Freitag, 6. März 2020

Rosenmontag #5: Blubb, Blubb, Blububb



Eine riesige Biene schwebt über der Menge. Sie wackelt an einer dünnen Stange über dem nächsten Wagen des kleinsten Zuges. "Eine Biene macht noch keinen Frühsommer," ruft eine Maus am Wegesrand ihrer Nachbarin mit dem großen Hut zu. "Ich frage mich ja nur, wie groß dafür die Blume sein muss?" Die Hutträgerin schaut beeindruckt nach oben.

Ach, es geht ja gar nicht um Riesenblumen, es geht um das Bienensterben. Es ist eben nur noch eine einzige Biene, die gefährlich lebt: "Summ, Summ, Summ, Bienchen kommt herum". Der Vorteil des schwarzgelben Insekts ist ja, dass alle die Bienen mögen, die so puschelig und hübsch eingefärbt sind. Außerdem sorgen sie dafür, dass es Obst und Honig gibt. Dabei können sie auch nicht so stechfreudig wie z.B. Wespen sein. Aber kommen jetzt noch Wagen für Kellerasseln, Feuerwanzen, Mistkäfer, Eintagsfliegen oder Spinnen? Reicht es wirklich, dass nur die "netten" Insekten wie Bienen und Schmetterlinge besonders schmerzlich vermisst werden?

Die Narren in der Menge bedauern sicher die schwindenden Hautflügler. Doch viel wichtiger ist ihnen aktuell, dass die Blumenelfen auf dem Wagen Honiggebäck und andere Süßigkeiten mit Bienenbeteiligung verteilen. Damit alle die Bienen künftig erst recht vermissen.

Danach gibt es wieder nur einen reinen Augenschmaus. Die 'Vierzylinder' kommen mit leeren Pfoten – aber dafür hoch zu Stahlross. Damit sie auch nicht absteigen müssen, wenn der Zug mal stoppt, nutzen alle antike Dreiräder. Die sind leider ziemlich rar und hindern sie deshalb daran, einen Fünfzylinder oder gar mehr zum Laufen zu bringen. Eine weitere Bratröhre für das Haupt würden sie schon noch auftreiben können.

So folgen sie jetzt nur zu viert der einsamen Biene, deren Wagen am Heck verkündet: "Eine Biene macht noch keinen Schwarm."

Die Katzen haben sich mit ihrer Beute in den Hintergrund verzogen. Sie sind sich nur noch sicher, ob sie mit dem gefangenen Mäusespeck und Schaummäusen nicht doch ein wenig reingelegt worden sind.

Die Planungen laufen schon: Im nächsten Jahr verstärken sich die 'Vier Zylinder' durch eine Tanzgruppe mit Maiskolben, 'den Kolbenfressern'. Und haben auch über ein Nachtspektakel mit 'den Zündkerzen' nachgedacht. Die Zuschauer hätten lieber freigiebige "Taktgeber". Doch die Elektromobilität kommt. Wie lange werden diese radelnden Narren noch ohne Erklärungsschilder auskommen? Wenn demnächst keiner mehr einen Verbrennungsmotor kennt, und alles in Wikipedia nachgucken muss. Dann brauchen sie ja neue Kostüme mit Spulen, Ankern und seltenen Erden.

Die Karnevalisten sehen nun den "Trend zur Zweitbiene" mit schwirrenden Teller-Flügeln. Die kann man sicher auch als Pfannkuchenwender oder auf dem Tennisplatz gebrauchen. Eigentlich war die Nachziehfigur die Sicherheitsreserve für die Blumenelfen, wenn die Schwebebiene zu schwer für den Wagen geworden wäre. Aber es wäre auch schade gewesen, die Biene in der Garage stehen zu lassen, wenn nun doch so wenige Insekten unterwegs sind.

Obwohl, auch eine Zweitbiene macht immer noch keinen Schwarm. Die ungeduldigen Zugbesucher stöhnen: "Menno, wir haben es doch kapiert." Und futtern schnell noch eine Honigwaffel, bevor es keine mehr gibt.

"Keine Zeit!" "Keine Zeit!" jammern die beiden erfahrenen Experten für knappes Zeitmanagement. Die Hasengruppe im Zug hat ihre weißen Hektiker mit den Taschenuhren nach vorn gestellt. Die lassen sich von niemanden, erst recht nicht vom eigenen Kollegen übertrumpfen und feuern sich gegenseitig zu noch mehr Eile an. Die meisten Vereinsmitglieder schnaufen schon. Aber sie müssen laufen, haben sie doch ihren Wagen voll geladen. Die Zuschauer freut's…

"Haddu Möhrchen?" Die Hasen auf dem Wagen machen ihrem Vereinsmotto alle Ehre. "Wenn nich – dann hier!" rufen sie, wenn sie frische Möhren in die Menge werfen. Sie geben sich viel Mühe mit diesem Hasenlispeln durch die langen Schneidezähne: "Muddu essen, is gesund!"

