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Dienstag, 12. September 2023

Meer-Knoten für die Pfoten

 

Hümpel hätte nicht gedacht, dass er es noch mal schafft. Im Strandkorb in der Sonne auf dem Balkon sitzen und von oben in das wuchernde Grün zu schauen. Eigentlich hängt er ja immer mit den Seebären herum. Die längst schon Landbären heißen müssten, weil sie seit vielen Jahren keine Pfote mehr auf eine schwankende Planke im Wasser gesetzt haben. Es ist einfach zu bequem, hier im Haus zu überwintern und dann die anderen Jahreszeiten gleich mitzunehmen.

Dabei hat Hümpel – sein leicht verkürztes Bein tarnt er als schwankenden Seegang – immer noch eine Vorliebe für Ringelstreifen, dunkles Blau und Matrosenkragen. Ein Seebär zu sein hat doch ein ganz anderes Gewicht als so ein Wald- und Wiesenbär. Ein längerer Landgang schadet da nicht dem Berufsbild, dass er seit Jahren pflegt. Deshalb muss er auch ganz schnell weg. Er hört eine helle Hasenstimme, die aufgeregt mit maritimem Kauderwelsch um sich wirft. Das ist doch dieser nervige Seehase, der schon seit Jahren auch Seebär werden will. Reicht da nicht inzwischen zum Gattungswechsel eine einfache Erklärung beim Einwohnermeldeamt? Auf jeden Fall wird es nervig und stressig, wenn der Hase ihn noch erwischt.

"Schockschweres Boot und dreifacher Mastbruch im Speigatt!" Hasenmaus ist enttäuscht. Da steht ein Strandkorb und niemand in Sicht, der Ahnung von Küstendingen und der Seefahrt hat. Dabei hat er sich extra Fachliteratur und Pfotenarbeit mitgebracht. Und er hat noch so viele Fragen an die großen Fachbären für Nautik, Knotenkunde und Seezeichen. "Da soll doch einer die Pottsau aus Kiel holen!" Fluchen kann er ja, aber der ganze Rest bringt ihn immer noch in schwere See, wenn eine steife Brise mal wieder alles Wissen aus dem Kopf bläst. Wie soll er da jemals die große Seebärenprüfung schaffen?

Die Leuchttürme von Sylt werden sicher kein Prüfungsthema. Die hat man doch sicher nur für die Touristen stehen lassen. Damit die ganze Bars, Geschäfte und Nobelbuhtiken bloß nicht die Leuchttürme vom Briefpapier und den Ladenschildern nehmen müssen. Gebraucht werden die meisten Leuchttürme ja leider immer weniger. Die Schiffe haben Radar, Funk und Satelliten und natürlich "Aiiss". Das klingt bei Hasenmaus wie ein scharfes Eis. "Speiseeis? Softeis? Oder Wassereis?" Bei den sommerlichen Temperaturen ist Lotte sofort interessiert. Aber es geht höchsten um Datensalat und Signalkompott. Denn mit dem "Aiiss" kann jeder auf der Online-Seekarte sehen, wo das Schiff gerade schippert. Und der Kapitän sieht, wer seinen Weg kreuzt und wann er auf die nächste Tonne hämmert.

Also an Leuchttürme verschwendet das blaue Langohr für die Seebärenprüfung keine Zeit. Aber der Tüdderkram wird sicher bleiben. Diese Segelboote sind voll davon. Also hat Hasenmaus einen Übungstampen mitgebracht und wird Lotte schnell ein paar Knoten zeigen. Da er schon mal welche erfunden hat, macht er diesmal welche, die alle kennen. Denn seine neuen Knoten kommen in der Prüfung sicher nicht vor. Und die Prüfer sind sicher überfordert, gleich zu erkennen, wofür die neuen Knoten gebraucht werden können. Also geht Hasenmaus diesmal den sicheren Weg und knotet nach Anleitung.

Die Kapitisse huscht nur schnell vorbei. Sie hat sich bei der Schoffösen-Karriere für den direkten Weg entschieden. Auf so zeitraubende Prüfungen und Patente verzichtet sie gern, sie nimmt gleich die Uniform mit den Streifen. Wenn die Mannschaft groß genug ist, wird es da schon ein paar Experten geben, die die nervigen Details kennen. Wenn sie den ganzen Lernquatsch mitmachen würde und dann sogar noch in niederen Rängen auf große Fahrt gehen müsste, wäre sie ja schon eine alte Zauseline, bis sie auf die Brücke als Cheffin käme. Das wäre nicht so praktisch für ihre nächsten Pläne.

