Freitag, 27. Dezember 2019

Weihnachten-Zwei-Punkt-Null oder schon mehr

Achtung! Dieser Post enthält reichlich Produktplatzierungen. Anders als die schicken Dienstwagen von Fernseh-Kommissaren finanziert dies hier nichts. Und der Konsum von Zuckerwasser wird davon nicht gesünder oder Computerspiele haben deswegen nicht weniger Suchtpotenzial. Eine markendurchseuchte Welt ist einfach unsere Realität … wie alles, was wir hier zeigen.

Die Pakettransporter 'Elf-o-mat 3000' kehren erst am nächsten Tag wieder zurück. Sie haben autonom bis zum 24. Dezember die Geschenke und Pakete für den Heiligen Abend zu den zentralen Zubringern gebracht, bevor eifrige Paketboten mit rotem Mantel und weißem Rauschebart die letzte Meile übernommen haben.

Pfeifend senken sich die schweren Maschinen in die Ruheposition, wenn die Pneumatik die zentralen Aufbewahrungsbox absenkt, damit die Drachen die ordnungsgemäße Übergabe kontrollieren können.

Notwendig ist das eigentlich nicht, schließlich wird der gesamte Transport lückenlos überwacht mit Sensoren und Kameras. Aber es gibt den Drachen an der Rampe einfach ein besseres Gefühl, wenn sie ein Auge darauf haben dürfen.

So perfekt das System der Geschenkeübergabe inzwischen auch organisiert ist – Rückläufer gibt es immer noch. Sei es, dass die Adresse falsch angemeldet wurde, sei es, dass beim Wünscheaufnehmen nicht richtig zugehört wurde oder die Bedürfnisse des Beschenkten wurden einfach schlichtweg ignoriert.

Einzeltransporte erledigen die Drohnen, die inzwischen auch leer wieder einschweben. Wenn sie nicht Retouren in letzter Minute mitnehmen müssen. Was ist nur aus dem guten alten Geschenkeumtausch im Einzelhandel in den ersten Arbeitstagen nach dem Fest geworden? Nun, Wunschzettel waren schon immer so eine Art Onlinehandel und ohne die Beschaffung direkt im Einzelhandel gibt es keine kurzen Wege mehr, auf denen die Falschwaren zurückgegeben werden können.

 Da schwebt jemand ein, der mächtig Schnee aufwirbelt.

Jack will diesmal nicht alles nur auf dem Sofa erzählt bekommen. Er will selber sehen, wie der 'Weihnachtsmann das alles macht'. Obwohl er schon längst weiß, dass es in Wirklichkeit nicht der Weihnachtsmann ist, sondern ein Haufen Drachen, die mit einem Diplom in Fachchinesisch den Hai-Tech-Laden längst schmeißen.

Sie sind fast da – die Drachen haben wohl aufgestockt. In diesem Jahr sitzen die meisten in der ersten Etage und sind auch am 25. Dezember noch so schwer beschäftigt, dass Jacks Anflug offensichtlich von niemandem bemerkt wird.

Der kleine Mäuserich legt das Comic-Heft beiseite und bittet den Fahrer sich unauffällig in die Büsche zu schlagen, während er alles genau untersuchen will. Er hat schon seine Geschenke bekommen, aber wer weiß, ob nicht mehr drin gewesen wäre. Jack muss doch seine Möglichkeiten kennen, wenn er vernünftig wünschen soll. Also will er kein Aufsehen erregen und sich lieber heimlich in die Zentrale schleichen.

Bei der Verladerampe wird der Anflug der Drohnen mit dem Computer überwacht und die aktuelle Flugnummer zur Sicherheit mit der Liste der Flugverbindungen abgeglichen. Aber eine leer heimkehrende Drohne ist (bis auf Widerruf) eine erfolgreiche Mission und wird höchstens noch mit einem Last-Minute-Auftrag bestückt, wenn für den Verwandtenbesuch an den ersten Weihnachtstagen plötzlich noch ein Geschenk fehlt. Da gibt es natürlich keine große Auswahl: Neben den klassischen SOS-Geschenken (Schlips Oberhemd Socken), haben sie nur die Top-Drei der Bestseller-Bücherlisten, den Duft des Jahres und für die Kleinen ein Spotify-Radio oder weiße kabellose Ohrstöpsel.

