Die beiden Langnasen sind zurück. Fast. Es ist natürlich wieder Japan – aber bei dieser Papierstube waren sie noch nicht. Jack schiebt vorsichtig die Tür auf, um hinein linsen zu können. Die kleine weiße Maus wundert sich derweil, was eine ganze Kiste mit Äpfeln auf der Terrasse macht. Wenn sie jetzt davon einen nimmt, wird das wohl niemanden stören.
"Lass uns wieder gehen, hier ist niemand." Vielleicht genau dieser niemand, den es doch stören würde, wenn die beiden Apfel kauend hier herum laufen. Das diese Japanbutzen nicht abgeschlossen sind, heißt ja wohl nicht, dass jeder sofort willkommen ist.
"Schie habn jemand erwaaarded," mampft die weiße Maus mit vollem Mund. Der Tisch ist gedeckt und kalte Platten stehen bereit. "Aber sicher nicht uns," murmelt Jack. Sie wussten doch bis eben selber nicht, dass sie nun hier sein würden. Und wer den kleinen Mäuserich kennt, weiß auch, dass diese kalten Happen viel zu fischig sind.
"Vielleicht kennt dieser niemand aber unseren alten Schwertmeister. Wir könnten warten, um ihn zu fragen." Die weiße Maus nimmt auf dem Kissen Platz. Der Tisch ist wirklich nicht für sie gedeckt. Der ist zwar niedriger, aber doch immer noch etwas für große Tiere.
Jack ist schon wieder an der Tür. Er möchte hier auf keinen Fall erwischt werden. "Wir suchen den alten Wolf selber. Hier drin kann er uns beim Schwerterfuchteln auch nichts beibringen." Der kleine Matrose drängelt: "Bitte, wir gehen."
Honshu der alte Japanwolf, hat im Moment alle Pfoten voll zu tun. Er fuchtelt zwar nicht mit einem Schwert, aber auch die Bambusstöcker tun höllisch weh, wenn sie auf das Fell klatschen.
Mit einem mächtigen Sprung stürzt sich der Affe auf den schon etwas abgehangenen Sensei, der bis jetzt noch jeden Angriff parieren konnte. Die beiden Schüler drücken sich bei dem raumgreifenden Duell der beiden Schwertmeister lieber ganz dicht an die Papierwände.
Doch was ist das? Noch bevor der Schlag den alten Wolf erreicht, ist dieser verschwunden…
Er hatte es für einen Moment vergessen. Den alten Wolf hat der Affe nur in seiner Vorstellung auf die Matten bitten können. Seit der letzten Begegnung in seinem Haus hat er diesen merkwürdigen Meister nicht wieder gesehen. Aber in seinen Gedanken hat er ihn schon viele Male beim Kendo besiegt. Oder war dicht dran – wenn wie jetzt – der Gegner vor dem entscheidenden Hieb entschwindet.
Honshu ahnt nichts von der entgangenen Gefahr. Er liest zuhause noch ein gutes Buch – natürlich von hinten nach vorn. Das ist doch die natürliche Form, durch ein Buch zu blättern. Das machen sogar die Langnasen aus dem Westen so. Er hat die beiden Mäuse genau beobachtet, wenn ihn die Zeitreisenden mal wieder unangemeldet vor der Tür standen.
Dem Sensei fröstelt ein wenig. So hat der Kohei einen Heizstrahler aufgestellt.
Jetzt köchelt im Raum die Suppe mit Tofu. Der alte Japanwolf genießt die Ruhe. Wie schön, wenn das Leben mal ohne ihn lärmt, keine Touristen reinplatzen oder wilde Affen zu bändigen sind.
Er reibt sich an der elektrischen Hitze die Pfoten und auch der Schüler wartet bis die Tofustücke im Sud durchgezogen sind: "Das Essen ist gleich fertig."
Verdammt, verdammt, verdammt. Der Affe muss sich zwingen, nicht mit dem Bambusstock auf den Boden einzuhämmern. Er kann sich diesen alten Zausel nicht mehr als Gegner vorstellen. Allein kann er doch nicht siegen. Es muss ein Gegner her: "Kohei!" grollt es tief aus seiner Brust.
