Donnerstag, 31. Dezember 2020

Gut abgehangen


– Ob wir wollen oder nicht: es gibt hier Produktplatzierungen –

"Das sind ja alles olle Kamellen!" Der weltbeste Bär von diesem und jenem ist wirklich entrüstet. Diese Kalender sind ja alle schon längst abgelaufen.

"Das heißt wohl eher gut abgehangen," stellt Lisa fest. Die kleine Bärin schaut sich mit Kaninchen genauer die Auslage vom Marktstand an. "Der hier ist mit 2021 noch ganz frisch. Da sind die Tage noch nicht abgelebt."

Dennoch wollen die beiden heute erst einmal das alte Jahr loswerden. Um das neue Jahr kümmern sie sich ab morgen. Dann brauchen sie vielleicht auch einen Kalender dafür.

"Psst, wir verschwinden, bevor jemand kommt." Sie kennen den Marktstand von Schneeweißchen nur zu gut. Wenn die weiße Bärin jetzt hier wäre, müssten sie wahrscheinlich ein ganzes Jahrzehnt aufkaufen.

Auch Nelleke und die kleine weiße Maus erinnern sich gut. Hier sind tatsächlich alle Bärenkalender von 2012 bis 2021 versammelt. 2013 waren die beiden sogar auf dem Titel und so einige Monatsblätter haben sie mit ihren tolldreisten Abenteuern gefüllt. Die kleine weiße Maus überlegt gerade, ob das nicht eine Zeitreise in die Vergangenheit wert wäre.

Nur Antonetta weiß als das Kalendergörl von 2018, was all' diesen Kalendern fehlt: "Viel zu wenig Rättin!"


Wir hätten es 2011 selbst nicht geglaubt, als die erste Anfrage des Kawohl-Verlags uns erreichte, sodass aus den Bildern für den Bären-Blog ein Kalender entstehen sollte. Nun liegt für 2021 die zehnte Ausgabe mit Anna und Marie auf dem Titel vor. Wieder in den drei Größen als Wand-, Postkarten- und Aufkleber-Kalender, wobei die mittlere Größe nicht nur bei uns der Favorit ist. Und Antonetta kann noch so viel grummeln – die Motivauswahl kommt von den lieben Menschen im Kawohl-Verlag. Die auch für die passenden Sprüche und Weisheiten sorgen, die bei so vielen Kalenderfreund*innen so gut ankommen.

Idee: S. Schneider    Vorbereitung: SchneiderHein    Fotos: W. Hein


Samstag, 26. Dezember 2020

Die Wald-Weihnacht


Festtage sind Freßtage. Die kleinen Mäuse hätten auch fett auf dem Sofa bleiben können bis es wieder Zeit wird über die Keksteller herzufallen. Aber sie haben heute noch einen Plan. So brechen sie schwer beladen zu einem Waldspaziergang auf.

Sie haben die Rucksäcke gepackt und die Bollerwagen beladen. Leider ist die weiße Weihnacht mal wieder ein Werbemärchen geblieben. Denn mit Schlitten würden sie sicher schneller vorankommen. Doch endlich erreichen die Mäuse die Lichtung im Wald. Die mit dem markanten Nadelbaum in der Mitte.

Pretty schmückt noch schnell den Baum. Strom für eine Lichterkette haben sie leider nicht, und Kerzen würde sofort der Wind ausblasen. Außerdem wird der Wald jedes Jahr trockener. Am Ende würde ein Funkenflug die ganze Idylle abfackeln.

Die Mädchen sagen, wo es lang geht oder besser wo es sich lang legt. Und die Jungs wuchten die Bollerwagen. Alles auf einen Haufen kippen gilt nicht. Alles will sauber gelegt sein, damit aus dem Obst und Gemüse ein leckeres Buffet wird: "Das Auge isst mit!" 

Endlich sind die Rucksäcke geleert und das ganzen bunten Gaben hübsch angerichtet. Das hat viel länger gedauert, als die beiden Jungs erwartet hatten. Inzwischen knurrt der kleine Mausemagen. Aber Naschen dürfen sie hier nichts! Das würde doch das schöne Bild zerstören. Jetzt können sie alle nach Hause eilen – zu heißem Kakao und den noch reich gefüllten Weihnachtstellern mit Lebkuchenherz, Spekulatius und Dominostein.

