Sonntag, 12. Juli 2020

7 Tage Regenwetter (fast)



Nichts ist hier so bequem wie sein Ohrensessel. Und dieses Ding sieht aus wie ein Liegefahrrad, bei dem jemand vergessen hat, die Räder zu montieren. Albert schüttelt nur den Kopf, was hier auf dem Podest landet.

Nach einer Woche Regenwetter … ziemlich häufig jedenfalls … hat Victoria alle ins Museum geschleppt. Hier ist es trocken und im Moment ziemlich leer. Albert hatte sich auf die Möbel auch gefreut, wundert sich aber, warum keine praktischen Sitzgelegenheiten gezeigt werden.

Auch Jack staunt nicht schlecht, was hier alles Stuhl heißen darf. Er schlurft hinter Alice hinterher und fragt sich, wo der Bus ist. "Welcher Bus?" "Der Bus mit den Leuten, die das sehen wollen." "Das wären mit den Abstandsregeln aber ziemlich wenige." "Du weißt, was ich meine."

"Albert, kommst du?" Victoria drängelt, es warten noch einige aufregende Säle mit modernen Designikonen auf sie. Albert stellt sich lieber vor, welcher Sessel hier stehen müsste.

Doch wenn er blinzelt und genauer hinschaut, steht das nur so ein wulstiges Teil für ein Michelin-Männchen.

Jack glaubt nicht, dass diese Gestelle wirklich bequem sind. Das wird er gleich mal ausprobieren.
 
Er klettert auf das Podest. Alice kann ihn nicht halten, so flink ist der Mausejunge oben. "Das darfst du nicht," ruft sie entgeistert. "Wieso nicht, das darf maus doch in jedem Möbelhaus." "Das ist ein Museum." Und das sind Stühle. "Und die sind zum Sitzen da."

Oben angekommen ist sich Jack nicht so sicher. Das sind doch nur bunte Bretter, die auf ein Holzmikado geklebt worden sind.

Das blaue Brett ist so glatt, dass Jack gleich zum roten Brett durchrutschen würde, Er versucht sich mit der Pfote abzustützen und findet kaum Halt. So hält er sich lieber mit den Fußhacken an der Vorderkante fest.

Wahrscheinlich würde er dahinten nie wieder hochkommen. Wenn er sich umgekehrt hinsetzt, hat er einen besseren Halt, doch wer will immer auf die Lehne starren.

Vielleicht ist es auch ein Liegestuhl. Doch hart und unbequem ist er auch so. "Komm wieder hoch," bettelt Alice. "Bevor jemand kommt."

Auf den nächsten Stuhl zu klettern ist voll schwierig. Jack kann sich kaum irgendwo festhalten, wenn alles so glatt ist. Aber dieses Holzgezackel kann maus wenigstens gebrauchen, um näher an das Bonbonglas auf dem Kühlschrank zu bekommen. Wenn maus sich vorstellt, dass dieser Stuhl in einer Küche mit einem Kühlschrank stehen würde …

Victoria wundert sich, wo die Kleinen bleiben. Aber im Museum kann doch niemand verloren gehen. Ist ja alles so übersichtlich hier. Dann können sie auch schnell in den nächsten Saal schauen, wo die nächsten Stühle auf sie warten. In den Fünfzigern werden sie das erste Plastik am Möbel sehen. Albert fragt sich, wo die Abteilung für weiche Polster ist.

Jack ist bei den Stahlrohrgestellen angekommen, die kastige Kissen einsperren. Das ist nichts für breite Hüften. Wenn sich der Hintern endlich reingequetscht hat, muss man zum Aufstehen eine mehrmonatige Körnerdiät machen oder den Klempner rufen.

Dafür ist die Wippe klasse. "Das ist ein Liege und komm da bitte runter." Alice fühlt sich oben überhaupt nicht wohl. Jack zeigt ihr lieber noch mal, wie das Kopfteil nach oben kommt, wenn er jetzt auf das Fußteil steigt. "Eine Liege? Wie will sich denn ein Normalo da auf die Seite legen?" Er überlegt einen Moment: "Damit hätte man die Astronauten zum Mond schießen können."

Das wäre jetzt ein guter Fluchtplan. Denn sie sind entdeckt worden. "Ich hab's gewusst," murmelt Alice. "Das gibt Ärger …"

"Kommt bitte runter …" Für Ärger ist das doch sehr freundlich. Der Brillenbär ist Professor und Leiter des Designmuseums. Er freut sich über jedes Interesse für seine Stühle. Er hat darüber promoviert und wissenschaftlich publiziert. "Häh?" Jack fragt sich, was das für ein Beruf sein soll. "Er ist ein Dr. Dr. Stuhl," flüstert ihm Alice zu.

