Hümpel hätte nicht gedacht, dass er es noch mal schafft. Im Strandkorb in der Sonne auf dem Balkon sitzen und von oben in das wuchernde Grün zu schauen. Eigentlich hängt er ja immer mit den Seebären herum. Die längst schon Landbären heißen müssten, weil sie seit vielen Jahren keine Pfote mehr auf eine schwankende Planke im Wasser gesetzt haben. Es ist einfach zu bequem, hier im Haus zu überwintern und dann die anderen Jahreszeiten gleich mitzunehmen.
Dabei hat Hümpel – sein leicht verkürztes Bein tarnt er als schwankenden Seegang – immer noch eine Vorliebe für Ringelstreifen, dunkles Blau und Matrosenkragen. Ein Seebär zu sein hat doch ein ganz anderes Gewicht als so ein Wald- und Wiesenbär. Ein längerer Landgang schadet da nicht dem Berufsbild, dass er seit Jahren pflegt. Deshalb muss er auch ganz schnell weg. Er hört eine helle Hasenstimme, die aufgeregt mit maritimem Kauderwelsch um sich wirft. Das ist doch dieser nervige Seehase, der schon seit Jahren auch Seebär werden will. Reicht da nicht inzwischen zum Gattungswechsel eine einfache Erklärung beim Einwohnermeldeamt? Auf jeden Fall wird es nervig und stressig, wenn der Hase ihn noch erwischt.
"Schockschweres Boot und dreifacher Mastbruch im Speigatt!" Hasenmaus ist enttäuscht. Da steht ein Strandkorb und niemand in Sicht, der Ahnung von Küstendingen und der Seefahrt hat. Dabei hat er sich extra Fachliteratur und Pfotenarbeit mitgebracht. Und er hat noch so viele Fragen an die großen Fachbären für Nautik, Knotenkunde und Seezeichen. "Da soll doch einer die Pottsau aus Kiel holen!" Fluchen kann er ja, aber der ganze Rest bringt ihn immer noch in schwere See, wenn eine steife Brise mal wieder alles Wissen aus dem Kopf bläst. Wie soll er da jemals die große Seebärenprüfung schaffen?
Die Leuchttürme von Sylt werden sicher kein Prüfungsthema. Die hat man doch sicher nur für die Touristen stehen lassen. Damit die ganze Bars, Geschäfte und Nobelbuhtiken bloß nicht die Leuchttürme vom Briefpapier und den Ladenschildern nehmen müssen. Gebraucht werden die meisten Leuchttürme ja leider immer weniger. Die Schiffe haben Radar, Funk und Satelliten und natürlich "Aiiss". Das klingt bei Hasenmaus wie ein scharfes Eis. "Speiseeis? Softeis? Oder Wassereis?" Bei den sommerlichen Temperaturen ist Lotte sofort interessiert. Aber es geht höchsten um Datensalat und Signalkompott. Denn mit dem "Aiiss" kann jeder auf der Online-Seekarte sehen, wo das Schiff gerade schippert. Und der Kapitän sieht, wer seinen Weg kreuzt und wann er auf die nächste Tonne hämmert.
Also an Leuchttürme verschwendet das blaue Langohr für die Seebärenprüfung keine Zeit. Aber der Tüdderkram wird sicher bleiben. Diese Segelboote sind voll davon. Also hat Hasenmaus einen Übungstampen mitgebracht und wird Lotte schnell ein paar Knoten zeigen. Da er schon mal welche erfunden hat, macht er diesmal welche, die alle kennen. Denn seine neuen Knoten kommen in der Prüfung sicher nicht vor. Und die Prüfer sind sicher überfordert, gleich zu erkennen, wofür die neuen Knoten gebraucht werden können. Also geht Hasenmaus diesmal den sicheren Weg und knotet nach Anleitung.
Die Kapitisse huscht nur schnell vorbei. Sie hat sich bei der Schoffösen-Karriere für den direkten Weg entschieden. Auf so zeitraubende Prüfungen und Patente verzichtet sie gern, sie nimmt gleich die Uniform mit den Streifen. Wenn die Mannschaft groß genug ist, wird es da schon ein paar Experten geben, die die nervigen Details kennen. Wenn sie den ganzen Lernquatsch mitmachen würde und dann sogar noch in niederen Rängen auf große Fahrt gehen müsste, wäre sie ja schon eine alte Zauseline, bis sie auf die Brücke als Cheffin käme. Das wäre nicht so praktisch für ihre nächsten Pläne.
