze Zeit seit seiner Ankunft hat der Bär gehört
"Ohh, ist der leicht!" und "Das ist aber ein Fliegengewicht."
und "Meen Jung, dich Floh pustet ja die nächste Bö innen Teich."
In den Teich will der kleine Petz nicht, aber ausnutzen will er
das "Fliegengewicht" schon.

Der junge Bär will hoch hinaus und die weite Welt entdecken.
"Denn die nahe Welt kenne ich schon." Schließlich hat er die
letzten Tage damit zugebracht, das ganze Haus zu erkunden.
Er ist eifrig durch alle Kisten und Kästen gestöbert, in denen
sich der bunte Krims und der glitzernde Krams türmt.
Wenn das hier schon so viel zu entdecken gibt, was wird
da draußen wohl alles an Abenteuern auf ihn warten?


Deshalb will er dem Herbstwind davon fliegen.
Nach reiflicher Überlegung hat sich der Bär für einen
Luftballon entschieden, der ihn in den Himmel tragen
soll. Und zur Sicherheit noch für einen zweiten, falls
der erste platzt.

"Gutes Flugwetter heute!" Denn immer wieder fährt der
Wind in die Zweige und schüttelt die letzten Blätter. Da ein
Motor sicher ganz furchtbar schwer ist und er ihn die ganze
Zeit tragen müsste, will der mutige Petz den Wind die Richtung
bestimmen lassen. Sonst würde es ihm ergehen, wie diesem
berühmten englischen Bären, von dem sie ihm im Haus erzählt
haben. Der hing am Luftballon bei Windstille und kam nirgendwo hin.
Weder zum Honigbaum noch zu neuen Ländern.


Das soll ihm nicht passieren! Deshalb hat er auf Wind gewartet.
Nicht zu viel, denn eigentlich will er heute sein Flugerät nur
testen. Aus Gewichtsgründen hat er sogar auch die Straßenbahnkarte
für die Rückfahrt eingespart. Und der Holzschnatterich muss
aufpassen, wohin er fliegt. Damit jemand im Haus Bescheid
sagen kann.

Es wird noch einmal die Pfote angeleckt und genau geprüft,
aus welcher Richtung der Wind weht. Der Bär will ja nicht
gleich in den ersten Ästen hängen bleiben.


Schon haben sie die Freifläche erreicht und der Bär hält
seine beiden Ballons so hoch es nur geht in den Wind.
Den Fahrvogel führt er noch am Halteseil, falls es plötzlich
nach oben gehen sollte. Das Bodenpersonal folgt aufmerksam
jedem seiner Schritte und rollt hinten drein.

"Jetzt fliegt und nehmt mich mit." Der kleine Bär kann
es kaum erwarten, dass der Wind nicht nur sanft die
beiden Luftballone hin und her schubst. Da kommt wieder
so ein Windstoß. Also beim nächsten geht es gleich los ...


Aber irgendwas stimmt noch nicht. So sehr der Bär auch
versucht, die bunten Bälle in den Wind zu halten, sie heben
ihn nicht. Nicht mal den kleinsten Hüpfer. Das fliegt nicht!
"Du bist doch ein Vogel." fragt er seine Holzfreundin.
"Was ist verkehrt? Haben die Luffis die falsche Farbe?"


Quack, was soll sie dazu sagen? Rollenten haben
doch keine Ahnung vom Fliegen. Sie fahren!


Aufgeregte Bären ficht das nicht an. "Also, eigentlich klappt
es ja schon - beinahe." Er zeigt nach oben. "Das ist jetzt
nur noch kein richtiger Bärenflug-Herbststurm - nur so ein
laues Nadelherumweh-Lüftchen."

Der kleine Petz überlegt weiter: "Auf jeden Fall
brauche ich mehr Wegfliegkraft. Zwei Ballons sind
da noch viel zu wenig." Er kratzt sich mit der freien
Pfote das Fell zwischen den Ohren. "Es müssen schon
mehr sein. Viel, viel mehr!" Dann legt er den Kopf
schief und schaut die beiden bunten Flugbälle an:
"Was meinst du, ob Hundertdrei reichen?"

Hundertdrei ist ein Schattenbär. Einer der in den Regalen
der Bärenhöhle in Hannover so im Hintergrund steht und
entdeckt werden will. Ihn hat Hanne Mahnke zwar selbst gemacht,
aber noch nicht einmal ein kleines Stoffflitzchen verät, dass er ein
echter Bärenhöhlenbär ist und mit erstem Namen Ewald hieß.

PS: Der berühmte Bär am Ballon, von dem im Haus erzählt wird,
ist natürlich Pu der Bär, der sich als kleine schwarze Wolke getarnt
an den Honigbaum anschleichen will. Bis die Bienen Argwohn schöpfen.
"Sie schöpfen was?" fragt Christopher Robin. Auf jeden Fall scheint das
englische Klima viel milder zu sein, wenn ein Junge einfach einen
himmelblauen Ballon aufblasen kann und ein Bär damit davonschwebt.
Oder liegt es doch an der Farbe?