Kaum sind die Mäuse davon, kommen die Tiere des Waldes

Oder was bei uns so ein Waldbewohner sein soll ...
 
Idee: S.Schneider   Szenerie und Text: SchneiderHein   Fotos: W.Hein

Diese Idee wurde inspiriert von der 'Waldweihnacht' auf dem Blog 'Frau Frieda' und dem 'Julfest im Wald' sowie 'Am Wendepunkt der Dunkelheit' auf 'Maschas Buch'. Eine besondere Weihnachts-Tradition, um den Waldbewohnern an einem ganz bestimmten Platz einen Gabentisch zu decken. Nur leider wurde die kleine Kiefer in diesem Jahr einiger ihrer Zweige beraubt. Und der andere Ort - an dem die Zeremonie schon fast 30 Jahre stattfand - ist nun nahezu kahl und leer ...

Aber da in unserem kleinen Wäldchen die Welt noch in Ordnung ist, schicken wir diesen Post zur Linkparty 'Winterglück' zum Blog 'Ein Fachwerkhaus im Grünen'.


Donnerstag, 24. Dezember 2020

Wenn das helle Glöckchen erklingt

Die kleinen Mäusekinder mussten ziemlich lange und aufgeregt in der Küche auf den harten Stühlen warten. Nur einen winzigen Spalt breit konnten sich zwei der Mausemädchen die Tür zum Weihnachtszimmer öffen. Doch durch den Spalt war leider nicht der bunt geschmückte Baum mit all' seinen Geschenken zu sehen.

Doch als das Weihnachtsglöckchen erklang, und sich die Tür zum Raum dann endlich öffnete, stürmten alle begeistert sogleich zum Baum und den Geschenken ...

Szenenaufbau und Text: S.Schneider  Foto: W.Hein

In dieser ersten Weihnachtsnacht erfüllte mir Wolfgang dann doch noch meinen zweiten Weihnachtstraum: Als er endlich nach Mitternacht erschöpft und müde nach Hause kam, fotografierte er mir trotzdem noch schnell den bunten Baum. Und als ich am frühen Morgen erwachte, lag ein Stick mit diesem bearbeiten Foto für mich zum Posten bereit. Jetzt beginnt auch bei uns endlich die besinnliche und gemütlichere Weihnachtszeit ...


Wir warten aufs Christkind ...

 

Alle Jahre wieder ist die gute Stube an Heiligabend plötzlich gesperrt. Hinter der Tür rumpelt und pumpelt es, doch alle müssen in der Küche noch lange warten. Zwar gibt es schon einige Tassen mit würzigem Tee und dazu auch ein paar der selbstgebackenen Kekse, aber bis endlich das helle Glöckchen im Weihnachtszimmer erklingt, bleibt die schwere Tür eigentlich zu ...

Idee, Grundaufbau und Text: S.Schneider  Foto und ausschmückende Details: W.Hein

Bevor Wolfgang heute Mittag seinen Arbeitstag antrat, erfüllte er mir noch schnell einen ganz besonderen Weihnachtswunsch: Denn diese alte Gottschalk-Puppenstube steht nun fast seit einem Jahr noch immer ungenutzt bei uns rum. Eigentlich hätte sie schon längst im Lager verschwinden können. Doch als ich wenig später die dazu passende alte Küche in vergilbten Bonbonfarben entdeckte, träumte ich von einem mit Mäusen belebten Foto. Heute früh war es dann endlich so weit. Und jetzt hat auch das in die Jahre gekommene, und bereits stark durchlöcherte Geschirrhandtuch aus der Küche von Wolfgangs Mutter seinen Platz gefunden. Denn als Gardine machen die intakten Reste hier noch eine gute Figur.


Dienstag, 22. Dezember 2020

Besser als…

… das berühmte Pfeifen im Walde ist immer noch ein Chor zur Vorweihnachtszeit:

Die kleine weiße Maus hat zum gemeinsamen Weihnachtsliedersingen im Freien geladen. Aber irgendwie stören alle die Masken. Maus hört mit all' den Abständen kaum noch was die Nachbarin singt. Und der blöde Wind hat schon längst alle Notenblätter durcheinander gewirbelt.

