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Montag, 9. März 2020

Rosenmontag #7: Oh, ihr Narren des Glücks


Der nächste Teilnehmer am kleinsten Zug gibt einigen Zuschauern Rätsel auf: "Krebs, gutartig"? Was macht denn das riesige Krustentier auf einer schwarzen Knutschkugel mit Rädern? Sorgsam auf dem Dachträger festgeschnallt, wackeln seine schweren Scheren träge in der Luft. 

Da halten die Narren lieber Abstand, in die großen Schneidwerkzeuge möchte niemand kommen. Dabei könnte der Fahrer durchaus Hilfe gebrauchen, kleben doch inzwischen immer mehr bunte Filzbälle an den kleinen Reifen. Wenn das so weiter geht, werden sie bald einen Boxenstopp einlegen müssen, um die bunte Pest aus den Radkästen zu kratzen.

Der rote Riesenkrebs auf dem Autodach ist eigentlich nur der Hinweis auf den nächsten Wagen, deren Besatzung nicht ganz so gutartig ist …

Im Mittelalter kamen die apokalyptischen Reiter Krieg, Hunger, Tod und Pestilenz. In der Moderne sind es Bazillus, Virus, Mikrobe und die eigene Zelle außer Rand und Band. Diese hocken dichtgedrängt auf der Ladefläche und schrecken die kleinen Narren.

So manche kleine Maus versucht sich in Sicherheit zu bringen, wenn der große Schatten sich nähert. "Geh mir weg! Weg mit den Tentakeln!" kreischt sie und nimmt schreiend Reißaus.

Dann stolpert sie und verheddert sich in den Luftschlangen und Girlanden am Wegesrand. Wenn sie jetzt ganz still liegen bleibt, …

… sind auch die pelzigen Unholde bald vorbeigefahren. Warum gibt es im Karneval nicht nur nette Wagen? Das soll doch alles nur 'Spaß' sein.

Und Corona-Viren machen sicher keinen Spaß! Im Gegenteil, sie können doch froh sein, dass die Viren heute nur auf dem Wagen sitzen und noch nicht in der Menge angekommen sind … "Haaaatschi!"

Der Zauberer beugt sich nach vorn: "Wenn das nicht bald besser wird, schaue ich mir den nächsten Rosenmontagszug nur am Bildschirm an." Funktioniert das überhaupt? Gibt es eine wilde Rosenmontagssause, wenn alle nur online zugeschaltet werden und die Stimmung in den leergefegten Straßen vom Band kommt, das blechern über Lautsprecher durch die Gassen schallt? Ein echter Geisterumzug mit ohne Narren?

Der Moschnarch ärgert sich doppelt. Warum muss gerade er direkt hinter dem Virenwagen fahren? Wer weiß, was er sich davon wegholt. Zum Glück wird hier nichts verteilt. Es hätte wohl auch jeder dankend abgewunken. Obwohl, einen Mundschutz, Warenproben mit Desinfektionsmittel und eine Rolle Klopapier hätten nicht nur die konsumfreudigen Hamster zu schätzen gewusst.

Noch viel mehr ärgert sich der Moschnarch, dass er als gekröntes Haupt … gerade nur in einer vorübergehenden Auszeit … dass er als gekröntes Haupt nicht der Karnevalsprinz ist. Irgendein Bürgerlicher hat sich diese Krone geschnappt. Dabei könnte 'Leonidas ohne Land' auf eine jahrzehntelange Expertise als nichtsnutziger Repräsentions-Onkel mit Stammbaum verweisen.

Die Viren verabschieden sich mit den Seuchen der vergangenen Jahren. Es könnte ja trösten, dass offensichtlich immer wieder neue Aufreger gebraucht werden, weil die alten einfach verschwinden. Selbst die Grippeviren mit ihren alljährlichen Tourneen locken kaum noch jemand hinter dem Ofen hervor. Die Elfe auf der Telefonzelle muss sich dennoch erst einmal setzen, als der Wagen endlich durch ist.