Nach Anleitung bauen hat sich Hasenmaus einfacher vorgestellt. Es soll ein Wurftampen werden, aber bei den Zeichnungen hat jemand wichtige Details vergessen. Wo sind im Buch seine Pfoten geblieben, die sich hier immer wieder in dem Band verwickeln. "Das ist doch ein Riesenschlamassel, das jeden Kraken die Wanten hochtreibt." Er zieht erst einmal alles zusammen und dann noch ein Schlaufe ins Auge – wenn er jetzt nur noch schnell die Pfote rauszieht…

"Äh, Lotte, hast du mal einen Moment?" Es ist irgendwie doch wieder ein neuer Knoten geworden. Und der hat seine beide Pfoten eingefangen. Das muss er noch mal machen. Wenn Lotte ihn vorher befreit. Doch die hat heute ganz lange Socken an - mit bloßen Füßen! Manchmal zweifelt Hasenmaus an der deutschen Sprache und ihren Redensarten. Weiß die überhaupt, was sie da alles zusammenwürfelt?

Das liegt sicher, an diesem schnöden Billigbändsel, wenn die Knoten nicht gelingen wollen. Doch Hasenmaus hat ja noch diesen Premiumtampen mit Goldfaden. Damit knüpft das eifrige Langohr diese blöden Knoten ratzfatz. Wenn dieses Luxusgeschlunse nur nicht so dick und steif wäre. Er bricht ja fast schon beim Anheben zusammen. Wie soll er da noch freipfotig offene Enden miteinander verschlingen. Das ist leider doch noch der falsche Kurs zur Seebären-Prüfung.

Dann nimmt der Seepraktikant doch wieder das billige Bändsel. Es war ja vielleicht auch nur der falsche Knoten. Wer braucht denn schon Wurftampen? Das sieht übersichtlicher aus und Lotte soll auch mit ein Auge darauf werfen. "Das rechte oder das linke?" Lotte denkt nicht, dass es eine Frage der Augen sondern der Ohren ist. Denn wenn sich kleine Rechthaber taub stellen, verheddern sie sich ständig in ihren großen Erwartungen, "Du musst erst das lange Ende mitten durchfädeln," sie deutet auf die Zeichnung. "Das mache ich später."

Der Knoten sieht doch ziemlich ähnlich aus. Die Zeichnung im Buch war da auch etwas unklar. Und Hasenmaus gewinnt sicher die B-Note. Lotte sagt lieber nichts dazu. Vielleicht gibt es bei der Seebären-Prüfung bei den Knoten ja auch eine Kategorie für Freiform und einen Sonderpunkt für absolute Nutzlosigkeit bei maximalem Materialverbrauch. Sonst sollte der Hase lieber auf Schiffen anheuern, die mit Magneten anlegen.

Die Kapitisse hat sich wieder den Seefuchs gegriffen. Und kann es gar nicht erwarten, mit ihm eine sturmumtoste Nacht allein auf der Brücke zu stehen. Da wäre es doch blöd, wenn sie dann eine alte Zauseline wäre, die aufpassen muss, dass dabei nur die dritten Zähne im Wind klappern. Der Seefuchs wäre dann sicher auch nicht mehr so knackig und hätte längst einen Enkel … aber nicht mit ihr! 

Idee: SchneiderHein                Fotos: Hein



Samstag, 9. September 2023

Eine runde Pöttekunde-Stunde


"Buhouuuuu! BoHouuuuuu!" Das Nebelhorn ruft zur Schulstunde für alle Leicht- und Ultraleichtmatros*innen. Eigentlich sind schon alle da. Aber Doppelblau trötet zu gern in das alte Lärmmachding. Die blauen Jungs und Mädchen können es kaum erwarten, bis die Pöttekunde startet. Wobei … hätten sie sich da nicht lieber in der Kombüse treffen sollen?

Ihr heutiger Lehrmeister erscheint. Der 'Geist der Seefahrt' hat es nicht so mit den Seemannsgang und bevorzugt die 'plötzliche Erscheinung'. Das ist natürlich nicht so gut für die Figur, so das sich inzwischen eine stattliche Plautze aus der Kapitänsjacke schiebt. Seine Schüler*innen kennen das schon und haben ihm extra Platz in der Mitte gelassen. Es wäre ja auch ein Durcheinander, wenn sich die Lehrgeister mitten in einem Steppke materialisieren wollen.