Nach Anleitung bauen hat sich Hasenmaus einfacher vorgestellt. Es soll ein Wurftampen werden, aber bei den Zeichnungen hat jemand wichtige Details vergessen. Wo sind im Buch seine Pfoten geblieben, die sich hier immer wieder in dem Band verwickeln. "Das ist doch ein Riesenschlamassel, das jeden Kraken die Wanten hochtreibt." Er zieht erst einmal alles zusammen und dann noch ein Schlaufe ins Auge – wenn er jetzt nur noch schnell die Pfote rauszieht…
"Äh, Lotte, hast du mal einen Moment?" Es ist irgendwie doch wieder ein neuer Knoten geworden. Und der hat seine beide Pfoten eingefangen. Das muss er noch mal machen. Wenn Lotte ihn vorher befreit. Doch die hat heute ganz lange Socken an - mit bloßen Füßen! Manchmal zweifelt Hasenmaus an der deutschen Sprache und ihren Redensarten. Weiß die überhaupt, was sie da alles zusammenwürfelt?
Das liegt sicher, an diesem schnöden Billigbändsel, wenn die Knoten nicht gelingen wollen. Doch Hasenmaus hat ja noch diesen Premiumtampen mit Goldfaden. Damit knüpft das eifrige Langohr diese blöden Knoten ratzfatz. Wenn dieses Luxusgeschlunse nur nicht so dick und steif wäre. Er bricht ja fast schon beim Anheben zusammen. Wie soll er da noch freipfotig offene Enden miteinander verschlingen. Das ist leider doch noch der falsche Kurs zur Seebären-Prüfung.
Dann nimmt der Seepraktikant doch wieder das billige Bändsel. Es war ja vielleicht auch nur der falsche Knoten. Wer braucht denn schon Wurftampen? Das sieht übersichtlicher aus und Lotte soll auch mit ein Auge darauf werfen. "Das rechte oder das linke?" Lotte denkt nicht, dass es eine Frage der Augen sondern der Ohren ist. Denn wenn sich kleine Rechthaber taub stellen, verheddern sie sich ständig in ihren großen Erwartungen, "Du musst erst das lange Ende mitten durchfädeln," sie deutet auf die Zeichnung. "Das mache ich später."
Der Knoten sieht doch ziemlich ähnlich aus. Die Zeichnung im Buch war da auch etwas unklar. Und Hasenmaus gewinnt sicher die B-Note. Lotte sagt lieber nichts dazu. Vielleicht gibt es bei der Seebären-Prüfung bei den Knoten ja auch eine Kategorie für Freiform und einen Sonderpunkt für absolute Nutzlosigkeit bei maximalem Materialverbrauch. Sonst sollte der Hase lieber auf Schiffen anheuern, die mit Magneten anlegen.
Die Kapitisse hat sich wieder den Seefuchs gegriffen. Und kann es gar nicht erwarten, mit ihm eine sturmumtoste Nacht allein auf der Brücke zu stehen. Da wäre es doch blöd, wenn sie dann eine alte Zauseline wäre, die aufpassen muss, dass dabei nur die dritten Zähne im Wind klappern. Der Seefuchs wäre dann sicher auch nicht mehr so knackig und hätte längst einen Enkel … aber nicht mit ihr!
Idee: SchneiderHein Fotos: Hein
5 Kommentare:
Wow, es gibt Fachliteratur über Leuchttürme und Seemannsknoten im Seehasenformat ;-) In der Kategorie für Freiform hat sich der Seepraktikant den Sonderpunkt auf jeden Fall verdient und die Kapitisse scheint auf dem richtigen Weg zu sein :-)
Hallo ihr Lieben, danke auch für die Fortsetzung, die lustigen Bilder und die noch viel lustigeren Texte und Ideen. Bei FB kämen jetzt wieder unter jedes Foto und in jeden Textabschnitt viele Daumenhoch- und Zwinkersmilyes ;-) Noch einen schönen Abend, liebe Grüße, Manu
@ Manu
Bücher im passenden Format gibt es vielleicht, nur hat es Hasenmaus nicht so mit der Literatur. Wenn diese Knotenbücher ja auch voller Fehler sind. Aber eigentlich sind wir ganz froh, dass die Seebärenprüfung des blauen Langohrs eine unendliche Geschichte ist. Denn wer würde sonst im Sommer mit dem Stamm der Schlappohren auf großen Kriechpfad gehen? Es ist jedenfalls erstaunlich, wieviel maritimes Gerödel sich in einem Binnenhaushalt ansammeln kann.
LG Wolfgang
Binnenhaushalt ;-)) Angefangen bei den vielen Seebären, Seehasen, dem Seefuchs und der Seeratte über die ganzen Pötte und die schönen Dekos, die Silke auf FB postet ... ich bin immer noch ganz fasziniert von den kleinen Büchern passend zur Geschichte :-) LG Manu
Hahaha, guten Morgen :)
Jetzt hab ich endlich die Musze gefunden, das hier in Ruhe zu genieszen. Das ist ja mal wieder perfekter See-Urlaubs-Ersatz. Und genau so gehrt es mir immer mit Anleitungen (z.B. für Digitalkameras) - mein Problem kommt dort überhaupt nicht vor...