Idee und Bühne: S.Schneider   Foto und Text: W.Hein

Auf besonderen Wunsch gibt es hier nur dieses eine Foto. Dabei haben die Mäuse diesmal sogar die gleichen Noten. Und es hätte besser laufen können als beim letzten Freiluft-Konzert. 

Zur Sicherheit noch der Hinweis: Für das Bühnenbild wurde keinem noch lebenden Buchsbaum Schaden zugefügt. Die Zweige waren schon kahl und vertrocknet durch den Schädlingsbefall der gefräßigen Raupen des Buchsbaumzünslers im letzten Sommer. Doch zum Glück schlägt er stellenweise jetzt sogar wieder aus ...


Montag, 21. September 2020

Die grellen Lichter der Nacht

 

Ein Raunen geht durch die Reihen. Endlich betritt die Band die Bühne. Der Sänger nickt knapp dem Publikum zu und greift sich den Mikrofonständer. "Uhhhwahhh! Seid ihr berreit? Berrrreit füüür Stunden voller bunter Verrrückheit?" In die Kunstpause drängen sich die ersten Gitarren. Der Gelbschopf legt den Kopf schief, bevor er flüstert: "Und etwas Musik?" Das Publikum antwortet mit Johlen und begeistertem Kreischen der Mausegroupies!

Dann bricht die 'Overture over fur" mit infernalischem Getöse über die Anwesenden herein. Painful Plaid beginnt alle Konzerte mit voller Wucht, um den Fans erst einmal die Gehörgänge frei zu blasen. Von all dem Gesäusel der Fahrstühle, Supermärkte und Kommerz-Formatradios. Die Fans wissen das und erwarten das auch so … Nur die zufällig Anwesenden, die ihre Karten letzte Weihnachten geschenkt bekommen oder beim Preisausschreiben gewonnen haben, halten sich erschreckt die Ohren zu.

"Ich komme nicht durch." Die kleine weiße Maus ist mit Jack durch die Zeit angereist. Das letzte Mal hat sie die Band mitten im Nirgendwo angetroffen. Ihr Konzert hatten sie gerade verkifft. Jetzt stehen sie endlich auf der großen Bühne. Schon damals wollte sie die neue Leadguitar spielen und eine Zusage hatte sie schnell bekommen. Nun kann Max sein Versprechen einlösen – doch sie kommt nicht bis zur Bühne. Jack fragt sich noch, wann sie überhaupt hier gelandet sind? In der Gegenwart würde jeder Besucher sein Smartphone hoch halten und das Konzert aufnehmen, um es danach bei YouTube einstellen.

Hier heißt live noch, dass alle selber sofort zuhören und sich nicht erst später an der Retorte freuen.

Die Fans sind von der 'Overture' ohne Hemmungen und Filter noch ganz sprachlos. So entsteht eine kurze Pause bevor das erste 'reguläre' Stück mit einem Gongschlag beginnt.

Max greift sich wieder das Mikro und kündigt den nächsten Song an: 'Stellar Overtime' und das ist wörtlich zu nehmen. Denn Painful Plaid machen keine Gefangene, wenn es um die Länge ihrer Stücke geht. Und im Konzert hängen sie gern noch ein paar Verzierungen dran.

So greift Kurt beherzt in die Tasten, um in den ersten Minuten die Harmoniegebirge aufzutürmen, die von den Gitarren dann wieder Stück für Stück niedergesägt zu werden.

Max wippt mit dem Mikrofonständer im Takt der Power zweier Schießbuden. Er summt die erste Strophe, um sich einzustimmen. Noch dröhnen die Gitarren und wummert der Bass für den interstellaren Flug durch einen Asteroidengürtel bevor der Kurs auf die nächste Doppelsonne gesetzt wird …

Kurt übernimmt mit dem Keyboard den Gleitflug mitten durch die beiden Sonnen, nur der Bass treibt ihr musikalisches Sternenschiff durch die geifernden Protuberanzen.

