Sonntag, 30. August 2020

Der schnellste Weg zum Sonntagsbrötchen

 

Die Katzen wollten in Ruhe eigentlich nur den Müll neu sortieren, da hören sie ein metallisches Fauchen und heftiges Nageln herannahen.

Eine himmelblaue Zigarre zischt vorbei. So schnell, da lohnt es sich kaum aufzusehen.

Kaum haben sie die erste Schicht genauer durchgearbeitet, nähert sich ein helles Kreischen, das in ein giftiges Singen übergeht. Ist die rote Rakete etwa noch schneller? Wenn sie da jetzt am Steuer säßen, würden sie sich schnell ein Fischbrötchen holen. Und dem Fischmief noch schneller davon brausen ...

Ein sonores Bollern und tiefes Brummen begleitet den blassblaue Flachmann. So langsam wird es doch interessant für die beiden Katzen. Der Müll läuft ihnen ja nicht weg. 

Auf jeden Fall nicht so schnell, wie diese psychedelische Flunder durchsaust. Auch sie hat ihren eigenen Ton aus Staubsaugerheulen und donnernder Hektik. Wohin die ganzen Rennboliden wohl pesen? Zum Bäcker zwei Straßen weiter, um sich Milchbrötchen zu holen? Den beiden Katzen läuft dabei das Wasser im Mund zusammen.

Wenig später parkt die blau-grüne Rennschüssel direkt vor ihrer Mülltonne. Schon hält quietschend ein weiteres Hippiemobil und einige Drachen springen heraus.

Ehrfürchtig umrunden sie die Psychoflunder. Die Farbgestaltung ist schon kifferfreundlich – vielleicht nur etwas zu viel Kommerz für die italienische Fuselmarke. Aber da könnte sich kaum ein Drache reinzwängen und unterwegs wird es sicher laut, heiß und stickig. Wenn man damit Brötchen holen fährt, kann man Aufbackbrötchen nehmen.

Außerdem kostet eine Bremsscheibe schon genauso viel wie ihr ganzer Bus. Das könnten sie sich natürlich leisten, wenn mit sie mit Painful Plaid in den Charts so richtig durchstarten.

Bis dahin sind solche Fahrzeuge das richtige Spielzeug für das etwas kurzsichtige Großkapital. Die stecken auch weg, wenn so ein Wagen auf der Rennstrecke schon beim ersten Einsatz in Minuten abbrennen kann. Zumal sie ja auch nicht selbst am Steuer sitzen. Dafür gibt es Profis, die dann schnell aussteigen sollten.

Das Auto ist zwar offiziell ein Sportwagen und auf dem Genfer Autosalon gab es sogar einen Verkaufsprospekt dafür. Er hat einen Kofferraum, einen Beifahrersitz und ein Reserverad. Aber eine Straßenzulassung gibt es für diese Werksausstattung in Europa nicht. Es ist alles nur eine Mogelpackung um den Wagen von 1969 bis '71 auf die Rennstrecke zu bekommen.

Da hat der hellblaue Renner für den Privatmann sogar ein Handschuhfach und Seitenablagen in den Türen bekommen. Das Radio hat bei höherem Geschwindigkeiten wohl nur theoretische Bedeutung. Dabei ist auch damit der Komfort überschaubar. Deshalb trennt der Herr von Welt längst zwischen seinem Vergnügen und seinem Hobby für schnelle Renner. Er lässt lieber einen fahren.

Die Katze würde sich dafür schon mal anmelden. Sie streicht sehnsüchtig über die sanften Rundungen.

Andere Miezen sind da schon weiter und sitzen längst hinterm Volant. Was das bedeutet? Das ist Rennfahrerfachsprache wie Bolide, Downforce oder Rennsemmel. Weil die Rennfahrer ein internationales Völkchen sind.

Und Brötchen holen sie auch nicht am Sonntag, bevor es auf die Rennstrecke geht. Sie ernähren sich lieber ausgewogen und isotonisch.

Die Sonntagsbrötchen bleiben für den Herrenfahrer, der die Unbequemlichkeit des Rennboliden gern in Kauf nimmt, wenn er am Wochenende seinen Träumen nachhängt.

Auch die Beifahrerin ist ganz aufgeregt, als er krachend den Gang reinwürgt, und die blaue Zigarre wieder Fahrt aufnimmt.

Unglaublich dass dieser Wagen schon 1927 auf diesen schmalen Reifen über 200 km/Std. erreichen konnte. Bei einem Leiterrahmen mit Starrachsen, Trommelbremsen mit Seilzug und ohne Gurte auf der durchgehenden Ledersitzbank konnte sich der Beifahrer nur gut festhalten, wenn es in die scharfen Spitzkehren ging. Die meisten Rennen wurden noch auf öffentlichen Straßen ausgefahren und auch die Rennstrecken hatten bestenfalls einen Strohballen in der Kurve aufgebaut. Also wir fahren heute bitte doch nur zum Bäcker …


Die Fahrzeugparade vereinigt legendäre Rennwagen ihrer Epochen, die offiziell als Sportwagen geführt wurden. Dabei wurde der Abstand zu den Privatfahrzeugen für die Straße immer größer. Aber dass diese Fahrzeuge sich alltagstauglich als sportive Familienkutsche bewegen ließen, ist immer eine Fiktion gewesen. Zumal einige Modelle auch schon damals sehr selten gewesen sind.