Herrlich, diese Geschichte und der Verweis auf den Eintrag beim Einwohnermeldeamt - -
Das hat mir jetzt den Regenmorgen versüszt, nachdem beide Katzen satt und zufrieden sind (hoffentlich für längere Zeit), den Dauergast im Korridor scheinen wir nicht mehr loszuwerden. Manchmal ist er nervig, also Merula versteht sehr gut, warum Hümpel verschwindet...
Einen gemütlichen Sonntag mit Heizungswärme und allen Katzen
wünscht Euch
Msascha
@ Mascha
Jetzt habe ich Dich endlich gefunden! Eben, als ich bei Insta noch meinen Text korrigierte, sah ich nur etwas von Dir aufblitzen ...
Nein, dieser Morgen ist wirklich nicht gemütlich. Wir haben wegen der Feuchtigkeit sogar mal die Fenster zu. Denn, da wir einerseits eh' noch nicht heizen wollen, hat die neue Heizung sowieso schon mal ohne unser Zutun seit mindesten Freitag eine Fehlermeldung ;-( ... Zum Glück hatten wir - ohne das Drama zu ahnen - uns neben den Granulat-Raumentfeuchtern noch für einen elektrischen entschieden. Denn uns ist bei 12 bis 13° noch nicht zu kalt, aber da wir in dem Raum ja auch kochen, hatten wir teilweise 88% Luftfeuchtigkeit - trotz geöffneter Fenster. Der verbraucht nun zwar Strom, ist aber für unserre Wohnsituation wohl eine zusätzliche sinnvolle Lösung ...
Flo und Finja sind übrigens trotz Regen seit einigen Stunden wieder draußen ;-)Und Krümel hatte ihre Nachtschicht so gegen 6 Uhr beendet.
Ach schade, dass es sich mit Murrer nicht besser findet!
Cäsar kommt im Moment weniger, wohl, da seine beiden Bezugspersonen jetzt wieder Zuhause sind. Frau mit Hund ist ihm wohl doch manchmal zu stressig - bzw. er kommt dabei vielleicht auch manchmal für seinen eschmack zu kurz ...
Ja, die Zeit auf dem Balkon, die Geschichte, die maritime Deko im Wohn-/Schlafraum, und die Ergänzung unserer Ole-West-Sammlung war tatsächlich für mich - und hoffentlich auch für Wolfgang - der perfekte Urlaubsersatz. Wobei ich ja schon irgendwo in einem der Posts auf Insta/FB geschrieben habe, dass ich Urlaub schon seit Jahren nicht vermisse. Und stattdessen lieber noch so lange wie möglich Haus & Garten mit unseren Katzen ausnutze :-)
In dem Zusammenhang: Deine Wohngeschichte hat mich wirklichsehr bewegt! Ich habe inzwischen auch die anderen Geschichten gestern mal in Ruhe gelesen. Was für eine andere Welt im Vergleich zu Deiner! Aber mal wieder typisch - alle Frauen wollen sich durch die Teilnahme eigentlich nur selbst verkaufen. Und dann eben diese Fallhöhe zu Dir ...
Wenn es nicht so viel Zeit kosten würde, hätte ich ja Lust unsere Wohngeschichte mit diesem Haus aufzuschreiben. So mit ohne Heizung bei -5°. Und dem Türaufreißen im Wintergarten bei Frost, damit wir kein Tauwasser im Dach bekommen. Ach ja, und über das Mauswiesel in der Zimmerdecke, das nachts über unserem Betthaupt kraspelt ;-) Ich glaube, ich tue es mir als zusätzliches Kontrastprogramm - ähnlich zu Deinem - vielleicht doch noch an. So es dort in Zukunft noch weitere Wohngespräche gibt. Schade fand ich nur für Dich, dass keine der Frauen, die dort unter Deinem Text einen Kommentar hinterließen, auch mal unter Deinen Hagebutten oder so kommentierte. Hast Du wenigstens in Deiner Statistik gesehen, dass jemand von dem Post den Link zu Deinem Blog nutzte? Ich habe das Gefühl, dass Deine Welt zwar mal ein Blick über den Tellerrand war, aber eben halt nur mal für einen Moment :-(
Wir fanden Deinen Mut und die Art Dein Leben, das Häuschen etc. so zu beschreiben, wirklich toll und angenehm zu lesen!
So, jetzt poste ich mal noch etwas auf Insta weiter, damit ich irgendwann mal Wolfgangs großen Dino-Aufbau zum Wettbewerbs-Beitrag zeigen kann. Ich hinke nämlich nach der kurzen Halloween-Einlage immer noch mit meinen Posts am 17. September fest ...
Dann wünsche ich Euch einen gemütlichen = nicht zu naß-kalten Tag
LG Silke
Kommentar veröffentlichen