Montag, 1. Januar 2024

Stößchen!

 

Albert fühlt sich wie ein matter, schwerer Plumpssack in seinem Sessel. Es sind nur noch wenige Minuten vor Mitternacht und eigentlich soll der Topf mit Linsen auf dem Tisch noch leer werden. Wenigstens hat er keine Linse auf dem Teller gelassen.
 
Victoria hätte gern schon einen Käseschnitz aus ihrem Kabinett genascht. Aber so lange noch Linsen da sind, ist das zu gefährlich. Denn Käse schließt schließlich den Magen.

Es ist fünf vor zwölf! Victoria seufzt. Das mit dem weiteren Wohlstand können sie vergessen. Auch wenn jede gegessene Linse an Silvester doch einen Taler oder eine Lire im neuen Jahr bringt. Weil die Tradition wohl aus Italien kommt. Aber diese Linsen im Topf schaffen die beiden Mäuse in dem alten Jahr nicht mehr. Und dann bleibt noch die Frage des Umrechnungskurses von Taler in Euro.
 
Albert ist erleichtert. Mehr Reichtum verkraftet sein Magen heute nicht mehr. Und muss doch nicht sein: War die große Standuhr doch Victorias letzte Anschaffung. Nur weil sie fand, ihr Wohnzimmer "sei ein bisschen aus der Zeit gefallen."

Jetzt hätten sie fast Neujahr verpasst. Albert wälzt sich hastig aus dem Sessel, um mit Victoria vor der neuen Uhr die Gläser für 2024 klingen zu lassen. "Stößchen!" Fast perfekt. Victoria lächelt. Im nächsten Jahr bekommt sie ihren Albert endlich dazu, dass aus dem ollen Rhabarberwein doch noch ein feinperliger Sektkelch wird.

Idee: SchneiderHein


Da das Thema Linseneintopf zu Silvester nicht überall gebräuchlich ist, hier also doch mal wieder die Erklärung: Wie und wann der Brauch jedoch von Italien nach Braunschweig kam, ist weder meiner Mutter aus der Kindheit bekannt, noch habe ich etwas über diese Tradition in Braunschweig herausgefunden. Allerdings scheint sie in Süddeutschland auch häufiger vertreten zu sein.

Den Ursprung scheint diese Tradition jedoch in Italien zu haben. Dort sollen die kleinen Linsen kurz vor Mitternacht als Eintopf gegessen kleine Münzen symbolisieren. Sie stehen also für Geld, und bringen hoffentlich Reichtum für das nächste Jahr. Und je mehr man von den Hülsenfrüchten ist, umso besser ...

Nachdem ich heute mit meiner Mutter mal wieder vesucht hatte herauszufinden, seit wann sie den Brauch kennt, war sie der Meinung, dass sie die Linsen zu Silvester mindestens seit Anfang der 40er kennt. Allerdings kennen wir die Version sogar noch mit 1 Linse = 1 Taler = 3 DM. Der Ursprung muss also noch viel weiter in der Vergangenheit liegen. Vielleicht kommt dieses 'Muss' auch von der Familie meiner Großmutter - aus dem kleinen Dorf Geitelde in der Nähe von Braunschweig. Oder von meinem Großvater, der in Braunschweig aufgewachsen ist. Doch eventuell liegt der Ursprung ganz woanders - als meine Mutter und Großmutter im Krieg in einem kleinen Ort am Rande vom Elm bei dem Pastor evakuiert waren. Denn da brachte die Pastorenfrau zum Silvester-Mittagessen jedes Jahr den Linseneintopf auf den Tisch.

Aber in unserer Familie wurde dieser Brauch wohl sogar noch etwas verschärft: Es durfte keine Linse übrig bleiben, denn dann wäre man im nächsten Jahr verschwenderisch. Also mußten Serviergeschirr, Bestecke, Teller und Topf genau kontrolliert werden. Es durfte keine Linse daran kleben bleiben und so plötzlich im Abwasch landen.

Wolfgang hat diese Tradition gleich im ersten Jahr, als wir uns 1986 kennengelernt hatten, gerne übernommen. Und wir konnten uns bisher nicht beklagen. Auch wenn es seitdem das ein oder andere Jahr mit unerfreulichen oder unnötigen Ausgaben gab. Aber wir konnten sie zumindest bezahlen.

Unsere Studienfreunde in den Folgejahren zum langweiligen Silvester mit Linseneintopf einzuladen wurde nur mäßig angenommen. Und seit 2001 feiern wir wegen unserer grauen Katzenmädchen ohnehin nahezu alleine. Seitdem schlagen wir uns lieber den Bauch mit Linsen voll, damit unsere Katzenmädchen auch im nächsten Jahr noch genug Futterauswahl haben.

