Sonntag, 14. Januar 2024

Was für Zeiten!

 Der schnelle Silvesterbesuch (ein Rückblick)

Hektisch huscht der hibbelige Hase in den Sessel. Kurz vor Mitternacht kommt doch noch Sir Hopsalot zu Besuch. Albert hat ihn schon mit Häppchen erwartet. Dann kann er gleich mit Victoria und ihm mit einem Glas Rhabarber-Wein auf das neue Jahr anstoßen.

Doch der Hase ist viel zu aufgeregt. Schon springt er auf und eilt zum Fernrohr, um weiter nach vorn zu schauen. Er sieht aber nur eine vergrößerte Zimmerecke. Wenn Victoria das wüsste, wäre es ihr gar nicht recht. Albert könnte häufiger die Spinnweben wegmachen.

"Ihr habt eine neue Uhr!" Der Hase hat einen kurzen Moment wieder Platz genommen. "Ja," nickt Albert, "Victoria will sehen, wie die Zeit vergeht."

Aufgeregt spring Sir Hopsalot aus dem Sessel: "Das ist es ja! Genau das! Zeit geht!"

"Und das ist so quälend!" Fast hätte der Hase sich hingesetzt. "Manchmal ist es sogar noch viel schlimmer!"

"Es gibt Minuten, in denen die Zeit schleicht." Damit Albert es sich besser vorstellen kann, zeigt es ihm der Hase besser gleich.

"Wenn die Zeit danach wenigstens hoppeln würde … aber nein … sie kriecht!" Er überlegt: "Immer noch besser als rückwärts oder stillstehen… " Dabei hätte Albert bisweilen gar nichts dagegen, wenn die Zeit stehen bliebe, und er manchen Augenblick zufrieden noch länger geniessen könnte. 

Das ist nichts für den Vollzeitdynamiker, die inzwischen auf der Uhr gelandet ist: "Kann Zeit denn nicht sausen, rennen, rasen? Wenn die Sekunden nur so davonfliegen!"

"Wenn sie wenigstens springen, tanzen und Haken schlagen würde." Für Sir Hopsalot ist die Zeit viel zu träge und langweilig. 'Mögest du in aufregenden Zeiten' leben ist für ihn keine Drohung sondern eine Verheißung.

Der Mäuserich versteht den Hasen nicht. Er schaut auf die Uhr, sie geht doch. Albert versucht den Hasen abzulenken. Er hat ja gerade die alten Zeitungen noch schnell ausgelesen und da ging es auch um die Eisenbahn und deren fehlende Pünktlichkeit: "Ich habe gelesen, die Deutsche Bahn hat Probleme mit der Zeit…"

"Meine Rede!" ruft Sir Hopsalot: "Ich sage nur Bummelzug. Und wenn ein Schnellzug ausfällt, dann ist er gleich aus der Zeit gefallen!" Wer bekommt eigentlich die ganze Zeit, die dann plötzlich über ist? "Wahrscheinlich wird die mir aufgebrummt, damit sie bei mir dann nur noch schleichen kann!"

"Deshalb: Keine Zeit!" Schon verabschiedet sich der Hibbelhase. Er muss noch schnell zu Herrn Kröt, der die Zeit zu Silvester wenigstens ordentlich knallen lässt. "Wenn die Zeit explodiert, dann bin ich dabei," ruft Sir Hopsalot. Albert ist nicht unglücklich – so bleibt mehr Rhabarberwein für ihn. Und das neue Jahr wäre mit dem hektischen Hasen sicher sehr anstrengend gestartet. Da macht er mit Victoria lieber wieder langweilige Silvester.


Idee: SchneiderHein     FotoText: Hein

Manche Geschichten brauchen eben etwas länger, bis sie auf dem Blog erscheinen. Und dann können sie später immer noch auf das richtige Datum geschoben werden ;-)


Dienstag, 2. Januar 2024

Mit ganz viel Glück

 Vor dem Silvesterabend hatten Victoria und Albert noch Besuch:

Victoria sortiert gerade ihr Käsekabinett neu. Sie muss dringend Platz schaffen. Vielleicht sollte es am Abend ein Käsebuffet geben. Wenn da nicht noch ein Linsengericht auf sie warten würde.

Albert versucht noch schnell vor dem Jahreswechsel die Zeitungen der letzten Wochen aufzulesen, um keine alten Nachrichten ins neue Jahr mitzunehmen. Er hat dafür die Zeitungen nach Datum sortiert. Der Mäuserich ist gerade in einem Flutbericht vertieft und hört das leise Kichern nicht: "So ein Glück, so ein Riesenschweineglück!"