Der 'Geist der Seefahrt' steigt gleich mitten ins Thema ein. Die Pöttekunde hat natürlich nichts mit Labskauspötten und Mattjestöpfchen zu tun. Hier geht es um die richtig großen Pötte für die große Fahrt auf hoher See. Und weil das hier ja nichts für angehende Freizeitkapitäne ist, beginnt er mit einem Fischtrawler, der seine Netze in der rauen Beringsee oder vor Spitzbergen auswirft. "Wenn es die verdammten Fangquoten zulassen," murmelt er dabei in seinen imaginären Bart. Sonst gibt es bald nur noch vegane Surimi. Und dafür braucht man kein Netz sondern nur nur einen Pinsel…

Das ist noch ein echter Hochsee-Kahn, den der 'Geist der Seefahrt' begeistert den kleinen Seebären einlaufen lässt. "Das Boot wird noch kleiner, wenn es nass wird?" Oh diese Dummbatze! Einlaufen ist sowas wie sich in den Hafen legen. "Das bekommt Schlagseite am Kai." Die blauen Schüler*innen tuscheln eifrig auf den hinteren Plätzen. "Damit man besser Aussteigen kann." "Ist das dann Backbord oder Steuerbord?" "Das hängt vom Hafen ab, das ist dann wohl Kippbord!" Der 'Geist der Seefahrt' stöhnt leise, das wird noch viel Arbeit werden. Da wird es noch einige Überstunden geben. "Und Kinners, sagt bloß nicht immer 'Boot'!"

"So ein kleines Schiff ist genau richtig für die erste Heuer," erklärt der 'Geist der Seefahrt' den kleinen Seebär'innen. "Da muss man noch alles selber machen und bekommt die Elemente noch hautnah mit." "Man wird also klatschnass." Die kleine Bärin kennt sich aus. "Dagegen ist so ein Kreuzfahrer schon ein fahrendes Hochhaus, bei dem alles automatisch geht. Da ist der Konditor oder der Pausenclown wichtiger als der ehrliche Bootsmann an der Ankerwinsch." Die kleine Seebärin umrundet misstrauisch die winzige Nussschale: "Das ist wirklich ganz schön winzig…" "Das ist doch nur ein Modell!" Da kennt sich ein Naseweis aber ganz schön aus.

Die Rättin schaut nur kurz vorbei und ist dann doch gleich wieder weg. Als Kapitisse will sie ja schon Chef-Schiffs-Schofföse werden, aber doch nicht von so einem kleinen Pott. Der ist ja viel zu wackelig und sicher gibt es darauf auch nicht genug Besatzung, die man scheuchen und anpfeifen kann. Außerdem sollte es jemanden für die Details geben. Der sich mit dem ganzen Seezeugs wie Steuerrad, Kurs halten und Häfen klar machen auskennt. Sie kann sich schließlich nicht um alles persönlich kümmern. Jetzt muss sie aber los, um etwas ganz anderes klar zu machen.

Der 'Geist der Seefahrt' ist schon längst beim nächsten Pott. Der hier ist eher für die kleine Fahrt im Wattenmeer. So ein Krabbenkutter muss auch seefest sein, aber der Krabbenfischer schläft schon öfter in der eigenen Koje an Land. Das ist dann eher für ein Schnupperpraktikum, wenn man überhaupt noch einen Krabbenfischer findet, der nicht nur noch bunte Staffage für die nächste Hafenpostkarte von Greetsiel ist. Dabei gibt es doch so viele Extras, die ein Krabbenfischer unterwegs machen kann: Sein eigenes Meersalz köcheln, Seehundsbänke besuchen oder Makramee-Eulen knüpfen und Original-Traumfänger für die Karl May-Festspiele in Bad Segeberg.

Den Mädels ist die Begeisterung des 'Geistes der Seefahrt' für diese Arbeitsplätze zur See nicht ganz geheuer. Das sind doch alles Fischfänger, die da übers Wasser schippern. Vielleicht sind die riesigen Kreuzfahrer doch kein so schrecklicher schwimmender Stahlkasten auf dem Meer. Bevor sie den ganzen Tag dann immer nach Fisch stinken, nehmen sie doch lieber die weiße Ausgehuniform und helfen ungelenken Landratten in die Schwimmwesten bei der Rettungsübung.
 
"Das hier ist eine echte Touristenfalle auf großer Nepptour." Der 'Geist der Seefahrt' kann nur warnen, was dort unwissenden Landratten für ein Seebär aufgebunden wird. "Das hier ist kein Traumschiff, das ist eine gebaute Schiffshavarie." Hier sollte niemand anheuern. Er weiß ja gar nicht, wo er zuerst anfangen soll. Die dicken Tampen auf Deck, Aufbauten wie zwei Klohäuschen, die unmögliche Takelage und dann noch ein Segel, das zur Sicherheit an zwei Masten angeschlagen wird. Obwohl alles aus leichtem Balsaholz bebaut ist, sollen damit wohl Bleikugeln transportiert werden, wenn die Wasserlinie kurz unter der Reling hängt… Die kleinen Seebär*innen nicken – wie immer an dieser Stelle – eifrig. "Aye aye … können wir jetzt weiter machen …?"