Hinter dem muffelnden Monarchen wird es wieder fröhlicher. Erleichtert strömen die Zuschauer wieder nach vorn. Drachenclowns laufen lachend und feixend von einer Straßenseite zu anderen und verteilen Luftballons.

"Ich bin doch beliebt!" grantelt der Moschnarch. "Die Leute es sicher gern gesehen, wenn ich das Amt des obersten Zuglenkers übernommen hätte." Die Menschen jubeln und winken doch, wenn er huldvoll die Pfote hebt. "Hat denn niemand gefragt?" Der Kammerherr am Steuer dreht die Auge nach oben. "Habt ihr auch die königliche Mailbox abgehört?" Als treuer Diener wird er sich diese fassungslose Enttäuschung noch einige Straßenecken anhören müssen. Bis der Zug komplett alle Stationen durchlaufen hat. Abspringen geht nicht, der Moschnarch hat natürlich keinen Führerschein.

Dabei hatte es der Kammerherr für eine gute Idee gehalten, mit dem königlichen Gefährt am Zug teilzunehmen. Der König kommt raus, kommt unter die Leute und kann sich als Speerspitze der Elektromobilität feiern lassen. Unter all den Dieselstinkern. Er konnte ja nicht ahnen, dass es gleich ein Kompetenzgerangel um Kronen und Titel geben würde. Nur weil der hohe Herr sich langweilt und deshalb sich auch dort Aufgaben und Bedeutung zusammenklaubt, wo er besser den Ball flach hielte.

Besonders trifft es Leonidas, dass seine Minister – ohne Rücksprache – an dem Zug als Prinzengarde für diesen Emporkömmling und Thronräuber teilnehmen. Sie fahren hinter den Drachen. Da kann man sie beim besten Willen nicht seinem Gefolge zuschlagen.

Denn auf ein Gefolge von Hanswursten und dummen Augusts, wie es die Drachen bieten, kann ein Moschnarch dann auch verzichten. "Ich degradiere sie alle!" schnauft der König in seinem Golfcart.

Die königlichen Minister ahnen noch nichts von dem Ungemach, das sich über Ihnen zusammenbraut. Sie freuen sich nur über einen neuen Herren auf Zeit, der viel umgänglicher und pflegeleichter ist. Das wird eine Umstellung werden, wenn sie am Mittwoch wieder in den Alltag müssen.

Heute und morgen dienen sie seiner Tollität 'Rattikus dem Ersten'. Als die drei gefragt wurden, ob sie ihre Erfahrungen als königliche Garde auch anderen gekrönten Häuptern zur Verfügung stellen könnten, haben sie sofort zugestimmt. Einen Urlaub vor dem anspruchsvollen Leonidas konnten sie alle gut gebrauchen. Und bei den Narren mussten sie sich nicht groß umstellen. Es mag ja mal als Parodie gestartet sein, inzwischen nehmen die Narren sich in den Vereinen mit ihren Ritualen, Uniformen, Orden und den übrigen militärischen Klimbim viel ernster als die meisten Berufssoldaten.

So tragen die beiden Wagenlenker der königlichen Narretei natürlich ihre Galauniform. Sie achten peinlich darauf, dass 'Rattikus der Erste' ganz ausgewogen in die Menge grüßt.

Es gilt dabei weder den linken noch den rechten Seitenrand zu übervorteilen. Schließlich soll jeder Besucher das Gefühl haben, dass dies der Höhepunkt im Umzug ist. Der Karnevalsprinz fährt am Ende des Zuges und schließt diesen voller Würde ab.