So zuckt Albert richtig zusammen, als ihn die Mäusemädchen plötzlich ansprechen: "Hast du schon mal so viel Glück in jeder Pfote gesehen?"

Die Mausemädchen sind ganz aufgeregt. Jede von ihnen hat mindestens zwei vierblättrige Kleeblätter gefunden und "auf jedem Blatt sitzt sogar ein Glückskäfer!" "Wo gefunden?" Victoria ist misstrauisch … "In einem unscheinbaren, braunen Papierumschlag lag das Glück ganz unbeobachtet im Flur. Vielleicht hat es ja jemand dort vergessen. "Das hat auf uns gewartet!" Oder derjenige brauchte es nicht mehr … "Quatsch, jeder kann doch Glück gebrauchen." Hier kann offensichtlich jeder so viel Glück haben, wie er will. "Ich hab' drei!" ruft Sunshine.

Was kann man mit so viel Glück alles machen. "Wir könnten den 'dicken Mann' gewinnen." Die Mädchen meinen die berühmte Lotterie in Spanien, bei der Kinder die Gewinnzahlen singen müssen. "Die ist doch gerade vorbei! Das dauert doch fast wieder ein Jahr bis zur nächsten Ziehung." Ob das Glück so lange hält? "Wieso, hat Glück eine Haltbarkeit?" Oder verbraucht es sich? Auch wenn es doppelt und dreifach vorhanden ist? "Ich dachte, ich habe jetzt einfach Glück für immer." Kann man Glück überhaupt verdoppeln? Sonst sollten sie lieber teilen.
 
Victoria kann es nicht glauben. Was soll das für ein Glück sein, wenn es immer gleich aussieht und aus Kunststoff ist. "Überhaupt, vierblätterigen Glücksklee muss maus suchen und finden…" "Haben wir doch!" maulen die kleinen Mauselinen. "In einem braunen Papierumschlag," schnaubt Victoria.

"Das ist doch nur ein Glück von der Stange in handelsüblichen Mengen." Victoria möchte nicht, dass die kleinen Mäusemädchen enttäuscht sind, wenn die Kleeblätter doch nur schnöde Deko sein sollten. "Das kommt sicher aus Asien und eure Glückskäfer sind diese bissigen asiatischen Marienkäfer."

Doch davon wollen die Mädchen nichts hören. Sie glauben an ihr Glück en Gros und nehmen es mit ins neue Jahr. "Lass uns nach draußen laufen und das Glück testen." Alle sind begeistert: "Vielleicht finden wir ja einen Glückscent." "Wir treffen nur nette Passanten und alle grüßen" "Wir bekommen noch die Eisenbahn." "Es fährt überhaupt eine!" "Und niemand tritt in Hundehaufen."

Victoria kann da nur noch den Kopf schütteln. Sie drückt den Mausemädchen beide Daumen, dass sie im Übermut keinen Unsinn machen. Wenn jetzt nichts Schlimmes passiert, ist kein Unglück ja auch schon ein Glück. Doch sie muss sich dringend um ihren Käse kümmern, bei der offenen Tür können ihr sonst einige Sorten davon laufen.


Idee: SchneiderHein

Das Glück der Mausemädchen ist eigentlich ein Versehen. Bestellt waren Holzsterne für die Winterdeko. Geliefert wurde dieser 24fache Glücksklee, der dann schnell doch noch eine Verwendung gefunden hat. Welch ein Glück!


Montag, 1. Januar 2024

Stößchen!

 

Albert fühlt sich wie ein matter, schwerer Plumpssack in seinem Sessel. Es sind nur noch wenige Minuten vor Mitternacht und eigentlich soll der Topf mit Linsen auf dem Tisch noch leer werden. Wenigstens hat er keine Linse auf dem Teller gelassen.
 
Victoria hätte gern schon einen Käseschnitz aus ihrem Kabinett genascht. Aber so lange noch Linsen da sind, ist das zu gefährlich. Denn Käse schließt schließlich den Magen.

Es ist fünf vor zwölf! Victoria seufzt. Das mit dem weiteren Wohlstand können sie vergessen. Auch wenn jede gegessene Linse an Silvester doch einen Taler oder eine Lire im neuen Jahr bringt. Weil die Tradition wohl aus Italien kommt. Aber diese Linsen im Topf schaffen die beiden Mäuse in dem alten Jahr nicht mehr. Und dann bleibt noch die Frage des Umrechnungskurses von Taler in Euro.
 