Doppelblau will nicht länger warten. Bevor er sich hier weiter an seiner Karriere ein Schwermatrose abrackert. "Vollmatrose," murmelt der 'Geist der Seefahrt'. Auch egal, wenn er so ein massiger Seebär werden soll, dann will er mal den richtigen Pott zu seinem Deckel sehen. Und damit meint er kein Containermonsterschiff oder ein Ökogastanker. Wo einem die Zunge raushängt, wenn man vom Bug endlich in der Kombüse ankommt. Gibt es denn nichts Schönes zur See?

Das ist doch endlich mal ein schönes Schiff. Doppelblau reißt freudig die Arme hoch. Segeln ist doch mit Sicherheit die schönste Art, übers Meer zu kommen. Da zurrt und zupft der Matrose gern an den ganzen Bändseln und Schnüren am Boot. Der 'Geist der Seefahrt' zweifelt mal wieder an der Jugend. Am Ende wollen sie noch die vier Tage Woche auf See bei vollem Heuerausgleich. Und die restlichen drei Tage liegen sie in der Hängematte und spielen online Schiffe versenken mit dem Schmart-Foon. Dafür haben sie keine Ahnung von Nautik, Takelage und dem Fachklönen unter Seebären. Da hätte er sich das ganze Kapitänspatent auch schenken können und gleich Skipper werden können! Er ist kurz davor, einfach wieder mit einem leisen 'Piff-Paff-Puff' zu verschwinden.

Die Kapitisse hat schon mal den Seefuchs klar gemacht. Also aufgeklart und nicht aufgeklärt. Damit kann die nächste große Fahrt kommen. Wenn es auf der Brücke zu sehr schaukelt, hält sie sich an seiner starken Schulter fest. Eine Schiffs-Schofföse hat doch einen Unterleib. Und den hat sie nicht, damit der Rock nicht rutscht.

Idee: SchneiderHein     Fotos und Text: Hein


Samstag, 15. August 2015

Tüdderkram aus aller Welt



"Uijuijui! Das klingt ja wieder mal nach ganz dickem Semannsgarn" Der graue Seebär mag da gar nicht so genau hinhören.

Dafür hängen Antonetta und Doppelblau an den Lippen des kleinen Seehasen: "Natürlich ist das echtes Seemannsgarn, das hier zusammengeponnen ist."

"Wenn so ein Pott auf große Fahrt geht, ist es die meiste Zeit ziemlich öde. Und dann erzählen sich die Matrosen ihre beste Geschichten: Von Meerjungfrauen und Sirenen, die mit lautem Liebesliedern die Seeleute in ein feuchtes Unglück locken. Oder von Hafenspelunken mit leichten Mädchen, die so heißen, weil sie die Männer um die Heuer erleichtert haben, wenn die am nächsten Tag mit einem schweren Kopf aufwachen. Und von Piraten, die Schiffe mit falschen Lichtern an zerklüfteten Küsten mit scharfen Riffen zerschellen lassen. Und wie der Smutje seinen falschen Goldzahn aus Versehen in der Suppe mitgekocht hat. Aus diesen Geschichten und vielen anderen werden mächtige Tampen geflochten, wie dieser hier." Hasenmaus hat sich so in große Fahrt geredet, dass er gar nicht bemerkt, wie die Ratte dem blauen Jungen zuflüstert: "Ich glaube, er erzählt uns was vom Seepferd." 

Dabei wissen nicht nur blauen Seehasen Bescheid. Auch die kleine weiße Maus kennt den Fachhandel für Seemannsgarn und anderen Tüdderkram aus aller Welt. Sie war schon mal mit Genni im Laden, um nach maritimen Gedöns zu suchen, das sich immer gut in der Deko macht und in jedem Neubau im Vorort den würzigen Duft von Abenteuer und der weiten Welt wehen lässt.

Während Genni Sinclair nach den neusten Altwaren fragt … sie sollen doch aussehen, als ob sie mindestens eine Weltumseglung und eine Sturmflut überstanden hätten … während Sinclair also noch überlegt, ob in Südostasien beim Basteln der Instant-Antiquitäten diese auch ordentlich geschmirgelt und abgewetzt werden, hat die weiße Maus einen kleinen Tiefseetaucher entdeckt. Den würde sie ja gern für die Badewanne mitnehmen. Wenn sich der Taucher dabei nicht unterfordert fühlt.