Rattikus ist unzufrieden. Die maskierten Mäuse und Bären am Straßenrand beginnen schon zu tuscheln und nesteln in den Beuteln. Auch brechen die ersten sofort auf, wenn er durchgefahren ist. Er hatte doch mit mehr Interesse und Begeisterung gerechnet. Das nächste Mal nimmt er einen Kleinlaster und zusätzliche Helfer, die noch mal reichlich Bonbons und Kekse unter den abgelenkten Untertanen verteilen sollen. Es wäre doch gelacht, wenn dann die Stimmung nicht wieder ganz oben wäre.

"Ihr müsst grüßen," flüstert die Maus dem Prinzen zu. Doch der ist gerade in Gedanken versunken. Kann er überhaupt im nächsten Jahr alles besser machen? Er ist doch nur für eine Session gewählt. Wie oft kann er wiedergewählt werden? Nur zwei Amtszeiten wie der amerikanische Präsident, oder drei mit Zusatzzahl wie der russische? Wird er dann 'Rattikus, der Zweite'?

Das sind Fragen über Fragen. Da muss er erst einmal nachdenken. So lange können die zwei da vorn für ihn mitwinken …


Idee: SchneiderHein    Fotos: W.Hein

Es ist vollbracht – jetzt werden demnächst die 8 Teilstücke sortiert und alles sauber miteinander verlinkt. Dann beginnt die Planung für den Rosenmontag 2021. Mit 'Rattikus dem Zweiten' oder einem Gegenprinz. Oder es wird ganz basisdemokratisch ohne das ganze königliche Chi-chi. Dabei haben vielleicht gerade diese Demokraten so eine tiefe Sehnsucht nach Königshäusern und Hochadel, dem sie auch aus fremden Ländern begeistert zujubeln und bei allen Familienangelegenheiten intensiv mitfiebern.


Freitag, 6. März 2020

Rosenmontag #5: Blubb, Blubb, Blububb



Eine riesige Biene schwebt über der Menge. Sie wackelt an einer dünnen Stange über dem nächsten Wagen des kleinsten Zuges. "Eine Biene macht noch keinen Frühsommer," ruft eine Maus am Wegesrand ihrer Nachbarin mit dem großen Hut zu. "Ich frage mich ja nur, wie groß dafür die Blume sein muss?" Die Hutträgerin schaut beeindruckt nach oben.

Ach, es geht ja gar nicht um Riesenblumen, es geht um das Bienensterben. Es ist eben nur noch eine einzige Biene, die gefährlich lebt: "Summ, Summ, Summ, Bienchen kommt herum". Der Vorteil des schwarzgelben Insekts ist ja, dass alle die Bienen mögen, die so puschelig und hübsch eingefärbt sind. Außerdem sorgen sie dafür, dass es Obst und Honig gibt. Dabei können sie auch nicht so stechfreudig wie z.B. Wespen sein. Aber kommen jetzt noch Wagen für Kellerasseln, Feuerwanzen, Mistkäfer, Eintagsfliegen oder Spinnen? Reicht es wirklich, dass nur die "netten" Insekten wie Bienen und Schmetterlinge besonders schmerzlich vermisst werden?

Die Narren in der Menge bedauern sicher die schwindenden Hautflügler. Doch viel wichtiger ist ihnen aktuell, dass die Blumenelfen auf dem Wagen Honiggebäck und andere Süßigkeiten mit Bienenbeteiligung verteilen. Damit alle die Bienen künftig erst recht vermissen.

Danach gibt es wieder nur einen reinen Augenschmaus. Die 'Vierzylinder' kommen mit leeren Pfoten – aber dafür hoch zu Stahlross. Damit sie auch nicht absteigen müssen, wenn der Zug mal stoppt, nutzen alle antike Dreiräder. Die sind leider ziemlich rar und hindern sie deshalb daran, einen Fünfzylinder oder gar mehr zum Laufen zu bringen. Eine weitere Bratröhre für das Haupt würden sie schon noch auftreiben können.

So folgen sie jetzt nur zu viert der einsamen Biene, deren Wagen am Heck verkündet: "Eine Biene macht noch keinen Schwarm."