So lange die Weihnachtslogistik noch nicht voll automatisiert ist, arbeiten an der Rampe noch kasachische Zirkusdrachen. Sie sind das Jonglieren mit vielen unhandlichen Dingen gewöhnt, werden auf Zeit nach osteuropäischen Tarifen bezahlt und nehmen die Arbeitszeiten nie so genau. Wenn es noch was zu tun gibt, wird eben weiter gearbeitet.

Jetzt bestücken sie eben die Drohnen mit den Overtime-Geschenken für unerwartete Gäste oder vergessene Verwandte und überwachen im Mini-Laptop den Stand der Dinge.

Sie müssen nur aufpassen, dass die startenden Quadrokopter nicht mit den einfliegenden Drohnen kollidieren, wenn die schwer beladen eine Rücksendung abliefern.

Was machen sie nur mit den ganzen Retouren, die inzwischen die Rampe verstopfen? Wieder auspacken bedeutet viel Arbeit und ein Jahr einlagern für die nächsten Weihnachten macht bei den meisten Geschenken keinen Sinn. Die wären dann längst überholt und aus der Mode. Vielleicht gibt es ja demnächst eine Zweithandel, wenn der Osterhase sie als Second Hand-Ware verteilt. Sollen sich doch die da oben in der obersten Etage darüber den Kopf zerbrechen.

Den Weihnachtsbaum haben sie ja auch neu erfunden, indem sie einfach das Grün weggelassen haben. Das spart auch Transportgewicht. Nun stehen überall im Haus die hippen hohlen Drahtkegel mit den bunten Lichtern. Ganz traditionell ist dagegen die alte Werbepartnerschaft mit der braunen Brause, die dafür kostenfrei ins Haus kommt. Sonst wäre Weihnachten seit Jahrzehnten nicht Rot-Weiß sondern vielleicht Lila-Gelb oder Rosa-Türkis.

Neben der Rampe ist das Wartezimmer. Missmutig hocken hier die Weihnachtsmänner aus aller Welt und warten auf ihren Termin. Eigentlich wollten sie ab dem 24. in den Urlaub verschwinden, aber die Drachen haben sie sofort wieder antanzen lassen. Schließlich ist kein Jahr mehr Zeit bis zum nächsten Fest. Und es gibt viel zu tun … die Klassiker und Erfolge vergangener Jahre wie Puppe, Teddybär oder Holzeisenbahn ziehen längst nicht mehr und locken immer weniger Kids hinterm Smartphone hervor.

Es gibt einen gut gelaunten Empfang und die Drachendame bemüht sich nach Kräften für eine freundliche Stimmung.

Doch im Vorraum gibt es bewusst nur Wasser und keine bunten Ablenkungen. Wenn die Geschenkeboten endlich zu den Einzelgesprächen gebeten werden, sollen sie richtig ausgehungert und wach sein. Nur so entfaltet die frohe Botschaft die maximale Wirkung.

 Der Weihnachtsmann aus Hawaii ist stinkesauer. Sie haben ihn in der Badehose vom Surfbrett geholt. Neben ihm sitzt Luxemburg, das mit einem kleinen Boten auskommt.

Auch Kanada und Norwegen warten ungeduldig auf ihren Termin. Was soll schon so aufregend anders werden. Jedes Jahr werden Dinge in buntes Papier gepackt und in Säcke gesteckt. Der Inhalt mag sich immer ein wenig ändern – aber dafür gibt es doch die Wunschzettel. Sie müssen doch nur liefern! Jack hat hier genug gesehen.

Er muss unbedingt in die erste Etage. Dort scheinen die spannenden Entscheidungen gefällt zu werden. Er schleicht die Treppe rauf, vorbei am Drachen, der überlegt, ob die Pause für ein Retro-Game in einer guten alten Arkade-Computerkiste reicht, die hier zur Ablenkung aufgestellt ist.

Eine Etage höher spielt ein Drache auch mit pixeligen 16-Farben ein frühes Computerspiel. Ein Raumschiff zielt auf eine Wolke anrückender Flugobjekte. Er stellt sich vor, dass dies alles ihre Geschenkedrohnen sind und er findet den Gedanken sehr befriedigend.

Jack wieselt zwischen den Drachen und schaut sich genau um. Das scheint die Versandzentrale zu sein … aber wie ein Büro sieht es gar nicht aus. Das war vor einem Jahr noch ganz anders.