Ein eigener Laden für maritime Kurzwaren mit Unterhaltungswert? Kaum zu glauben, da will dieses Langohr Antonetta einen riesigen Seebären aufbinden. Mit diesem geflochtenen Band aus feinstem Seemannsgarn, das der Hase ihnen jetzt großzügig überlässt: "Ihr könnt es ja mal anfassen, wenn ihr mir nicht glaubt." Doppelblau nickt eifrig, natürlich ist das geflochtene Seegeschichte: "Oh ja, das ist ja ganz wunderprächtig."

In der Ecke sortieren die beiden Leichtgehilfen die Auslagen und sperren sperrige Schnüre, Taue und Tampen wieder in die Schübe. Jetzt bloß nicht 'Bändsel' sagen, aber die Verkaufsgespräche überlassen beide sowieso dem Chef.

"Schau mal, Genni, eine große Atlantiküberfahrt mit ohne Eisberg – schon sauber aufgewickelt" Die kleine Maus hat endlich das richtige Seemanngarn aus den Schubladen gezogen. Zuerst sah es ja nach nichts aus, aber dann musste Sinclair den beiden mit dem Eisberg nur auf die Sprünge helfen.

Das muss auch Hasenmaus, er spürt noch ein gewissen Unglauben bei seinen beiden Zuhöhrenden. Noch mögen sie nicht zugeben, dass sie hier echtes Seemannsgarn in den Pfoten halten.

Lotte hat lange genug zugehört. Sie wundert sich, dass die alten Seebären dabei so ruhig bleiben. 'Seemannsgarn' ist doch nur Seemannsgarn.

"Tschäh, das kann nicht wissen," Die alten Zausel wollen sich nicht so festlegen lassen: "Manche sagen so – andere sagen wieder so." Eigentlich sind sie einfach zu neugierig, wie weit es der kleine Seehase noch treiben kann.

Ehrfürchtig lässt Doppelblau die Knoten durch die Pfoten gleiten. Endlich darf der kleine Bär das kostbare Tau allein anfassen. Antonetta wird schon ungeduldig, aber noch kann Doppelblau nicht davon lassen. Wie gern hätte er dieses Stück maritime Geschichte. Doch das kann er sich sicher nicht leisten. "Das ist auch unbezahlbar!" ruft Hasenmaus.

Lotte schüttelt die Löffel. Dieses Langohr ist doch ein Schande für die ganze Sippe. "Wollt ihr ihn nicht aufhalten?" Die alten Seebären sollten es doch besser wissen.

Die winken ab: Flunkern ist wichtig für die B-Note. Der kleine Leichtmatrose muss doch immer noch die Prüfung zum Seebären ablegen.

Im Laden gibt es immer noch dieses unentwirrbare Knäuel voller aufgespleißter Seemannsgarne, wo alle Geschichten durcheinander gekommen sind. Wenn man daran zieht, verschlingen sich die einsamen Inseln mit den Kannibalen und drücken auf die Weltumsegelungen. Oder man zieht den weißen Hai hervor, wenn es eine einsame Badebucht im Mittelmeer sein soll. Die wilde Fahrt um Kap Horn ist hoffnungslos mit dem Titanic-Eisberg oder dem Südseeparadies verknotet. Zerschneiden dürfen sie den Haufen Garnspliss nicht, aber so sind die Tampen eigentlich unverkäuflich.

Vielleicht sollte es den Besuchern zu denken geben, wenn sich ein kleiner Flunkerkobold aus dem Ostfernsehen hier so wohl fühlt.

In den glühensten Farben schildert Hasenmaus immer neue Gefahren der Hochsee-Schifffahrt, die nur der Laden mit seinen handlichen Schnüren jedem in seinem gemütlichen Heim bieten kann: Sturmfahrten im Krähennest, einäugige weiße Wale, die sich mit Riesenkraken um die Schiffe streiten. Aber auch männermordende Meerjungfrauen und wackere Feuerschiffe mit Leuchtfeuern – beide haben ja Sirenen – sind hier in diesen Erzählungen verwoben.

Doppelblau kann nur staunen. Er blinzelt so viel er will, er sieht immer nur ein blaues Band. "Ja, das können auch nur die echten Seefahrer sehen. Die mit Seemannspatent und Äquatortaufe mit Diplom." Wieso dann aber eine Hasenmaus das alles sieht, bleibt den echten Seebären ein einziges Rätsel. Ist der denn schon über den Gartenteich hinaus gekommen?

Auch Belly wird es zu viel. Er greift seinen Seesack, dazu ein wenig Tüdderband und heuert lieber auf dem nächsten Maschseedampfer an.

Das kümmert keinen großen Geist – auch wenn er in einem kleinen Seehasen steckt. Hasenmaus schwärmt weiter von seinem quasi unbezahlbaren Seemannsgarn. Er muss nur aufpassen, damit er es am Ende nicht doch wieder mit nach Hause nehmen muss.