"Uhh Yeahh!" übernimmt der Chefkosmonaut das Kommando. "Weeaah drive thru the starrrs!" Max lässt es krachen! "Uhhh Yeah!" Und die Mäusemädchen vor der Bühne schmelzen dahin.

Er gurgelt, röchelt und grummelt sich durch die Verse. Die Fans können jedes Wort mitsingen, da muss er sich mit der Verständlichkeit keine Mühe geben. Aber niemand kann diesen Song so interpretieren wie er. Denn niemand weiß, was er als nächstes tun wird. So dehnt er den Refrain bis zur äußersten Schmerzgrenze der Gehörgänge: "Ssssssssteeeeaarlllllaaahaaaaaaarrrr Oouuaaavveeeeeeerttiiiiiiiiiieeeeeeeehhhhhhhhmmmmmmmmeeeeaaaahhhhr …"

Bob kann sich ein Grinsen kaum verkneifen. Jedes Konzert dasselbe Spiel. Sie versuchen Max so lang wie möglich am Singen zu hindern und wenn er endlich loslegen darf, dehnt er jede Silbe bis zur Unendlichkeit – und zurück.

Nur den beiden Schlagzeugern ist es egal. Sie sind sowieso nicht zu bremsen. Und wenn einer von beiden mal einen Schluck trinken will, trommelt der andere in der Zeit halt mit der doppelten Intensität.

Doch im Moment ist eine Pause nicht zu denken. Gleich beginnt ihr großes Doppelsolo, wenn der interstellare Überflug sich dem schwarzen Loch nähert und sich alles beschleunigt, bis es dem Piloten die Stimme verschlägt.

Sie hätten mehr Ohrenwatte mitbringen sollen. Was für eine Karriere: Gestern noch (wenigstens gefühlt) haben sie diese Hippies wegen Ruhestörung verwarnt – heute müssen sie den Ordnungsdienst für ihren Radau machen. Und kleinen Mädchen den Weg zu den Toilettenanlagen zeigen.

Misstrauisch betrachten die Cops die kleinen Verrückten vor der Bühne. Wer geht sonst freiwillig in so einen Hexenkessel? Sie sollen Präsenz zeigen, aber niemanden stören. So stehen sie am Rand, wo die großen Boxentürmen stehen. Und sehnen sich nach der nächsten Einsatzfahrt mit Sirenengeheul.

Da ist das große Doppelsolo. Nur die beiden Schlagzeuger werfen sich die Bälle zu. Abwechselnd stürmt einer von beiden voraus, fordert den anderen mit immer neuen Taktwechseln heraus, brilliert mit seinen Tricks und eilt kurz danach atemlos dem Partner hinterher. Dann steigt die restliche Band ein, kurz bevor sie das schwarze Loch erreichen und die Bühne im Dunkel versinkt.

Ein kurzer Moment der Stille, den einige Mausmädchen sofort zum Ratschen nutzen. Wo gibt es die leckersten Erdbeershakes? Warum trägt Pretty immer Pink? Hat Pearl einen Freund oder warum ist sie nicht bei ihnen? Hat jemand noch einen Zehner? Die Getränkepreise sind viel höher als beim letzten Konzert. Ich trinke immer vorher und dann danach. Auf dem Weg zum Konzert war doch eine Trinkhalle. Der Rest geht in den ersten Takten des nächsten Stücks unter. Nicht, dass die Mädels stoppen, aber ab jetzt hört sie keiner mehr.

"See me max play" beginnt mit Max an den Bongos. Er steht im Zentrum der Bühne und trommelt und streicht zärtlich mit den Händen über die stramm gespannten Felle.

Der Sänger überlässt die anderen Instrumente gern der übrigen Band. Singen ist schon Job genug. Und jemand muss sich auch um die ganzen weiblichen Fans kümmern. Wegen der trockenen Tränen und den feuchten Träumen. Aber die Bongos nimmt er gern, um einen kurzen Moment verschnaufen zu können.

Die anderen kennen das Riesen-Ego von Max und sind an manchen Tagen froh, überhaupt noch Platz auf der Bühne zu haben. Aber einer muss ja auch den Riesenmax oder Oberpimpf machen. Denn, wenn sie nur ihre Gitarren schwingen würden und alles entspannt angehen ließen, würden sie wahrscheinlich nur auf Hochzeiten Coverversionen spielen.

