Freitag, 26. Juni 2020

Sternenglanz



Es ist Hausmusik in den frühen Siebzigern. Dennoch wird es ein fetter Auftritt werden. Vier Hardcore-Girlies können es kaum erwarten. Der Konzertraum ist leider so klein, dass nur ganz ausgewählte Fans kommen durften. Das ist aber nicht so schlimm, die anderen beiden haben sowieso jetzt einen Friseurtermin.
 
Die Groupies sind ganz aufgeregt. Sie kleben an den Lippen ihrer Begierde. SIE sind jetzt in den heiligen Hallen (etwas übersichtlich geraten) ihrer angebeteten Lichtgestalt. Er könnte vielleicht mal aufräumen …

Aber andererseits ist es dadurch auch viel echter und aus dem Leben gegriffen … oder besser hingestreut.

Ein berühmter Musiker kann sich doch bestimmt einen größeren Fernseher leisten. Aber das ist sicher ein Modell für Rockstars auf Reisen. So einen kleinen Apparat kann man sicher leichter aus dem Hotelzimmer werfen, wenn man wieder das Zimmer verwüsten muss.

Da kommt schon der Held des heutigen Konzertes. Er wird heute ein Solokonzert mit seiner Gitarre geben. Es ist der ehemalige Leadguitaristo von Painful Plaid. Nach dem Woodstock-Debakel im Sommer '69 ist er aus der Band geflogen. Vielleicht hätten sie damals rechtzeitig das Festival erreicht, wenn er nicht einfach wie vom Erdboden verschluckt gewesen wäre, als sie losfahren wollten. Er hat immer gesagt, dass er doch nur Karten besorgen wollte. Dabei hat er immer offen gelassen, ob er Land- oder Eintrittskarten meinte.

Seit dieser Zeit treibt er seine Solokarriere voran. Er arbeitet seit längerem an seinem ersten Album und steht kurz vor der Veröffentlichung. Auf jeden Fall hat er schon ein paar Songs. Also die Ideen gibt es schon. Genau der richtige Zeitpunkt an seiner Fanbase zu arbeiten und mit Konzerten die treuesten Groupies zu beglücken.

Er nennt sich inzwischen nur noch 'Star' und er wird jetzt von seinem neuen Album 'Star' das gleichnamige Titelstück 'Star' zum Besten geben. Wenn jetzt nicht klar ist, wohin die Reise gehen soll, dann wird er künftig nur noch Konzerte auf der 'Star'-Tour geben.

Er lässt die Finger über die Saiten fliegen und schwingt die Gitarre, um die Töne ineinanderlaufen zu lassen. So bekommt er auch aus dem kleinen Wanderverstärker doch noch seinen 'Wall of sound'.

Dann fügt er noch Heulen, Jaulen und Kreischen dazu. Sein Sound ist nichts für Weicheier. Auch wenn sich das Ganze bei der ersten Probe auf einer Akustikgitarre noch wie eine Folkballade anhörte. Aber jetzt drückt 'Star' alle an die Wand, damit jeder spürt, worum es in dem Song gehen soll. Wie 'Star' zum Star wird.

Die Mädels haben es verstanden. Sie wissen jetzt, was der Künstler sagen will. Damit wird es Zeit für einen Imbiss. Da gab es doch kalte Pizza, die noch gut aussieht.

'Star' wirft sich in Pose. Was Jimmy konnte, kann er schon lange. Er spielt sogar mit seiner Schwanzspitze. Und weil die eigene Komposition in der Mitte noch etwas dünn ist, leitet er über in eine jaulige Zerrversion vom 'Star Spangled Banner' …

Als er sich immer weiter nach hinten neigt und die Augen schließt, um sich ganz der Knarzigkeit seiner Hymne hinzugeben, kommt er ins Rutschen und verliert das Gleichgewicht … 

Er stolpert über den Fernseher, der davon rollt. 'Star' liegt auf dem Rücken. Aber das ist doch kein Grund, das Solo abzubrechen. Im Gegenteil, der Guitaristo wälzt es noch aus und robbt auf seinem Rücken durch das Wohnzimmer. Das hat er schon bei Painful Plaid gelernt. Wenn die Stücke länger sind, muss er sich weniger ausdenken, um das Konzert zu füllen. Auch sein Album wird nur zwei Stücke haben. 'Star' und 'S*** finally' – eine Supersingle also. So dauert diese Aufführung auch fast eine halbe Stunde, bevor der letzte Akkord verklingt und Hall und Echo in ein sanftes Summen übergehen.