Das geht doch auf keine Seekuhhaut! Der Geist der Sefahrt kann es nicht fassen, was eine Hasenmaus hier zusammenspinnt. Und dann die Gedanken so verknotet, bis in diesem Lügengespinst keiner mehr rausfindet. Das lässt ein geist sich nicht bieten und verschwindet wieder…

Sinclair zeigt sein öligsten Lachen, als Genni mit zweienhalb Klaftern bestes Seemannsgarn abzieht. Ihr ganzes Monatsgeld hat sie dafür gegeben. "Beehren Sie uns bald wieder." So leichtgläubige Kunden sind hier gern gesehen.

Antonetta hat Hasenmaus sein Seemannsgarn dagegen glatt für Umme abgeschwatzt. Aber braucht eine Kapitisse so etwas?

Genau untersucht die Anwärterin auf große Patente den neuen Schatz. Der Erzähltampen ist schon schick mit Goldband. Dass darin wilde Erzählungen über Schiffbruch, Verrat oder Untergang mit Mann und Maus verwoben sein sollen, mag sie kaum glauben. Und wenn dies auch nur eine keusche Version für junge Rättinnen ist? Mit säuseligen Südseeträumen, einem drolligen Seepferdchenballet und einem Bad mit fluffigen Badeschwämmen?

Vielleicht sollte sie selber den Laden für Tüdderkram aus aller Welt aufsuchen, um an die wilden Schnurren zu kommen.


Idee: SchneiderHein      Fotos: W.Hein

Ein weiteres Beispiel für den florierenden Einzelhandel, dem es immer wieder gelingt unseren Helden Angebote zu machen, denen sie nicht widerstehen können.


Montag, 25. Mai 2015

Eine Seefahrt ist unlustig



Dieses blöde Navi-Dings-Zeugs ist auch immer zu schwierig. Zweimal hat das mit dem Schiffsfernsteuern mit dem Stecken nicht wirklich geklappt. Aber das liegt auch an diesem Fremdbestimmen beim Schiffschwimmen. Wenn Hasenmaus dabei mit sich in einem Boot sitzen würde, dann kann der Matrosenlehrling doch selber den Kurs setzen und gleich gegensteuern, wenn der Kahn immer wieder davon abkommen will.

So hat Hasenmaus sein altgedientes Blechboot aus dem Schuppen gezerrt und zum Löffelpaddel gegriffen. Jetzt steht er am Steg, um zu sehen, wo er das Boot am Besten wassern könnte, als ihn plötzlich ein blauer Bär von der Seite anhaut: "Wieso will ein Langohr überhaupt Seebär werden? Du könntest doch auch ein Nasshase sein."

Ein Nasshase? Dann könnte er doch gleich ein Pieselschwein werden wollen. "Seebär ist ein ehrbarer Lehrberuf und außerdem ein nautisches Fachwort. Das hat nichts mit den Ohren oder anderen Körperteilen zu tun … jeder kann Seebär werden. Wenn es sein muss, auch ein echter Bär." Nun, dann will der kleine Doppelblau erst recht auch ein Seebär werden und nun muss Hasenmaus erklären, warum er einen blechernen Waschzuber zum Gartenteich gewuchtet hat.

Natürlich weil der Hase auf große Fahrt gehen will. Ein waschechter Seebär ist auf dem Wasser zuhause und deshalb ist das hier eine echte Heimfahrt. Die Prüfungen des künftigen Vollleichtmatrosens haben ja bis jetzt so ihre Tücken: Das tüdderlose Seilschlingen oder die verständliche Flaggensprache wollen nicht immer gelingen. Und das unfallfreie Schiffslenken mit den unnützen Vorfahrtsregeln gehört auch zu diesen kleinen Nicklichkeiten, die ein großes Herz für die Seefahrt nicht belasten sollten. Aber das alles muss Hasenmaus dem kleinen Blaubären ja nicht so haarklein erklären.

Stattdessen spricht er lieber von den wichtigen Dingen: "Ich werde dir zeigen, was ich alles schon gelernt habe!" verkündet der eifrige Hase, als er endlich im Blechboot sitzt. Und Doppelblau soll am Rand nur genau aufpassen, damit er auch die Feinheiten der Seefahrerei sieht.

"Das mit dem Schwimmen macht das Boot allein. Aber mit dem Paddel muss ich ihm zeigen, wohn die Reise geht!" Mit kräftigen Hieben haut Hasenmaus den Löffel ins Wasser, dass es nur so spritzt. Dann besinnt er sich, taucht lieber sanfter ein und zieht dafür schön lang durch. Und schon beginnt die Blechwanne übers Wasser zu gleiten. Das ist schon viel besser, wenn neugierige Knopfaugen die ganze Zeit gucken.