Die Drachen fläzen sich an irgendwelchen niedrigen Tischen, wie es ihnen gefällt. Sie klappen den Computer auf und versinken danach in den bunten Tabellen, die mit rasender Geschwindigkeit wechseln. Niemand braucht Papier oder füllt einen Ordner. Dafür steht überall Essen und bunter Krimskrams. Auch machen sie Pause, wie es ihnen gefällt und laufen plötzlich durch den Raum, um an einer anderen Stelle weiter zu arbeiten.

Offensichtlich ernähren sie sich hauptsächlich von Pizza und Hamburgern. Das gefällt Jack sogar. Vielleicht wäre es später auch ein Job für ihn. Obwohl er immer noch nicht versteht, wieso sie ein ganzes Jahr für einen einzigen Tag arbeiten müssen. Das sollte doch einen Monat vorher auch zu erledigen sein. Wenn der Rest Urlaub wäre, ist das doch ein Traumjob.

Der Chef steckt unvermittelt den Kopf herein: "Geht das auch etwas leiser? Wir machen nebenan die Zukunft." Er wartet einen Moment - ob es diesmal Wirkung zeigt. "Ich muss wieder rein, bevor die Weihnachtsmänner mental aussteigen." Er dreht sich auf der Schwanzspitze. "Aufräumen wäre auch von Vorteil." Noch wird hier jeder Kunde durchgeführt.

Wenig später ist der Geräuschpegel wieder oben. Sie kennen diese Ansagen schon und wissen, dass es gut für das Image ist, dass sie so ein wilder und ungezähmter Haufen sind. Dafür stellen sie die Heavy Metal-Musik auch erst an, wenn die Kunden wieder weg sind.

Der blaue Drachen macht mal Pause. Er ist froh, dass die neuen Kooperationspartner noch nicht das Catering übernommen haben. Lachende Pakete vom Onlinehandel und die bunten Buchstaben von Alphabet sind vielleicht die Zukunft, aber satt wird ein Feuerkopf davon nicht.

Jack wundert sich noch immer, dass diese Jungs in ihrer eigenen Welt leben. Niemand scheint ihn zu bemerken, oder wenn doch, kümmert es keinen. Sie schlurfen an ihm vorbei und werden erst hellwach, wenn sie bei jemand anderem in den Monitor blicken können. Und dann versteht Jack kein Wort von dem Kauderwelsch, das die Drachen dabei untereinander sprechen. Ist das überhaupt eine Sprache?

Dagegen sind die Sätze im Nebenraum klar verständlich. Also jeder Satz für sich. Aber was das Ganze soll … davon hat Jack noch keinen Schimmer. Da wird er wohl genau zuhören müssen.


Fotos: W.Hein

Das geht noch weiter… 

(erst recht nach Weihnachten – denn nach dem Fest ist doch immer nur vor dem Fest)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nach dem Fest ist vor dem Fest ;-) und die Aussichten scheinen laut Weihnachten 2.0 und mehr ... heiter zu werden ! Einerseits scheint es beängstigend : Immer mehr Hai-Teck und Fastfood und Markenseuche. Immer noch diese schrecklicken SOS-Geschenke für die ältere Generation und Unterbezahlung der Paketboten usw.
Was mich allerdings sehr hoffen lässt ... es gibt wohl in Zukunft wieder Schnee und weiße Weihnachten ;-)
Hallo ihr Lieben, danke für eure neue Weihnachtsgeschichte, die amüsanten Texte und die detailreichen lustigen Fotos ! Ich hab die vielen bunten Drachen schon jetzt ins Herz geschlossen. Liebe Grüße , Manu

heinwerken hat gesagt…

@Manu,
endlich fertig geworden und zeitlich zurück datiert, geht die Geschichte hier im Anschluss weiter. Es bleibt zweischneidig: nicht alles was lustig aussieht und klingt, ist nicht auch bittersüß in den Folgen. Aber so rosarot sind die Aussichten eben nicht für alle, wenn man die Gegenwart weiterdenkt. Ich glaube nicht, dass es eine Bildergeschichte von der Weihnacht 4.0 geben wird. Wer will schon Bilder von summenden Serverfarmen sehen. Aber wer weiß, was die Drachen noch alles modernisieren können und bis jetzt gab es ja schon einige alternative Versionen zu Weihnachten.

Liebe Grüße Wolfgang

heinwerken hat gesagt…

Hallo Katrin,
ich hoffe die Story hat Dir wirklich gefallen und Du suchst nicht nur einen Multiplikator für einen Werbeblog. Bis jetzt sind die letzten Beiträge doch arg produktlastig.

LG Wolfgang