Da sind Rick und John lieber echte Rockstars mit wilden Groupies, knorrigen Roadies und fliegenden Fernsehern in fremden Hotelbetten weit weg von zuhause. Es ist nicht immer einfach. Aber immer noch besser als fremden Schmalz als Mietmusiker auf Familienfeiern in entlegenen Landgasthöfen abdudeln zu müssen.

Zu beiden Seiten der Bühne stehen die Boxentürme der berühmt-berüchtigten 'Wall of sound'. Keine Band stapelt mehr Boxen auf die Bühne. Mächtige Lautsprecher sorgen für den richtigen Druck. Es mag Bands geben, die besser spielen. Es mag Bands geben, die mehr Hits haben. Manche Bands machen mehr Kleinholz. Aber keine Band ist lauter. Das weiß auch der nervöse Musiker, der hinter den Boxen auf seinen Auftritt wartet.

Endlich winkt Max ihn zu sich auf die Bühne. Es ist Star, der frühere Lead-Guitaristo von Painful Plaid. Jahrelang sind sie sich aus dem Weg gegangen, nun ist es endlich Zeit für das große Wiedersehen. Wenn es auch nur für ein paar Minuten auf der Bühne ist.

Max begrüßt Star, stellt ihn kurz den Fans vor und überlässt ihm die Bühne für seine Version von 'Star spank the banner': "Oh yeah, boy oh boy, wish you cum a star?" Die Mausemädchen kreischen. "Here he is …" Star lässt seine Gitarre aufheulen und fetzt über die Saiten.

"Oh boy, can you see the damn' early light?" haucht Max in sein Mikro. Währenddessen schwingt sich die Hymne in immer neue Höhen, bis sie zu "… the rockets red glare, the bombs bursting in air …" in einem Feuerwerk der ineinander verwobenen Akkorde explodiert. Niemand macht das so wie Star, der jetzt erst richtig aufdreht.

Atemlos hängen die Fans an seinen Fingern, die über die Saiten tanzen. So lange mussten sie darauf warten, bis sie den Guitar Hero ihres Bravo-Starschnitts live auf der Bühne erleben können. Dabei haben sie es immer wieder erhofft. Es gab vorher Gerüchte, aber dennoch ist dieser Auftritt eine absolute Überraschung.

"We're the band of the free in a home of the rave." Max singt seine eigene Version wenn Star die Gitarre fliegen lässt. Das ist endlich sein Solo … Er vergisst dabei fast alles um ihn herum und beugt sich immer weiter über die Bühne …

Bis er ins das Gleichgewicht verliert und vom Sofa ins Rutschen kommt …

Unsanft landet er auf dem Boden zwischen verschütteter Cola und halb gegessener Pizza. Wie ist er bloß wieder in seine Bude gekommen?

Fotos: W.Hein

Ist das alles nur ein Traum? Muss Star weiter auf das große Wiedersehen warten? Oder ist das hier der Traum, wenn der Held von der Bühne fällt. Auf jeden Fall hatte Painful Plaid noch einen großen Auftritt verdient. Mit richtiger Bühne, riesigen Boxentürmen, tanzenden Lichtern und sattem Nebel auf der Bühne, der alles schemenhaft und unwirklich scheinen lässt. Eigentlich ein Wunder, warum so eine "harte" Band so viele Girlie-Fans hat. Aber die Mädels mögen ja die bösen Jungs ...


Sonntag, 30. August 2020

Der schnellste Weg zum Sonntagsbrötchen

 

Die Katzen wollten in Ruhe eigentlich nur den Müll neu sortieren, da hören sie ein metallisches Fauchen und heftiges Nageln herannahen.

Eine himmelblaue Zigarre zischt vorbei. So schnell, da lohnt es sich kaum aufzusehen.

Kaum haben sie die erste Schicht genauer durchgearbeitet, nähert sich ein helles Kreischen, das in ein giftiges Singen übergeht. Ist die rote Rakete etwa noch schneller? Wenn sie da jetzt am Steuer säßen, würden sie sich schnell ein Fischbrötchen holen. Und dem Fischmief noch schneller davon brausen ...