Die Katzen haben sich mit ihrer Beute in den Hintergrund verzogen. Sie sind sich nur noch sicher, ob sie mit dem gefangenen Mäusespeck und Schaummäusen nicht doch ein wenig reingelegt worden sind.

Die Planungen laufen schon: Im nächsten Jahr verstärken sich die 'Vier Zylinder' durch eine Tanzgruppe mit Maiskolben, 'den Kolbenfressern'. Und haben auch über ein Nachtspektakel mit 'den Zündkerzen' nachgedacht. Die Zuschauer hätten lieber freigiebige "Taktgeber". Doch die Elektromobilität kommt. Wie lange werden diese radelnden Narren noch ohne Erklärungsschilder auskommen? Wenn demnächst keiner mehr einen Verbrennungsmotor kennt, und alles in Wikipedia nachgucken muss. Dann brauchen sie ja neue Kostüme mit Spulen, Ankern und seltenen Erden.

Die Karnevalisten sehen nun den "Trend zur Zweitbiene" mit schwirrenden Teller-Flügeln. Die kann man sicher auch als Pfannkuchenwender oder auf dem Tennisplatz gebrauchen. Eigentlich war die Nachziehfigur die Sicherheitsreserve für die Blumenelfen, wenn die Schwebebiene zu schwer für den Wagen geworden wäre. Aber es wäre auch schade gewesen, die Biene in der Garage stehen zu lassen, wenn nun doch so wenige Insekten unterwegs sind.

Obwohl, auch eine Zweitbiene macht immer noch keinen Schwarm. Die ungeduldigen Zugbesucher stöhnen: "Menno, wir haben es doch kapiert." Und futtern schnell noch eine Honigwaffel, bevor es keine mehr gibt.

"Keine Zeit!" "Keine Zeit!" jammern die beiden erfahrenen Experten für knappes Zeitmanagement. Die Hasengruppe im Zug hat ihre weißen Hektiker mit den Taschenuhren nach vorn gestellt. Die lassen sich von niemanden, erst recht nicht vom eigenen Kollegen übertrumpfen und feuern sich gegenseitig zu noch mehr Eile an. Die meisten Vereinsmitglieder schnaufen schon. Aber sie müssen laufen, haben sie doch ihren Wagen voll geladen. Die Zuschauer freut's…

"Haddu Möhrchen?" Die Hasen auf dem Wagen machen ihrem Vereinsmotto alle Ehre. "Wenn nich – dann hier!" rufen sie, wenn sie frische Möhren in die Menge werfen. Sie geben sich viel Mühe mit diesem Hasenlispeln durch die langen Schneidezähne: "Muddu essen, is gesund!"

Die Narren finden den Traditionswitz der Hasen schon seit mehreren Jahrzehnten passender für den Karnevals-Umzug des nächsten Kindergartens. Dazu kommt, dass diese 'Naturkamelle, regional geflogen' ganz schön wuchtig sind. Die Mausemädchen sind froh: Ihre großen Hüte verhindern – wie ein weicher Schutzhelm, dass die Möhren direkt den Kopf treffen. Sie ziehen die Krempe etwas tiefer, bis der Hasenwagen wieder vorbei ist. Die Maus im Hasenkostüm sammelt dagegen eifrig einen Karotten-Vorrat. Das ist sie wohl ihrer Maske schuldig.

Der Verein 'Tradition Häschchenwitz von 1976' blickt auf eine lange Geschichte zurück, seit der erste Vorsitzende den ersten Häschenwitz aus der damaligen DDR mitbrachte und der bisherige Vereinsname "Klein-Fritzchen & Klein-Erna" dafür ersatzlos gestrichen wurde. Nach der Phase "Isch weiß, wo dein Haus wohnt und sag's meinem Bruda" hat sich der Verein endlich wieder auf seine Wurzeln besonnen und verteilt diese nun wieder ausgiebig.