Die Mädels haben es gewusst. Dieser Fernseher ist ein echtes Rockstarmodell!

Der Held an der Gitarre nimmt seinen Zwischenapplaus entgegen. Die Bühne wird aufgeräumt. Dann kündigt der Topact des heutigen Heimkonzertes ein völlig neues Stück an: 'Star forever'.


Fotos: W.Hein

Dies ist die Aufholjagd zu Instagram und der parallelen Veröffentlichung auf Facebook. Dort gibt es längst drei Postings zu Painful Dead und deren Umfeld. Hier ist alles ein wenig länger und ausführlicher und mit neuen Bildern zur Story.


4 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

Guten Morgen ihr Lieben!
Herrlich, diese Band! Die würde ich zu gern mal live erleben *schmunzel*
Habt einen schönen Tag und einen guten Start in ein entspanntes Wochenende!
♥️ Allerliebste Grüße, Claudia ♥️

heinwerken hat gesagt…

@ Claudia,
das wird schwierig ;-) Abgesehen davon, …
… dass Livekonzerte aktuell am besten in Autokinos stattfinden,
… dass Trump mit seiner Corona-nicht-Prävention jeden Tag hart daran arbeitet, die USA in eine No-Go-Area zu verwandeln, wenn mann nicht in einem gelben Ganzkörperschutzanzug wie in "Outbreak" verreisen will,
… wären die Mitglieder von Painful Dead als Musiker der Endsechziger inzwischen schon ganz schöne Zausel, die den Bärten von ZZ Top leicht Konkurrenz machen könnten.
Und so ein sympathisches Rentner-Projekt wie damals der "Buena Vista Social Club" gibt es für Folk-Rocker mit leichten Gedächtnislücken meines Wissens noch nicht. Viele der damaligen Heroen, soweit sie nicht schnell gelebt und jung gestorben sind, haben inzwischen nur noch Verwertungsgesellschaften für die Streamingportale.
Die größten Ausnahmen sind da noch Paul McCartney, Dylan und die Rolling Stones.

Also schauen wir hier weiter in die Vergangenheit - einen Soundtrack zum Block gibt es leider noch nicht. Es ist allerdings erstaunlich, wie oft es hier im Blog um Musik geht. Wahrscheinlich, weil sie mir immer wichtig war. Meine eigenen Fähigkeiten nie ausreichten, selbst Musik zu machen und ich es aber immer ein wenig bedauert habe. Wenn es diesen Soundtrack gäbe, würde es oft sehr laut, schräg und herausfordend. Denn viele Helden hier haben oft größere Ambitionen als Fähigkeiten. Wer dem Label "Musik machen" folgt, wird in der Zusammenschau sicher mit vollen Herzen zustimmen.

Allerliebste Grüße zurück, Wolfgang

Anonym hat gesagt…

Vier Hardcore-Girlies beim Pilzkopf-Friseur, im FlowerPower-Kleidchen oder Leo-Look, wie gern wär ich da dabei gewesen in diesem kleinen Konzertraum ! Alles da, was Fan braucht: Sitzmöbel zum Abhängen, alte Platten im Regal, alte Pizza und verschüttete Brause neben dem Kuhfell ;-)
Und dann ist er endlich da, der Leadguitaristo und Held der Saiten mit seiner endscoolen Klampfe ! Man hat seinen grandiosen Auftritt beim Lesen jede Sekunde vor Augen und den Sound in den Ohren ... und selbst nach dem Sturz über den Fernseher :-)) gibt er sein Bestes !

DANKE auch für diesen GuteLaune-Post ... ich werd jetzt gleich mal wieder alte Platten auflegen. Euch beiden ein schönes Wochenende mit zwischendurch "Zeit zum Luft holen und abschalten" und mit vielen "good vibes only" ! Viele liebe Grüße, lasst es euch so gutgehen wie den Stars und Helden, Manu

heinwerken hat gesagt…

@ Manu,
dann wäre ich gern Mäuschen gewesen, welche Scheiben auf dem Plattenteller gelandet sind, oder sind es doch schon CDs oder die Playlist vom Streaming-Dienst?
Auch Dir ein schönes Wochenende und viele Good Vibes ;-)

Liebe Grüße
Wolfgang