Fotos: W.Hein


Mittwoch, 8. Oktober 2008

Der Weg zurück




Sieht man heute das Ende ... beginnt alles vor Jahrzehnten
mit einem wuscheligen Bär, der überall immer kräftig das Maul
aufreißt. Er hätte mein erster Bär bleiben können, obwohl er
eigentlich meiner Mutter gehörte. Und wahrscheinlich hätte er
heute viel weniger Brüder, die den Garten unsicher machen.
Aber es ist anders gekommen ...

Der Zotty hat sich gerade mehrere Stunden auf meinen
Bauch gesonnt und überhaupt ... er sitzt hier im Garten,
weil ich bei diesem wilden Gesellen immer noch eine
offene Rechnung mit der deutschen Autobahn und den
Alpen habe. Denn dieser Wuschelpetz ist auch nicht
der 'erste Bär', er ist ja erst seit wenigen Tagen im Haus.


Der erste Zotty ist vor vielen Jahren in einer regnerischen
Nacht verloren gegangen. Die Familie war im beigegetünchten
Käfer unterwegs in den ersten gemeinsamen Urlaub. Mit Freunden
ging es nach Hintertux, einen Talkessel mitten in den Alpen, in
die eine Straße hineinführt. Und dieselbe führt auch wieder raus.
Schon damals wollte ich als kleiner Dötz nicht nur mit Vater und
Mutter verreisen. Deshalb mussten mein Hase Cosy, der 14 Tage
jünger als ich ist, und der Zotty, den mein Vater meiner Mutter
kurz nach der Verlobung schenkte, mit.

Die Anreise aus Norddeutschland dauerte schon länger. Es war
dunkel geworden und ich schlief mit Langohr und Bär auf der
Rückbank. Irgendwann wurde mitten in der Nacht im Regen
Pause auf einer Autobahnraststätte gemacht. Ich blickte von
der Rückbank verschlafen in die Nacht und stolperte wohl auch
für einem kleinem Zwischenstopp zum Klo. Danach habe ich mich
wieder in die Kissen gedrückt und weiter geschlafen.
Erst später sammelte ich die Reisegefährten zum Anschmusen
wieder zusammen ... aber ... da war kein Zotty mehr. Der Bär
blieb verschwunden, obwohl ich alles immer wieder durchwühlte
und die Jacken, Taschen und Kissen auf der Rückbank und im
Fussbodenraum mehrfach umschichtete. Wie konnte er nur
entschwinden? Der Kuschelpetz war wahrscheinlich beim letzten
Halt zwischen Vordersitz und Türholm aus dem Käfer gerutscht
und lag jetzt einsam und verlassen auf dem nassen Asphalt des
Autobahnparkplatzes. Ich heulte Rotz und Wasser und wollte zurück
zum Bären. Den müssen wir doch retten! (... und mich damit auch.)
Aber meine Eltern wollten nicht umkehren. Für sie war der Zotty
längst verloren. Wo sollte man ihn suchen? Wie die verlorene Zeit
aufholen? Wir fuhren also weiter ins bergige Hintertux und machten
dort Urlaub.

Es gibt aus der Zeit Fotos von uns und der anderen Familie. Auf
einigen sitzen die Kinder auf den Schultern der Erwachsenen bei
den Bergwanderungen. Ich behaupte immer noch, das ich dabei
nicht glücklich aussehe. Und ohne diese Bilder wäre ich vielleicht
nie da gewesen ... denn es gibt keine eigenen Erinnerungen an
die Bergwelt, die Pension oder die Ausflüge. Doch das Bild von
dem durchnässten Bären, der verloren mitten in der Nacht an
der Autobahn liegt, das Bild verfolgt mich immer noch. Zudem
mag ich auch heute keine alpinen Bergferien und erst recht nicht
dieses Hintertux im fernen Tuxtal. Aber ich habe seitdem eine
Sehnsucht nach Bären.


Deshalb gibt es jetzt wieder einen Zotty. Doch eigentlich ist
es doch zu spät für ihn. Auch wenn er trotz seines Alters
wahrscheinlich heute immer noch so aussieht wie der damals
verlorene Bruder. Da der mir seit vielen Jahren so lange so
sehr fehlte, passten plötzlich noch ganz viele weitere Bären
in mein Herz. Und die möchte ich inzwischen dort auch
nicht mehr missen.

W. Hein

Der Zotty ist ein Ebay-Eroberung, der zwar nicht ganz so alt ist,
wie es der Zotty meiner Mutter vom Anfang der 60er gewesen wäre.
Er ist wahrscheinlich eher ein Achtundsechziger, aber er hat noch
den Charme der älteren Steiffbären, der sich bei den aktuellen
Knopfbären nicht recht einstellen will. Der Zotty hatte bislang
offensichtlich nur repräsentative Aufgaben, denn er sieht immer
noch frisch aus, nur das Fell ist etwas ausgeblichen. Sogar das
Pappschild auf der Brust ist noch vorhanden. Genau genommen
gibt es inzwischen sogar zwei Zottys. Denn meine Mutter hat jetzt
auch wieder einen Felltröster am Bett sitzen.

Das dritte Bild wäre ohne die Hilfe von Shutterstock und diversen
Internetquellen nicht entstanden. Sei es die Sammlung alter Postkarten
von deutschen Autobahnraststätten, stolze Käferbesitzer und
italienische Hintertuxurlaubern. Vielen Dank für die Vorlagen.