"Zu spät!" "Viel zu spät!" Die Berufshektiker schauen auf ihre Uhren und überlegen, ob sie den restlichen Zug nicht umfahren können, um schneller zum Ziel zu kommen. Nächstes Mal übernehmen sie lieber gleich die Zugspitze und ziehen alle mit. Dann wären sie sicher schon längst fertig und würden hier nicht immer noch in Rosenmontag machen.

Es geht eine Raunen durch die Menge: "Oh, eine Maske aus dem Karneval in Venedig!" "Das wird sicher schön." und "Das ist nach den Hasen doch noch echte Tradition." Die Zuschauer sind nur etwas irritiert, dass vorab die Abordnung vom 'Hüftgold e.V.' läuft. Wollen sie darauf hinweisen, dass es in Venedig mit dem Lido einen eigenen Badestrand gibt.

Als die große Maske endlich den Blick auf den Wagen freigibt, staunen alle über das gelbe Unterseeboot. Die beiden Augenmasken mit ihrem fein durchbrochenen Goldrankengeflecht gehen in dem Aufbau fast unter.

'Untergehen' scheint überhaupt das große Thema zu sein. Rund um das knallige Unterwasserschiff wuchern riesige Korallenriffe mit bunten Fischen und anderen Meeresbewohnern. Das soll nun der prächtige Karneval in der weltberühmten Lagunenstadt sein?

"Der Kanal ist voll" johlen einige Karnvalisten auf der Seitenlinie. Es bilden sich auch die ersten Sprechchöre mit dem Wagenmotto: "Blubb, blubb, Blububb!" Wer in 25 Jahren Venedig besuchen will, tut dies sicher unter Wasser. Die ganzen Kreuzfahrschiffe, die wolkenkratzerhoch heute noch quasi mitten durch die Stadt fahren, bekommen dann garantiert einen Glasboden.

Der lila Mausedoge im Bootsturm zieht sich immer wieder die Larve vor die Augen und grüßt huldvoll alle Anwesenden von der Serenissima. Es ist vielleicht doch sein Glück, heute nicht Venedig zu sein, denn nur die dunklen Doktoren mit Pestmaske zeigen hier den Coronaviren ihre sprichwörtlich lange Nase. Die Zukunft wird doch noch gut, denn es gibt keine Tröpfcheninfektion mit Unterwasser-Viren.

Das Fahren ist mit der riesigen Maske auf dem Schlepper nicht einfach, da einäugige Masken vom Typ "Polyphem" fast nie gebaut werden. Der Fahrer muss sich auf seinem Sitz weit rüber beugen, um seitlich vorbei linsen zu können.

Dennoch ist seine Sicht so eingeschränkt – wer schön sein wolle, müsse leiden – dass zur Sicherheit eine Maus rittlings auf der Motorhaube sitzt. Sie warnt den Fahrer, damit er keiner 'Hüftgold'-Tänzerin im Schwimmreifen in die Hacken fährt.

Einige Besucher überlegen, ob sie wirklich mit einem Besuch bis 2045 warten sollten? So lange für den Markusplatz nur ein paar Gummistiefel reichen und sie noch keine Schwimmflossen brauchen.

Die Gruppe 'Mimikri' zeigt die verschiedene Wesen von Bären, die offensichtlich nicht in der eigenen Haut stecken mögen. Ob Kuh, Drache oder Pinguin, heute ist sowieso alles erlaubt … und den Rest des Jahre nicht verboten.


Idee: SchneiderHein     Fotos: W.Hein


Venedig hat den Karneval verkürzt, dieser Rosenmontagszug braucht dagegen noch mindestens zwei Stationen, um alle Zugteilnehmer vorstellen zu können.