Ein sonores Bollern und tiefes Brummen begleitet den blassblaue Flachmann. So langsam wird es doch interessant für die beiden Katzen. Der Müll läuft ihnen ja nicht weg. 

Auf jeden Fall nicht so schnell, wie diese psychedelische Flunder durchsaust. Auch sie hat ihren eigenen Ton aus Staubsaugerheulen und donnernder Hektik. Wohin die ganzen Rennboliden wohl pesen? Zum Bäcker zwei Straßen weiter, um sich Milchbrötchen zu holen? Den beiden Katzen läuft dabei das Wasser im Mund zusammen.

Wenig später parkt die blau-grüne Rennschüssel direkt vor ihrer Mülltonne. Schon hält quietschend ein weiteres Hippiemobil und einige Drachen springen heraus.

Ehrfürchtig umrunden sie die Psychoflunder. Die Farbgestaltung ist schon kifferfreundlich – vielleicht nur etwas zu viel Kommerz für die italienische Fuselmarke. Aber da könnte sich kaum ein Drache reinzwängen und unterwegs wird es sicher laut, heiß und stickig. Wenn man damit Brötchen holen fährt, kann man Aufbackbrötchen nehmen.

Außerdem kostet eine Bremsscheibe schon genauso viel wie ihr ganzer Bus. Das könnten sie sich natürlich leisten, wenn mit sie mit Painful Plaid in den Charts so richtig durchstarten.

Bis dahin sind solche Fahrzeuge das richtige Spielzeug für das etwas kurzsichtige Großkapital. Die stecken auch weg, wenn so ein Wagen auf der Rennstrecke schon beim ersten Einsatz in Minuten abbrennen kann. Zumal sie ja auch nicht selbst am Steuer sitzen. Dafür gibt es Profis, die dann schnell aussteigen sollten.

Das Auto ist zwar offiziell ein Sportwagen und auf dem Genfer Autosalon gab es sogar einen Verkaufsprospekt dafür. Er hat einen Kofferraum, einen Beifahrersitz und ein Reserverad. Aber eine Straßenzulassung gibt es für diese Werksausstattung in Europa nicht. Es ist alles nur eine Mogelpackung um den Wagen von 1969 bis '71 auf die Rennstrecke zu bekommen.

Da hat der hellblaue Renner für den Privatmann sogar ein Handschuhfach und Seitenablagen in den Türen bekommen. Das Radio hat bei höherem Geschwindigkeiten wohl nur theoretische Bedeutung. Dabei ist auch damit der Komfort überschaubar. Deshalb trennt der Herr von Welt längst zwischen seinem Vergnügen und seinem Hobby für schnelle Renner. Er lässt lieber einen fahren.

Die Katze würde sich dafür schon mal anmelden. Sie streicht sehnsüchtig über die sanften Rundungen.

Andere Miezen sind da schon weiter und sitzen längst hinterm Volant. Was das bedeutet? Das ist Rennfahrerfachsprache wie Bolide, Downforce oder Rennsemmel. Weil die Rennfahrer ein internationales Völkchen sind.

Und Brötchen holen sie auch nicht am Sonntag, bevor es auf die Rennstrecke geht. Sie ernähren sich lieber ausgewogen und isotonisch.

Die Sonntagsbrötchen bleiben für den Herrenfahrer, der die Unbequemlichkeit des Rennboliden gern in Kauf nimmt, wenn er am Wochenende seinen Träumen nachhängt.

Auch die Beifahrerin ist ganz aufgeregt, als er krachend den Gang reinwürgt, und die blaue Zigarre wieder Fahrt aufnimmt.

