Sonntag, 21. April 2019

Kullergeld



Ein kurzer Zipp, dann reißt der Fahrtwind den grünen Luftballon davon. Alice kann nur noch zusehen wie ihr praller Flüchtling stiften geht … ach … stiften fliegt. 

Ein paar Sekunden später hat er sich im den obersten Wipfeln des großen Lindenbaumes in der Karussellmitte verfangen. Alice kann noch Runde um Runde drehen, an den grünen Luftballon kommt sie nicht wieder dran. Da hätte sie vorher wohl eine Drachenschnur anbinden müssen.

Der gefleckte Herr Pard hat es geschafft, endlich sitzt er auf dem Moped. Und muss sich am Lenker gut festklammern, denn der Plastiksitz ist ziemlich rutschig, wenn man so ein weiches Kurzfell hat. Inzwischen kann der Kuschel-Leo gut verstehen, warum die orange Katze plötzlich doch tauschen wollte.

Dottie wundert sich, woher ihre Freundin den Schokohasen hat, dem sie gerade genüsslich ein Ohr abkaut. Nun, die gibt es an den Buden, die geschäftstüchtige Osterhasen rund um das Karussell verteilt haben. Und Pearl hat sich für einen handfesten Genuss entschieden, statt das ganze Taschengeld in das ewige Fahren im Kreis zu stecken. Das ist ihr zu blöde, sie will ja auch keine Formel 1-Pilotin werden.

Der Herr Pard macht sich gerade zum Leo. Erst rutscht der Katzenpo von der Bank und er hält sich gerade noch an den Zierbommeln des Lenkers fest. Dann schleift ihn das Motorrad noch einige Umdrehungen mit, bis ihm die Zierschnüre immer mehr durch die Pfoten gleiten. Jetzt rollt er – von der Fliehkraft getrieben – ohne Halt über das drehende Holzpodest, bis auch das ihn abwirft.

Das Moped dreht einsame Runden, während sich der gefleckte Großkater sammelt. Nachdem Herr Pard seine Glieder durchgezählt hat und alle noch am rechten Fleck sind, hält er sich den Brummschädel. Den Rest der Fahrt wird er auf jeden Fall aussetzen.

Die zarte Miez bewundert eine extrastarke Maus. Die Hasen haben nicht nur mit dem Karussell für einen großen Schwindel für alle gesorgt. Für die Unterhaltung haben sie noch Clowns, Artisten, Drehorgelspieler, Luftballons und andere Attraktionen eingekauft. Vielleicht haben die Langohren es dabei etwas übertrieben, denn alle sind überall abgelenkt und keiner nimmt sich Zeit für die Auslagen mit den bunten Nestern, den Schokohasen, den Schaum-Spiegeleiern, den Kuchenküken und schön schmierig gefüllten Hohlkugeln.

"Jack, es wird Zeit," Alice tippt dem kleinen Matrosen auf die schmale Schulter. "Wir müssen gehen." "Och, nur noch ein paar Runden." Der Mausejunge will noch lange nicht gehen. Wer weiß, wann er das nächste Mal wieder mit dem Flugzeug über alle Köpfe hinweg sausen kann. Oder fast – denn bis jetzt hat er es immerhin geschafft, dem roten Flieger ein paar Millimeter näher zu rücken …

Endlich hat Alice den widerspenstigen Mausejungen aus seinem Flugzeug gezogen. Das Taschengeld ist ohnehin aufgebraucht und die Mäusin will Jack auch keinen Vorschuss geben. Da ist der Kontrollbär unerbittlich und schickt den kleinen Flieger nach Hause. Keine Freiflüge: Wer hier mitdrehen will … muss zahlen.

Doch Jack hat eine Idee. Er sieht die bunten Eier auf dem Boden. Wenn er die schnell aufsammelt, kann er sie sicher gegen ein paar Flugstunden eintauschen.

Leonidas, der König ohne Land, erinnert sich mit einem leichten Schaudern an das letztjährige Ostern, das viele wuselige Mäuse in seinem Hotelzimmer gefeiert haben. Da ist dieser Ausflug zum Osterrummel doch viel angenehmer: "Ich sehe gern dem Karussell zu. Es dreht sich immerzu und stoppt nur kurz, um weitere endlose Runden machen zu können. Einige Plätze werden getauscht, aber im Grunde ändert sich nichts." Der Kammerherr beugt sich rüber: "Eigentlich, euer Gnaden, wie euer Leben."

Alice ist fassungslos. Da ist ihr der kleine Matrose entwischt und eh sie sich versieht, sitzt er wieder mitten im Karussell-Trubel. "Alice, du musst bitte den Kontrolletti bezahlen. Er nimmt doch keine Eier." Jack dreht den Kopf, um sie bei der ständigen Dreherei nicht aus den Augen zu verlieren. "Es kann aber nicht so teuer sein, ich habe statt des tollen Flugzeugs diesmal nur so einen mickrigen Plastikschwan genommen."


Ideen: SchneiderHein  Fotos: W.Hein

Das ist das dritte Osterei mit Karussell. Nicht auszudenken, wenn all diese Wendungen und Drehungen der Geschichte in einem riesigen Mammutpost gelandet wären. Wahrscheinlich wäre der Text immer noch nicht fertig und Pfingsten oder der Tanz in den Mai ständen dafür in den Startlöchern. Und für alle, die sich fragen, wie war das im Mittelteil? bekommen noch einen Zwischenbericht.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kein Wunder, dass bei einem so schönen Osterfest auch die Luftballons frei laufen bzw. frei fliegen wollen ! Jede Menge Attraktionen rund um den Lindenbaum, zum Glück für die Osterhasen bleiben noch ein paar Naschmäuse ! Und wie schön, dass Leonidas ;-) diese Ostern seine Suite verlassen und sich unters Volk gemischt hat ! Der Herr Pard, vermutlich G. Pard ;-) hat sich hoffentlich wieder erholt und dreht weitere Runden ! Dieses beschwingte Osterfest fühlt sich ja schon an wie der Tanz in den 1. Mai ;-) Haltet den April noch gut durch und freut euch auf den hoffentlich wonnigen Mai, nochmal herzliche Grüße, alles Liebe für euch, Manu

heinwerken hat gesagt…

@ Manu,
da muss ich noch mal nachfragen. ich dachte, es wäre Herr Leo Pard und nicht sein Bruder der G. Pard. Auf jeden Fall nicht ganz schwindelfrei und sollte seine freie Wildbahn nicht mit der wilden Autobahn verwechseln.
Leonidas lässt das Volk gern teilhaben, wenn es dabei nicht so nah rückt. Und dann noch schwierige Fragen stellt. Dabei sind alle Fragen prinzipiell schwierig, auf die der Moschnarch keine Antwort hat. Am Besten fragt man also, ob er noch einen Kaffee oder ein Törtchen möchte, ob er gern die goldene Taschenuhr für mehrere Monate testen möchte und irgend ein rotes Band durchschneiden möchte – die Spesen werden natürlich übernommen.

Liebe Grüße Wolfgang