Donnerstag, 5. März 2020

Rosenmontag #4: Tiefflieger des guten Geschmacks


Der rote Schlepper zieht Victorias bestes Stück. Und ist damit sicher vollkommen unterfordert. Er könnte Tonnen durch die Stadt wuchten. Auch Tonnen von Wurfwaren für die kleinen Narren, deren knurrenden Mägen fast schon das Gejohle und die Gesänge übertönt, mit dem immer noch die meisten Zuschauer jeden neuen Wagen hoffnungsvoll begrüßen.

Endlich gibt es Schmackofatz frisch vom Wagen. Doch Victoria findet einen übergroßen Zuckerkonsum nicht vorteilhaft. So hat sie ihre heißgeliebte Käsevitrine auf den Anhänger wuchten lassen. Und ganz viel freifliegenden Käse dazu. Sie verteilt sowieso lieber herzhaft als süß.

Es kommen Käseminis im Ganzen geflogen und Käsedreiecke aus dem Leib geschnitten werden von ihr und Albert direkt überreicht. Sie winken die kleinen Hungergeister heran und drücken den überraschten Neugierigen schnell ein würzige Kleinigkeit in die Pfote.

Das Mausemädchen aus der Bälledusche der Erdmannen sieht darin schon einen Fortschritt. Käse ist deutlich besser als klebrige Filzkugeln. Aber sie schaut sich schnell um, ob jetzt noch Wagen mit Brötchen, Butter, Frühstücksbrettchen und kleinen Käsemessern kommen. Dann würde es ja ein kleiner Zwischenimbiss werden.

Victoria findet ja, dass Albert die Beschriftung des Wagens vergeigt hat. 'Der Käse, der aus den Löchern fliegt', das verstehe wer will. Aber "Baby(bel)-Weitwurf" – das ist doch nur geschmacklos verschwurbelter Kopfkäse. Zumal sie den Käse nur ungern fliegen lässt. Lieber sorgt sie persönlich dafür, das jedes Stück in gute Pfoten kommt.

Die 'Tiefflieger' haben genug von der ständigen Reise im Kreise. Da haben sie ihre Flugzeuge genommen und sich in den Zug eingereiht. Nun hoffen sie, dass Alberts Magnum-Sektflaschen dem ständige Geruckel im Wagen standhalten und ihnen die Korken nicht noch um die Ohren fliegen. Sie würden ja gern eine Extrarunde fliegen und sich hinten im Zug wieder einreihen. Aber bis jetzt will niemand mit ihnen tauschen.

Giulio weiß, das heute seine Eisdiele "Il Pinguino" kein Geschäft machen wird. So hat er im Fahrrad den Straßenverkauf eröffnet. Und einen Pinguin auf den Eiskasten gesetzt. Guilio ist schon ein Schelm, der Arges dabei denkt. Er verteilt gern sein Eis, muss sich dann nur immer wieder abstrampeln, um danach die Lücke zu den 'Tieffliegern' zu schließen.

Die Zwillinge haben sich schnell ein Eis besorgt und den Käse erst einmal beiseite gelegt. Hoffentlich haben sie es aufgeschleckt, bevor die nächsten Süßwaren anrücken. Damit sie wieder beide Pfoten zum Fangen freihaben.

Bei den 'Tieffliegern' hat die Katze mit dem Jet die Führung übernommen und zieht die Flügelmänner in der Formation nach. Sie vertraut auf ihren Tretdüsentrieb und gibt einfach Stoff, wenn die Flaschen gefährlich wackeln sollten. Dann schießen sie einfach am zuckelnden Käsekasten mit seinem trägen Schlepper vorbei und bringen sich beim Bauwagen der Erdmannen in Sicherheit.

Hinter Giulio dieselt der zweite Bö-botz im Zug. Er hat sich unter ein grünes Dach begeben. Ein dichter Tuff von echter Flowerpower schmückt sein Haupt.