Jetzt wird es auch Zeit für die nächste Lektion: "Ein Seebär ist immer auf der Hut." Doppelblau hat das nicht verstanden, also ruft Hasenmaus lauter: "Auf der Huhutt!" "Du hast doch nicht einmal eine Mütze!" schallt es vom Ufer zurück. "Das ist ein Fachwort! Denn sicher gibt es hier Seeungeheuer!" "Ich sehe nichts!" (Zum Glück) … aber: "Das liegt an diesem Hut."

Nun Doppelblau sieht sicher deswegen nichts, weil er so weit weg ist. Enttäuscht wendet sich der Bär ab, als Hasenmaus weiter im großen See umher paddelt. "So kann ich nichts lernen, das ist ja ein Fernkurs."

Ups, da muss der Schiffsführer aufpassen: Fast hätte er sich beim Schippern zwischen all den stakeligen Grünzeug festgefahren. Das wird hier immer dichter und widerspenstiger. Und was wäre das für eine Übung? Schiffe lahmlegen oder gefangen im Schilf? Das müsste er dann dem doppelt blauen Bären erklären … aber der passt ja noch nicht einmal auf, wie er hier sein ganzes nautisches Können aufbietet.

"Komm an Bord." Hasenmaus hat sich gerade noch einmal vor den fiesen Ufersäumen retten können und ist wieder zum Steg zurückgepaddelt. Wozu soll er sich hier mit den Gefahren der ganzen Seefahrerei abmühen, wenn's keiner sieht? Also holt er sich den Beobachter aufs Schiff. Als Bootsgast sitzt der kleine Bären dann mit im See. Doppelblau lässt sich das nicht zweimal sagen: "Ich bin dabei und mittendrin."

Kaum hat der Bär das Deck betreten, muss Hasenmaus immer neue Fragen beantworten: zum Boot (das gehört zur Waschzuber-Klasse), zum Paddel (es ist genauso lang, dass es ins Wasser reicht), zum Freischwimmen (eine Pfotenbreite Wasser unterm Kiel), zum Schiffen (das ist ein Fachwort!), zum Ziel (der Horizont oder … doch nur das nächste Ufer) und natürlich: "Wo sind nun die Seeungeheuer?" 

Bei so vielen bohrenden Fragen kann der Hase ja froh sein, dass das Schiff dabei nicht untergeht: "Die habe ich mit meinen Paddel vertrieben." Und dabei sticht er mit dem Löffel wieder in den See. Vor lauter Aufregung hat er doch glatt das lange Durchziehen wieder vergessen.

Dabei ist auch die Seestecherei gar nicht so einfach. Immer wieder hängen Blätter und Algen am Paddel und machen den Ruderlöffel schwergängig. Und wenn Hasenmaus das Geschlunse wieder abschütteln will, verliert das Boot an Fahrt oder dreht sich gar zurück an die Stelle, wo sie doch gerade schon gewesen sind. Sie müssen aufs freie Wasser, dann kann er dem kleinen Bären zeigen, wie schnittig so eine Seefahrt sein kann: Wenn dann eine steife Brise weht, ist es der Fahrtwind.

"Ich seh nichts." Doppelblau lehnt sich weit aus dem Zuber und streift leicht mit der Pfote über das Wasser. Sie drehen sich jetzt schon eine ganze Weile über der selben Stelle. Dort kann man tief ins Wasser blicken und unten liegen noch Krebsscheren und Seerosentriebe. Aber die paar Wasserschnecken, die da an den Blättern hängen, sind wohl nicht wirklich gefährlich. Vielleicht sollten sie mal an eine andere Stelle vom See rudern. Weil da die Ungeheuer lauern. "Können wir auch mal woanders hin?"

"Also jetzt muss ich nur noch …" überlegt das Langohr. "… oder doch …" auf jeden Fall die Seite beim Paddeln wechseln. Wenn Hasenmaus abwechselnd links und rechts vom Boot den Steuerlöffel eintaucht und endlich wieder durchzieht, nehmen sie Fahrt auf. Sie werden sogar immer schneller und es geht dabei fast nur noch in eine einzige Richtung. 

Kaum ist die Fortbewegung geklärt, will der neugierige Bär wissen: "Wohin fahren wir eigentlich?" Nun, das weiß Hasenmaus genau: Sie müssen mit dem Besteck den Kurs setzen. Aber ein Hase hat nur Löffel, gemeint ist natürlich der Ruderlöffel und damit kann kein Seebär messerscharf ein Ziel anpeilen oder den direkten Kurs aufgabeln.