Die Narren finden den Traditionswitz der Hasen schon seit mehreren Jahrzehnten passender für den Karnevals-Umzug des nächsten Kindergartens. Dazu kommt, dass diese 'Naturkamelle, regional geflogen' ganz schön wuchtig sind. Die Mausemädchen sind froh: Ihre großen Hüte verhindern – wie ein weicher Schutzhelm, dass die Möhren direkt den Kopf treffen. Sie ziehen die Krempe etwas tiefer, bis der Hasenwagen wieder vorbei ist. Die Maus im Hasenkostüm sammelt dagegen eifrig einen Karotten-Vorrat. Das ist sie wohl ihrer Maske schuldig.

Der Verein 'Tradition Häschchenwitz von 1976' blickt auf eine lange Geschichte zurück, seit der erste Vorsitzende den ersten Häschenwitz aus der damaligen DDR mitbrachte und der bisherige Vereinsname "Klein-Fritzchen & Klein-Erna" dafür ersatzlos gestrichen wurde. Nach der Phase "Isch weiß, wo dein Haus wohnt und sag's meinem Bruda" hat sich der Verein endlich wieder auf seine Wurzeln besonnen und verteilt diese nun wieder ausgiebig.

"Zu spät!" "Viel zu spät!" Die Berufshektiker schauen auf ihre Uhren und überlegen, ob sie den restlichen Zug nicht umfahren können, um schneller zum Ziel zu kommen. Nächstes Mal übernehmen sie lieber gleich die Zugspitze und ziehen alle mit. Dann wären sie sicher schon längst fertig und würden hier nicht immer noch in Rosenmontag machen.

Es geht eine Raunen durch die Menge: "Oh, eine Maske aus dem Karneval in Venedig!" "Das wird sicher schön." und "Das ist nach den Hasen doch noch echte Tradition." Die Zuschauer sind nur etwas irritiert, dass vorab die Abordnung vom 'Hüftgold e.V.' läuft. Wollen sie darauf hinweisen, dass es in Venedig mit dem Lido einen eigenen Badestrand gibt.

Als die große Maske endlich den Blick auf den Wagen freigibt, staunen alle über das gelbe Unterseeboot. Die beiden Augenmasken mit ihrem fein durchbrochenen Goldrankengeflecht gehen in dem Aufbau fast unter.

'Untergehen' scheint überhaupt das große Thema zu sein. Rund um das knallige Unterwasserschiff wuchern riesige Korallenriffe mit bunten Fischen und anderen Meeresbewohnern. Das soll nun der prächtige Karneval in der weltberühmten Lagunenstadt sein?

"Der Kanal ist voll" johlen einige Karnvalisten auf der Seitenlinie. Es bilden sich auch die ersten Sprechchöre mit dem Wagenmotto: "Blubb, blubb, Blububb!" Wer in 25 Jahren Venedig besuchen will, tut dies sicher unter Wasser. Die ganzen Kreuzfahrschiffe, die wolkenkratzerhoch heute noch quasi mitten durch die Stadt fahren, bekommen dann garantiert einen Glasboden.

Der lila Mausedoge im Bootsturm zieht sich immer wieder die Larve vor die Augen und grüßt huldvoll alle Anwesenden von der Serenissima. Es ist vielleicht doch sein Glück, heute nicht Venedig zu sein, denn nur die dunklen Doktoren mit Pestmaske zeigen hier den Coronaviren ihre sprichwörtlich lange Nase. Die Zukunft wird doch noch gut, denn es gibt keine Tröpfcheninfektion mit Unterwasser-Viren.

Das Fahren ist mit der riesigen Maske auf dem Schlepper nicht einfach, da einäugige Masken vom Typ "Polyphem" fast nie gebaut werden. Der Fahrer muss sich auf seinem Sitz weit rüber beugen, um seitlich vorbei linsen zu können.

Dennoch ist seine Sicht so eingeschränkt – wer schön sein wolle, müsse leiden – dass zur Sicherheit eine Maus rittlings auf der Motorhaube sitzt. Sie warnt den Fahrer, damit er keiner 'Hüftgold'-Tänzerin im Schwimmreifen in die Hacken fährt.

Einige Besucher überlegen, ob sie wirklich mit einem Besuch bis 2045 warten sollten? So lange für den Markusplatz nur ein paar Gummistiefel reichen und sie noch keine Schwimmflossen brauchen.

Die Gruppe 'Mimikri' zeigt die verschiedene Wesen von Bären, die offensichtlich nicht in der eigenen Haut stecken mögen. Ob Kuh, Drache oder Pinguin, heute ist sowieso alles erlaubt … und den Rest des Jahre nicht verboten.