Albert ist erleichtert. Mehr Reichtum verkraftet sein Magen heute nicht mehr. Und muss doch nicht sein: War die große Standuhr doch Victorias letzte Anschaffung. Nur weil sie fand, ihr Wohnzimmer "sei ein bisschen aus der Zeit gefallen."

Jetzt hätten sie fast Neujahr verpasst. Albert wälzt sich hastig aus dem Sessel, um mit Victoria vor der neuen Uhr die Gläser für 2024 klingen zu lassen. "Stößchen!" Fast perfekt. Victoria lächelt. Im nächsten Jahr bekommt sie ihren Albert endlich dazu, dass aus dem ollen Rhabarberwein doch noch ein feinperliger Sektkelch wird.

Idee: SchneiderHein


Da das Thema Linseneintopf zu Silvester nicht überall gebräuchlich ist, hier also doch mal wieder die Erklärung: Wie und wann der Brauch jedoch von Italien nach Braunschweig kam, ist weder meiner Mutter aus der Kindheit bekannt, noch habe ich etwas über diese Tradition in Braunschweig herausgefunden. Allerdings scheint sie in Süddeutschland auch häufiger vertreten zu sein.

Den Ursprung scheint diese Tradition jedoch in Italien zu haben. Dort sollen die kleinen Linsen kurz vor Mitternacht als Eintopf gegessen kleine Münzen symbolisieren. Sie stehen also für Geld, und bringen hoffentlich Reichtum für das nächste Jahr. Und je mehr man von den Hülsenfrüchten ist, umso besser ...

Nachdem ich heute mit meiner Mutter mal wieder vesucht hatte herauszufinden, seit wann sie den Brauch kennt, war sie der Meinung, dass sie die Linsen zu Silvester mindestens seit Anfang der 40er kennt. Allerdings kennen wir die Version sogar noch mit 1 Linse = 1 Taler = 3 DM. Der Ursprung muss also noch viel weiter in der Vergangenheit liegen. Vielleicht kommt dieses 'Muss' auch von der Familie meiner Großmutter - aus dem kleinen Dorf Geitelde in der Nähe von Braunschweig. Oder von meinem Großvater, der in Braunschweig aufgewachsen ist. Doch eventuell liegt der Ursprung ganz woanders - als meine Mutter und Großmutter im Krieg in einem kleinen Ort am Rande vom Elm bei dem Pastor evakuiert waren. Denn da brachte die Pastorenfrau zum Silvester-Mittagessen jedes Jahr den Linseneintopf auf den Tisch.

Aber in unserer Familie wurde dieser Brauch wohl sogar noch etwas verschärft: Es durfte keine Linse übrig bleiben, denn dann wäre man im nächsten Jahr verschwenderisch. Also mußten Serviergeschirr, Bestecke, Teller und Topf genau kontrolliert werden. Es durfte keine Linse daran kleben bleiben und so plötzlich im Abwasch landen.

Wolfgang hat diese Tradition gleich im ersten Jahr, als wir uns 1986 kennengelernt hatten, gerne übernommen. Und wir konnten uns bisher nicht beklagen. Auch wenn es seitdem das ein oder andere Jahr mit unerfreulichen oder unnötigen Ausgaben gab. Aber wir konnten sie zumindest bezahlen.

Unsere Studienfreunde in den Folgejahren zum langweiligen Silvester mit Linseneintopf einzuladen wurde nur mäßig angenommen. Und seit 2001 feiern wir wegen unserer grauen Katzenmädchen ohnehin nahezu alleine. Seitdem schlagen wir uns lieber den Bauch mit Linsen voll, damit unsere Katzenmädchen auch im nächsten Jahr noch genug Futterauswahl haben.

Was nun in diesem Jahr mit Albert und Victoria geschieht, ist spannend. Denn eigentlich haben sie ja große Sammlungen und brauchen auch den entsprechenden Platz dafür. Ob es wegen der restlichen Linsen im Topf und auf den Tellern jetzt Probleme gibt? Andererseits sind das ja gar keine richtigen Reste, denn die Linsen sind eingegossen und gehören zu unserer gesammelten Miniaturenwelt, in der es sogar Teller mit Essensresten gibt ...