Den Anfang macht der Bugatti 35B von 1927-30 von dem in dieser Ausführung ca. 40 Stk. gebaut wurden. Er hat in seiner Zeit bei vielen Großen Preisen in Frankreich, Italien, Monaco und Spanien gesiegt. Der Neupreis betrug über 27.000 Reichsmark – das entspräche einem heutigen Neupreis über 100.000 Euro.

Der rote Flitzer ist natürlich ein Ferrari 250 GTO von 1962-64, der nur 36 mal gebaut wurde, um als Werkswagen – und zu Refinanzierung als Einsatzwagen für ausgewählte Kunden – die wichtigsten Rennen der Zeit wie Le Mans, Sebring, Spa Francochamps oder die Targa Florio zu gewinnen. Danach begann auch bei Ferrari für die Sportprototypen die Zeit der Heckmotoren. Die 18.000 Dollar Einstandspreis von 1962 würden heute 176.000,- Euro entsprechen. Aktuell werden diese Fahrzeuge allerdings zwischen 30 bis 40 Millionen Euro gehandelt, wenn überhaupt eines zum Verkauf steht.

Der hellblaue Ford GT 40 in der typischen Gulf-Lackierung von 1968/69 ist eigentlich eine Mogelpackung. Das Modell zeigt die Neuauflage von 2002-04, von dem 4.038 Exemplare zum Stückpreis von 177.000,- € in weitgehend historischem Design. Das Vorbild wurde von 1964 bis 1968 gebaut und ist mit einer Stückzahl von 134 Exemplaren hier fast schon einen Massenprodukt. Die offiziell ca. 100 Fahrzeuge mit Straßenzulassung erreichten sicher nicht die 320 h/Std. der reinen Rennversionen, waren aber mit 120.000,- € (kaufkraftbereinigt) im Endeffekt sogar preiswerter als die Rennprototypen im Einsatz. Der Wagen bot kaum Übersicht, die Lüftung war schlecht, Kofferraum Mangelware, der Einstieg der Horror und das Einparken gehörte sicher nicht zu besten Disziplinen des Fahrzeugs. Er war damals also kein Verkaufserfolg – trotz des zusätzlichen Aschenbechers.

Am Ende steht der Porsche 917k von 1969. Der Wagen ist ein reinrassiger Rennwagen, der das Etikett "Sportwagen" nur benötigte, um mit einem 4,5 Liter Motor die Mitbewerber in Grund und Boden fahren zu können. Dafür mussten 25 Exemplare gebaut werden, es wurden am Ende sogar 43 Fahrzeuge, weil immer wieder Sondertypen und Ersatz benötigt wurden. Es gab wirklich den Verkaufsprospekt von 1969 mit einem Preis von 140.000,- DM für den Wagen. (Das entspricht einem heutigen Wert von ca. 269.000,- €.) Die von Porsche beauftragten Rennteams mussten diesen Preis sicher nicht zahlen. Die Langheckvarianten als Einzelstücke werden sicher in der Entwicklung ein Vielfaches gekostet haben. 

Aber der kurze Überblick zeigt, dass diese Fahrzeuge schon immer ein wahnsinnig kostspieliges Hobby gewesen sind, das sich nur die wirklich Reichen leisten konnten und warum diese Fahrzeuge inzwischen fahrende Litfasssäulen sein müssen, wenn es sich kein Hersteller als Aushängeschild und Werbemaßnahme leisten will. Da können kleine Katzen nur  – so wie wir – davon träumen.

Fotos: W.Hein


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zum neuen Post … ich hab jetzt mal mit dem letzten Link angefangen. Ein etwas in die Jahre gekommener Garagenhinterhof … so fangen spannende Storys an :-)
Und dann so viele heiße und bunte Oldtimer … dank der Beschreibung hat man auch gleich die passende Geräuschkulisse in den Ohren ! Dazu ein Wiedersehen mit den Mäusen und den Jungs von Painful Plaid !
Über die "sanften Rundungen streichen" und dann "hinterm Volant Platz nehmen" ;-) Ich wär sofort dabei , egal ob Fisch-, Milch- oder Aufbackbrötchen ;-)

Ihr Lieben , danke für den neuen Post … für den witzigen Lesestoff, fürs Insider-Wissen der Rennfahrer und für die genialen Fotos zum Staunen über euer MiWuLa und eure Helden !

Freu mich schon aufs Lesen der weiteren Links ! Viele liebe Grüße und viel Gutgehen, Manu :-)

heinwerken hat gesagt…

Hallo Manu,

vielen Dank für das gewissenhafte Abarbeiten der Links ;-) Schön, wenn dir unsere Garage Spaß macht und es hoffentlich bei all den Fakten kurzweilig bleibt. Es ist ja doch ein ziemlich langer Schlusstext geworden. Wobei mich die Aufstellung der Neupreise nach heutiger Kaufkraft selbst überrascht hat. Egal ob Radstand, Stückzahlen oder Neupreis, über all die Jahrzehnte gipt es da ziemliche Konstanten.

LG Wolfgang