Idee: SchneiderHein     Fotos: W.Hein


Venedig hat den Karneval verkürzt, dieser Rosenmontagszug braucht dagegen noch mindestens zwei Stationen, um alle Zugteilnehmer vorstellen zu können.


7 Kommentare:

kleine-creative-Welt hat gesagt…

Ein prächtiger Zug - wow - so viel Buntes - tolle Wagen -
die riesige Biene ist der Hammer - da kann man nicht vorbei sehen und kommt ins Nachdenken - bei der Nachziehbiene musste ich an meine kleine Enkelin denken - wie hätte ihren Spaß damit -
auf jeden Fall ist es eine superschöne bunte Narrenschar, die da am Rand steht und auf Kamelle wartet -
diese Zylinderhüte auf ihren dreirädrigen Stahlrössern gefallen mir sehr -
die Katzen haben doch wohl nicht mit echten Mäusen gerechnet - hier im Zug? neee -
beim Hasenwagen hätte ich mich gleich vorne hin gestellt mit einer großen Tasche - das gibt ein leckeres Mittagessen -
ganz begeistert hat mich die Maske aus Venedig - auch das U-Boot ist so toll - über Unterwasserviren muss ich noch nachdenken - ob sie sich nicht auch dort verbreiten würden?
Ja und die Hüftgold-Tänzerinnen.... sind prädestiniert für Samba -
verkleidete Bären machen den Abschluss - schön sind sie in ihren Tierkostümen -
es macht Spaß, einen solch bunten Zug anzusehen - man erkennt die Arbeit, die dahinter steckt - so viele schöne Details -
nun wünsche ich einen schönen Abend und schicke liebe Grüße -
Ruth

SchneiderHein hat gesagt…

@ Ruth
Ja, die Themen der Zeit haben bei uns wohl fast noch mehr Mottowaagen als in Düsseldorf. Da war ich auch erstaunt - zumal wir teilweise andere Themen haben …
Und bei der Biene kommt wieder unser Faible für Kinderspielzeug durch. Mit dem Nachziehtier hat Wolfgang noch einiges im Garten vor. Zum Glück sind die meisten Anschaffungen ja universell einsetzbar. Aber wenn er sich mit dem Post beeilt, könnten wir sie eigentlich leihweise für Deine Enkelin auf Reisen schicken. Denn kleine Kinder werden ja so schnell groß. Da reicht ihr wohl ein Sommer, um damit bei Dir im Garten zu spielen!???
Oh ja, Wolfgangs Fahrrad-Sammlung fing mal ebenso harmlos an, wie die kleinen Canham-Tierchen …
Und mit den Katzen war das ja schon vor Jahren ein Problem, ob sie den Mäusen gefährlich werden oder friedlich mit ihnen zusammenleben. Meist stehen diese Katzen ja mehr auf Fisch ;-)
Und bei den Möhrchen denkst Du also lieber an gesunde Ernährung als an Süßkram? Da ticken die kleinen Mausemädchen aber ganz anders …
Die Masken hatte ich im vorletzten Jahr bei Johanna (Silber+Rosen) entdeckt. Eigentlich hatte ich sie für unsere größeren Bären angeschafft, denn auch wenn ich so gar kein Karnevals-Fan bin, das Verkleiden der Bären finde ich immer noch schön. Und da die 3 wundervollen Masken nun noch immer auf ihren Auftritt warteten, wollte ich sie hier gern ganz harmlos integrieren. Doch das regte Wolfgang ja gleich wieder zu einer weiteren Drehung an ;-))
Und bei der Corona-Hysterie, die sich gerade ausbreitet, hast Du sicherlich recht, dass das auch im Wasser bei manchen Erscheinungen ein Problem sein könnte. Warten wir's ab, was da nun alles durcheinander kommt. Ich glaube 'Ruhe bewahren' ist da jetzt eher eine Hinhalte-Taktik. Im Moment finde ich es erstaunlich wie unvorbereitet die Welt in Bezug auf Masken, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel ist. Ob sich das bis zum Herbst schon ändern kann? Hoffen wir mal, dass nun das feucht-kalte Wetter bald aufhört, und die Viren weniger Angriffsflächen haben bzw. es weniger starke Beschwerden bei den Betroffenen gibt. Ich leide im Moment mit meinem Dauerhusten auch wieder etwas mehr unter der feuchten Witterung gepaart mit etwas Pollenallergie :-((
Also mir wäre das bei dem Wetter nur mit einem Schwimmring um den Bauch zu kalt gewesen, aber Wolfgang hat ja auch zum Karneval in Rio geschaut, um sich Anregungen zu suchen :-)
Tja, auch wenn wir inzwischen eigentlich viel zu viele dieser be- oder verkleideten Tierchen von Deb Canham haben - hier hat unsere Sammlung wirklich den perfekten Auftritt. Und ich bin mir sicher, das wird nicht der letzte Umzug mit ihnen sein! Auch wenn es einiges an Arbeit ist - es macht auch unheimlich viel Spaß. Und die Möglichkeit diese Freude mit anderen hier zu teilen, ist auch ein großer Anreiz trotz ständigem Zeitverzug am Ball zu bleiben!