Der Schüler hat es schon befürchtet. Fast jede Übungsstunde endet so. "Nur einen Moment, mein Meister. Ich bin gleich bereit."
"Ich werde dich unterrichten." Der Affe stellt sich in Positur: "Du weißt, am Schnellsten lernt der Schüler in der Praxis." Der Kohei kann nur stumm nicken, als sein Lehrer fordert: "Nimm das Bambusschwert und stell dich dem Duell."
Etwas unsicher schwankt der Schüler mit dem Übungsschwert zur Mitte des Raumes. Er hat sich einen Helm gegriffen, der leider immer wieder über das gute Auge rutscht.
"Los, Kohei, das kannst du besser." Der Affe gleitet mit einer geschmeidigen, fließenden Bewegung in die Ausgangsposition. "Nimm Haltung an und wedel nicht so mit dem Bambus."
Der erste 'Hieb' ist nur ein sanftes Tätscheln, das leicht gegen das Bambusschwert des Schülers tickt. "Wehr dich und halte deine Waffe fest. So segelt sie dir gleich wieder davon, wenn ich mit deiner Ausbildung beginne."
Die beiden Kämpfer sind so in ihre Aufgabe vertieft, dass sie noch nicht einmal bemerken, wie hinter ihnen die Tür aufgeschoben wird. Die beiden Mäuse haben endlich den Übungsraum wiedergefunden. Aber vom Sensei keine Spur – nur diese unbändig grobe Affe brummelt und gurgelt auf einen kleinen roten Helmträger mit einem schwankenden Holzstecken ein.
"So wird das nichts." Die weiße Maus zuckt mit den Schultern. Der Übungsraum ist besetzt und den Sensei müssen sie auch noch finden. "Wir fliegen eine Zeitschleife und schauen, ob wir dann mehr Glück haben."
Im Übungsraum muss der Kohei sich endlich Mühe geben.
Dennoch saust der nächste Hieb wieder mit voller Wucht auf den Helm.
Einen Moment verliert der Schüler die Orientierung und dreht seinem Meister sogar den Rücken zu. "Ich bin hier," grummelt dieser höhnisch. Er wartet sogar einen Moment.
Dann setzt er den nächsten Hieb.

Das ist kein Gegner. Und wird es vielleicht nie werden. Ganz anders als dieser alte Wolf in seinem abgetragenen Kimono. Das ist sicher nur eine Täuschung, um zu verbergen, dass hier ein großes Kämpferherz ein Nickerchen hält.
Fotos: W.Hein
Das ist mal wieder eine wilde Bilderhatz und eigentlich keine Werbung. Denn diese Japanwelten lauern nicht an jeder Ecke des Internets. Dennoch war es Zeit, dass die Japanstuben eingelagert werden sollten. So sind diese Bilder schon im Spätherbst entstanden, aber die Idee, dass zur Zeitreise auch die richtigen Bilder gehören, hat doch zu einer Verspätung geführt. Hier sind sie:
Die beiden sausen durch die Zeit, als plötzlich etwas direkt vor ihnen auftaucht.
Woah! Die weiße Maus kann die Zeitmaschine gerade noch nach oben reißen. Bevor der entgegenkommende Wagen unter ihnen durchschießt.
Vorher kann Jack noch schnell einen Blick in das Cockpit des Geisterfahrers erhaschen. Darin sitzt ein kleiner Matrose und eine weiße Maus.
Der Mausejunge folgt der Erscheinung mit weit aufgerissenen Augen. "Was ist das?"
"Ach," die weiße Maus schwenkt wieder in die ursprüngliche Route ein. "Das sind doch nur wir." "Wir?" Jack schaudert's. "Wenn wir so oft nach Japan reisen, kreuzen sich die Zeitlinien und wir begegnen uns dabei immer wieder." Aber muss man sich dabei gleich über den Haufen fahren und gibt es denn keine Verkehrsregeln für Zeitreisen?
PS: Der Fuji in Japan und die wilden Wolken und Blitze einer Zeitreise wären ohne die bildgewaltige Unterstützung von Shutterstock nicht möglich gewesen.