"Wir befinden uns auf schlingernder Schleichfahrt und die hat immer ein paar Haken," verkündet der Bootsführer am Löffel. Und mit dem Hakenschlagen kennen sich Langohren noch besser als die Seebären aus.

Da wird ja wieder ein kräftiges Seemannsgarn zusammengesponnen und dem kleinen Doppelblau ein noch größerer Seebär aufgebunden. Der Geist der Seefahrt kann über Hasenmaus nur den Kopf schütteln. Kaum ist der hasenfüßige Matrosenlehrling nicht mehr ganz trocken hinter den Ohren und spürt das erste Oberwasser, da verklappt er den größten Spinnkram beim Schippern. Schnell vertäut der Unsichtbare mit Geisterhand sein Unschiff am Kahn der beiden Seefahrer. So behält er den langohrigen Garnspinner genau im Blick und sein schauriger Blechpott wirkt sogar noch wie ein Stabilisator. Damit sollten die beiden endlich mal voraus fahren – mit weniger Schleifen und Kreiseln. 

 Hasenmaus spürt es am Ruder sofort. Es hat sich etwas verändert. So sehr er auch am Löffel zieht, das Boot zieht nicht. Als hätte jemand die Handbremse angezogen.

Es ist kein richtiges Vorankommen, so sehr der Hase am Löffel sich auch müht. Dabei sieht er nichts, wenn er sich umsieht. Der Geist der Seefahrt pfeift hohl zwischen seinen Zähnen. Der Kleine muss noch ordentlich Spinat essen oder was sonst bei Hasen Muckis macht. Mit dem zarten Gepaddel überquert dieser Superleichtmatrose ja noch nicht einmal ein Planschbecken! Er seufzt und ächzt in seinem Geisterkahn: das wird noch bannig viel Arbeit werden.

Das ist wirklich ganz und gar unheimlich. Nicht nur Hasenmaus – auch Doppelblau hören dieses Stöhnen und hohle Heulen. Doch mitten auf dem See im schönsten Sonnenschein sehen beide … nichts. Da hätten beide nichts dagegen, wenn stattdessen nur so ein harmloses Ungeheuer auftauchen würde.

Wenn sie jetzt wenigstens schnell davon paddeln könnten. Dorthin wo nichts pfeift oder ächzt. Aber eine unsichtbare Macht hält sie fest, als hätte sie ein Lufthaken eingefangen.

"Lass uns abhauen!" So hat sich ein kleiner Bär die Seefahrt nicht vorgestellt. Vielleicht ist Seebär doch kein so lustiger Beruf, wenn das Schiff plötzlich mitten im Wasser festhängt. Auch Hasenmaus gibt sich Mühe, damit die Panik nicht aus jedem Knopfloch der Matrosenjacke heraus lugt, obwohl er immer hektischer mit dem Paddel durchs Wasser pflügt."Das sind Wasserlöcher … die halten alles fest." Er kommt ins Schwitzen, so kräftig rührt er inzwischen mit dem Löffel im See herum. "Aber ich bringe uns da raus."

Mit einem letzten Seufzen löst der Geist der Seefahrt die Verbindung und wickelt den unsichtbaren Tampen wieder ein. Diese beiden blauen Jungs sind in Wirklichkeit noch ganz grün. Grün hinter den Ohren und grün – wenn es so weiter geht – bald auch im Gesicht. Auf jeden Fall viel zu grün für das ruppige Wesen einer rauen See. Da wird eine gut gemeinte Navigationshilfe nur ein treibender Anker. So kann er ihnen noch lange nicht helfen und entschwindet lieber wieder von dieser überschätzten Ausflugspaddelei mit Gelegenheits-Süßwasser-Matrosen.

Hasenmaus drückt das Paddel immer noch mit aller Kraft ins Wasser. Doch jetzt geht es plötzlich wieder ganz leicht. So leicht, dass sich das Boot bei den kräftigen Löffelschlägen sofort um die eigene Achse dreht.

Wenig später befinden sich die beiden wieder auf bekannt, unbekanntem Schlingerkurs auf dem großen, dunklen See.


Fotos: W.Hein

Der eifrige Matrosenanwärter Hasenmaus ist ein Langohr von Bell Bears Design. Bei der Seebär-Werdung unterstützt ihn – fast unbemerkt – der Geist der Seefahrt, ein aus gebrauchten Jutesäcken genähter Bella Bim Bär. Und Doppelblau, ein Bär mit zwei hellblauen Fellfarben von Valdorf Bears, wäre als Bär sicher ein noch besserer See-Bär als jeder Hase.