Der Blechläufer steht zum 'Klimawandeln'. Wenn der Winter ausfällt, kommen die Sommerblumen schneller. Das passt doch in die neue Zeit, in der niemand Zeit hat. Weder die Gartencenter noch die Kleingärtner. Kaum ist die weiße Weihnacht ausgefallen, träumen alle von bunten Frühlingsbeete weit vor Ostern und fabulieren von frühen Blühwundern mit Rosen und Großstauden.

Dafür steht auf seinem Kopf auch Robin Tutuut, der Rächer der getopften Baumarkt-Begonien und ausgesetzten Betonkübel-Betunien. Auch das sind Lebewesen, die sich Mühe geben, Farbe und Freude in unser Leben bringen.

Zwei kölsche Jungs ziehen den kleinsten Zug der Welt dem Riesenrummel zum Rosenmontag am Rhein vor. Hier wird man noch gesehen, wenn sie den kleinsten Polizistenkorso der Welt geben.

So tuckern sie in Uniform mit ihren Harleys zufrieden durch die Straßen. Alle jubeln ihnen begeistert zu und sind sogar glücklich, besonders strenge Ordnungshüter zu sehen.

Die Zuschauer feiern die beiden Jungs auf ihren Maschinen ab … aber wenn die beiden dafür leckere Knöllchen verteilen könnten … sie warten dann doch sehnsüchtig auf den nächsten Wagen, der sich Zeit lässt.

Er hat offensichtlich etwas zu verteilen, immer wieder wirft die Besatzung irgendwelche Flugobjekte in die Menge. Es sind die Farbmäuse, die sich unter dem Motto "Wir sind bunt" zusammengeschlossen haben.

Sie haben Zeit, denn sie fahren unter dem Banner "Hetz mich nicht so". Sicher sind hier die meisten Zuschauer schlicht Grau, Weiß oder Braun. Aber auf diesen Wagen kommt nur, wer es ein bißchen bunter treibt. Und das ist schon eine besondere Gemeinschaft. Sie sind aber in erster Linie Mäuse, wie viele Besucher am Straßenrand und Teilnehmer am Zug. So können sie sich ganz entspannt unter Gleichen treiben lassen und haben nur Ärger mit den Geschenken.

Als sie die Wurfwaren eingekauft haben, war das Verteilen von bunten Filzbällen noch eine gute Idee. Das passte doch genau zu ihrem Motto. Da konnten sie ja noch nicht wissen, das kurz zuvor die Erdmannen wahllos riesige Haufen klebrig-bunter Bälleberge hinterlassen haben und keiner mehr weitere Filzkugel sehen kann.

Sie konnten doch nicht ahnen, dass andere Mitfahrer die gleichen Einkaufsquellen haben. Im nächsten Jahr versuchen sie vor die Erdmannen in den Zug zu kommen. Und sie werden bunte Lollis oder pinke Zuckerwatte verteilen. Oder anderes klebrige Zeug statt klebriger Bälle …

Sie stehen für echtes Greenwashing: Statt fremde Pflanzen zu kidnappen und Bäume und Sträucher in Gärten gefangen zu setzen, wäre es doch viel nachhaltiger, wenn Bären, Drachen und Mäuse lieber selbst grüne Pflanzenanzüge tragen würden. Das befriedigt die Lust auf Natur und Grün. Es muss dann natürlich von Zeit zu Zeit ausgelüftet und gewaschen werden. Am besten in Handwäsche, weil dieses blickdichte Körperdickicht bei der ganzen Lauferei doch ziemlich warm und schweißtreibend ist.


Idee: SchneiderHein      Fotos: W.Hein

Der kleinste Zug zieht sich – viele Gruppen warten noch auf ihren Auftritt und Wagen  auf ihre  Auffahrt bis endlich der Karnevalsprinz im letzten Wagen den Umzug schließt. Aber es sind ja auch in Mainz, Köln und Düsseldorf viele Stunden abzuguckende Fernsehzeit bis dort alle Rosenmontagszüge durch sind.