Unglaublich dass dieser Wagen schon 1927 auf diesen schmalen Reifen über 200 km/Std. erreichen konnte. Bei einem Leiterrahmen mit Starrachsen, Trommelbremsen mit Seilzug und ohne Gurte auf der durchgehenden Ledersitzbank konnte sich der Beifahrer nur gut festhalten, wenn es in die scharfen Spitzkehren ging. Die meisten Rennen wurden noch auf öffentlichen Straßen ausgefahren und auch die Rennstrecken hatten bestenfalls einen Strohballen in der Kurve aufgebaut. Also wir fahren heute bitte doch nur zum Bäcker …


Die Fahrzeugparade vereinigt legendäre Rennwagen ihrer Epochen, die offiziell als Sportwagen geführt wurden. Dabei wurde der Abstand zu den Privatfahrzeugen für die Straße immer größer. Aber dass diese Fahrzeuge sich alltagstauglich als sportive Familienkutsche bewegen ließen, ist immer eine Fiktion gewesen. Zumal einige Modelle auch schon damals sehr selten gewesen sind.

Den Anfang macht der Bugatti 35B von 1927-30 von dem in dieser Ausführung ca. 40 Stk. gebaut wurden. Er hat in seiner Zeit bei vielen Großen Preisen in Frankreich, Italien, Monaco und Spanien gesiegt. Der Neupreis betrug über 27.000 Reichsmark – das entspräche einem heutigen Neupreis über 100.000 Euro.

Der rote Flitzer ist natürlich ein Ferrari 250 GTO von 1962-64, der nur 36 mal gebaut wurde, um als Werkswagen – und zu Refinanzierung als Einsatzwagen für ausgewählte Kunden – die wichtigsten Rennen der Zeit wie Le Mans, Sebring, Spa Francochamps oder die Targa Florio zu gewinnen. Danach begann auch bei Ferrari für die Sportprototypen die Zeit der Heckmotoren. Die 18.000 Dollar Einstandspreis von 1962 würden heute 176.000,- Euro entsprechen. Aktuell werden diese Fahrzeuge allerdings zwischen 30 bis 40 Millionen Euro gehandelt, wenn überhaupt eines zum Verkauf steht.

Der hellblaue Ford GT 40 in der typischen Gulf-Lackierung von 1968/69 ist eigentlich eine Mogelpackung. Das Modell zeigt die Neuauflage von 2002-04, von dem 4.038 Exemplare zum Stückpreis von 177.000,- € in weitgehend historischem Design. Das Vorbild wurde von 1964 bis 1968 gebaut und ist mit einer Stückzahl von 134 Exemplaren hier fast schon einen Massenprodukt. Die offiziell ca. 100 Fahrzeuge mit Straßenzulassung erreichten sicher nicht die 320 h/Std. der reinen Rennversionen, waren aber mit 120.000,- € (kaufkraftbereinigt) im Endeffekt sogar preiswerter als die Rennprototypen im Einsatz. Der Wagen bot kaum Übersicht, die Lüftung war schlecht, Kofferraum Mangelware, der Einstieg der Horror und das Einparken gehörte sicher nicht zu besten Disziplinen des Fahrzeugs. Er war damals also kein Verkaufserfolg – trotz des zusätzlichen Aschenbechers.

Am Ende steht der Porsche 917k von 1969. Der Wagen ist ein reinrassiger Rennwagen, der das Etikett "Sportwagen" nur benötigte, um mit einem 4,5 Liter Motor die Mitbewerber in Grund und Boden fahren zu können. Dafür mussten 25 Exemplare gebaut werden, es wurden am Ende sogar 43 Fahrzeuge, weil immer wieder Sondertypen und Ersatz benötigt wurden. Es gab wirklich den Verkaufsprospekt von 1969 mit einem Preis von 140.000,- DM für den Wagen. (Das entspricht einem heutigen Wert von ca. 269.000,- €.) Die von Porsche beauftragten Rennteams mussten diesen Preis sicher nicht zahlen. Die Langheckvarianten als Einzelstücke werden sicher in der Entwicklung ein Vielfaches gekostet haben. 

Aber der kurze Überblick zeigt, dass diese Fahrzeuge schon immer ein wahnsinnig kostspieliges Hobby gewesen sind, das sich nur die wirklich Reichen leisten konnten und warum diese Fahrzeuge inzwischen fahrende Litfasssäulen sein müssen, wenn es sich kein Hersteller als Aushängeschild und Werbemaßnahme leisten will. Da können kleine Katzen nur  – so wie wir – davon träumen.

Fotos: W.Hein