kleine-creative-Welt hat gesagt…

Liebe Silke - schön, dass wir hin und wieder auf diese Art und Weise in Kontakt treten - ich wünsche dir auf jeden Fall gute Besserung und hoffe, dass dein Husten dich nicht mehr so lange quält - ich hab auch meine Erkältung schon 4 Wochen - nun ist es so gut wie weg - ab und zu huste ich nochmal - hatte mich bei der Kleinen angesteckt - ja so ist das, wenn die Mäuschen in den Kindergarten kommen -
ich schicke dir ganz liebe Grüße - Ruth

heinwerken hat gesagt…

@ Ruth
Dann schicken wir Dir mal ganz schnell mal liebe Genesungswünsche, damit Du die Vor-Osterzeit genießen kannst!
Heute ist es zum Glück auch wieder trocken, da geht es mir besser. Ich leide unter zu hoher Luftfeuchtigkeit. Und ja, hier ist es für mich/uns besser in Kontakt zu bleiben. Insta wirft mich immer wieder an meinem Laptop raus, und FB passt nicht zu mir. Abgesehen davon komme ich bald mit meinem veralteten Browser/Betriebssystem dort nicht mehr rein ...

Anonym hat gesagt…

Wow, das Bienchen hat sogar einen eigenen Wagen und eine Ersatzbiene ... und hoffentlich bald wieder einen Schwarm ;-)
Beeindruckend sind auch die VierZylinderHerren auf ihren DreiRädern, echte Raritäten !
Dass die Hasengruppe langsam unter Zeitdruck steht, kann man verstehen. Im April haben sie einen vollen Terminkalender ! Dass die ersten Häschenwitze schon sooo alt sind und sich von Osten her ausgebreitet haben, wusste ich bisher gar nicht .
Ein weiterer Höhepunkt ist natürlich das Auftauchen einer traumhaft schönen Maske ! So kommt die Zuschauermenge doch noch zu ihrem venezianischen Karneval und der Serenissima ... trotz der dunklen Doktoren und der verdächtigen Viren. Bravissimo ! Mehr Angst macht eher der Gedanke an Kreuzfahrtkolosse mit Glasboden ;-)
Zum Glück gibts neben Schaummäusen auch Honiggebäck und gesunde Naturkamelle aus der Region. Für weitere Verpflegung ist also gesorgt und für Stimmung auch : Beim Auftritt der bezaubernden CurvyModels 'Hüftgold e.V.' erklingen sicher auch ein paar heiße SambaSounds ;-)
Hallo ihr Lieben, man kann sich wie immer gar nicht sattsehen ... und sattlesen ! Morgen genieß ich die nächsten Stationen, heut stoß ich noch auf euch an: Ein Glas Wein ohne Jahrgang, im Abgang nachhaltig schmunzelnd und gut gelaunt ;-))) Bleibt gelassen ... herzliche Grüße , Manu

heinwerken hat gesagt…

@ manu
Oh die Genießerin liest entspannt einen Post pro Abend bei einem guten Glass jahrgangslosen Wein. (Ich denke da immer an die frühere Zeiten mit dem Kochwein aus dem Tetrapack, ein erlesener Tropfen komponiert aus mehreren Regionen der EU.) Als Soundtrack bieten sich da an die Jahreszeiten von Vivaldi oder Yellow Submarine und Octopus Garden. für den Venedig-Teil an. Und natürlich Kinderlieder wie Summ, Summ, Summ oder Only the lonely für die Biene. Da outet sich der echte Karnevalsexperte, der das Liedgut von Höhner & Co. aus dem Effeff kennt und es nicht im iTunes-Ordner auf der Festplatte des Nachbarn vermutet. Ich bin gespannt, wie die nächsten Leseerfahrungen sein werden. Der Soundtrack dafür ;-) The bureucrat song, Mean mr. mustard, Sea of love, Ca plane pour moi, Love for sale. Maggies farm …

LG Wolfgang

Anonym hat gesagt…

Bei dem erlesenen Tropfen Marke Tetrapack ;-) erinnere ich mich an die ersten Rucksackurlaube per Anhalter, abends irgendwo campen mit ner Dose auf dem Campingkocher und eben diesem Wein ... solche coolen Zeiten kennt ihr sicher auch ! Da kann einem die Jugend von heut echt leid tun ... LG an euch, Manu ;-)