Der Professor führt die beiden zu den Sofas mitten im Raum. "Nehmt Platz, ich erzähle euch dann etwas zum modernen Sitzen."
 
Hier soll Jack platzen? Auf dem Podest ist es verboten und hier nicht? "Die sehen doch genauso nackig aus, wie die Dinger da oben."

"Das sind doch keine Ausstellungsstücke," erklärt der Professor, "die darf man besitzen." Jack versteht es noch nicht: "Woran erkenne ich das?" "Das ist einfach," lacht der Brillenbär. "Die haben keine Erklärschilder."



Fotos: W.Hein

Diese Ausstellung von Designklassikern zeigt die ganze Verrücktheit des Sammelns. Ich kenne sie genau, seit ich in den Achtzigern Design studiert habe und für viele gelten gerade diese Möbel als Beweis des guten Geschmacks. Schon damals fand ich die Originale in den Showrooms der 'kreativen Inneneinrichter' selten bequem und nicht frei von Schwächen. Und dennoch sammele ich die Miniaturen heute für die Mausewelten und setze die Designklassiker bewusst in den Geschichten ein, wenn es modern, futuristisch oder zeitgeistig werden soll. Das gilt für das moderne Wohnen von Think Pink genauso wie die Drachenzentrale am Nordpol.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den Besuch im Kunstmuseum ! Möbel und Design interessieren mich auch und ich bin begeistert von diesen großartigen Ausstellungsstücken ! Auch wenn sich mal wieder zeigt, dass cooles Design und klare Form- und Farbgestaltung bei Sitzmöbeln nicht immer gemütlich / sprich chillig sind, vor allem beim Hinsetzen und wieder Aufstehen :-)

Gut, dass Jack weitere Funktionen entdeckt z.B. als Kühlschrankleiter oder Wippe :-)
Und gut, dass es immer wieder die Links gibt zum Nachlesen und Erinnern an weitere StuhlKlassiker :-) und dass es sowas wie die " Verrücktheit des Sammelns " gibt ! Ich bin immer wieder begeistert, was ihr an Ideen und Requisiten und Schmunzeleien hervorzaubert.

Bleibt "gsund" und gut drauf ! Wünsch euch neben Alltag viel Zeit für Kreatives ! Viele liebe Grüße, Manu

Anonym hat gesagt…

Genial! Wir sind begeistert, das ei oder andere Sitzmöbel würden wir am Liebsten SOFORT übernehmen. Dass es die alle Mäusegrösse gibt...! Unglaublich.
Wir merken, wir waren schon lange nicht mehr in Sachen Einrichtung unterwegs.
Müsste unbedingt geändert werden

Viele Grüsse von den Kuschelbären

heinwerken hat gesagt…

@ Manu,
Die Verrücktheit des Sammelns führt dazu, dass es Möbel in unserem Fundus gibt, die wir in Lebensgröße nicht in unserer Wohnung haben wollten. Aber es gibt ja auch bei den Protagonisten inzwischen nicht nur strahlende Helden. Die beiden Polizisten, die grüne Hexe, der große Affe und natürlich die Bö-botze sind da nur einige Beispiele. Das macht die Einrichtungen eben vielfältiger und die Geschichten interessanter. Und manche dunkle Seiten wie Hellas Büro können ausgelebt werden. Es gibt die bekannten Vorlieben. Hella wohnt in den Fünfzigern wie Silkes Großeltern und die Katzen fahren zur selben Zeit durch mein Hollywood-Jahrzehnt im pinken Cadillac Eldorado mit Raketen-Heckflossen. Das zeigt schon, in der Garage stehen weniger "Ausreißer" als in der Möbelhalle.

@ Kuschelbären,
Dann viel Glück bei der EInkaufstour im Möbelhandel ;-) Diese Möbelklassiker kommen z.B. aus Japan, was die Beschaffung etwas schwieriger macht. Denn leider erschienen die Möbel ab 2005 bis 2014 und sind inzwischen selten zu finden. Jeder, der eine moderne Puppenstube mit Bauhausklassikern ausstatten worden, haben hier weltweit schon zugegriffen … Aber vielleicht brauchen die Kuschelbären ja auch einen ganz anderen Möbelstil. Wir lassen uns überraschen.

Liebe Grüße Wolfgang