Was nun in diesem Jahr mit Albert und Victoria geschieht, ist spannend. Denn eigentlich haben sie ja große Sammlungen und brauchen auch den entsprechenden Platz dafür. Ob es wegen der restlichen Linsen im Topf und auf den Tellern jetzt Probleme gibt? Andererseits sind das ja gar keine richtigen Reste, denn die Linsen sind eingegossen und gehören zu unserer gesammelten Miniaturenwelt, in der es sogar Teller mit Essensresten gibt ...


5 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

Guten Morgen ihr Lieben,
ich bin siet gestern endlich auch wieder im Bloggerland zurück!
Ich wünsche Euch und Euren Lieben ein gutes, frohes, zufriedenes und vor allem gesundes Neues Jahr!
♥Allerliebste Grüße, Claudia♥

Anonym hat gesagt…

Ein Stößchen auf Victoria und Albert! Und auf ihr gemütliches Wohnzimmer! Eine edle Standuhr, Bücherschrank und Käsevitrine, Weihnachtsbaum und reichgedeckte Tische mit Silvesterspezialitäten… da würde man selbst gern Platz nehmen in einem der bequemen Sessel und mit den beiden anstoßen … egal ob mit Rhabarberwein oder feinperligem Sekt ;-)
Liebe Silke und lieber Wolfgang, da ich durch den Post mit den XXXLStiefeln jetzt eine bessere Vorstellung von den Größenverhältnissen habe, kann ich kaum glauben, was es alles in der kleinen Heldenwelt gibt: Sogar Linseneintopf mit Würstchen und Kekse mit Glückssymbolen ;-) Danke für den lustigen Jahreswechsel und euch beiden nochmal alles erdenklich Gute fürs Neue Jahr, liebe Grüße, Manu

SchneiderHein hat gesagt…

@ Claudia
Ja, ich hatte Dich zufällig über die Linkliste vom Elfenrosengarten entdeckt, und bin ja auch gleich gerne zu Dir rübergehüpft ;-)

Hier im Bloggerland finde ich es viel bequemer als auf FB. Wolfgang & ich können uns damit einfach nicht anfreunden. Da tummeln wir uns lieber auf Insta und posten auf FB nur automatisch den Teil mit. Aber im Herzen werden wir wohl immer Blogger bleiben. Auch wenn so viele Blogger leider leider nach der DSGVO abgewandert sind ...

Jetzt lesen wir uns hoffentlich wieder mehr!
Liebe Grüße zum neuen Jahr!

Wolfgang & Silke

SchneiderHein hat gesagt…

@ Manu
Ja, die edle Standuhr hatte es mir vor einigen Wochen angetan. Plötzlich hatte Ebay die Idee sie mir zu zeigen. Und mit etwas Glück bekam ich die Millenium-Uhr dann für unseren Bären-/Mäuse-Fundus zu einem akzeptablen Preis. Nur hatte ich mal wieder Mühe Wolfgang dahin zu treeiben, dass an Silvester nun noch schnell der Post entstand. Obwohl die Ur schon seit einigen Wochen im Haus war ...
Aber wir hatten plötzlich mit unseren Katzenmädchen Silvester bis 21:30 Uhr verschlafen. Und bis Wolfgang wach wure, wurde es zeitlich verdammt eng. Zumal Cäsar ja auch noch rechtzeitig betüddelt und versorgt werden mußte.

Die Story, die sich zufällig noch einen Tag vor Silvester ergab, und in der Zeit so gegen Nachmittag spielen sollte, haben wir nun auf Neujahr verschoben = Wolfgang war gegen 20 Uhr gestern endlich fit genug die Story aufzubauen, zu fotografieren und nun füllt sich wohl gerade die Cloud mit den Bildern ... Also bleiben wir uns 2024 auch treu: wir hinken der Zeit immer ein bischen hinterher ;-(

Aber, da Wir unseren riesen Pott Linsen im Vrgleich zu unseren Mäusen termingerecht bis 24 Uhr geleert haben, wird sich alles andere hoffentlich finden ...

Wir hoffen Ihr seid gut im neuen Jahr angekommen!

Ich werde mich jetzt mal aufraffen und endlich bei Insta den 2. Weihnachtstag weiterposten. Ich bin zwar seit kurz nach Mitternacht wieder wach, aber bis jetzt bot sich noch eine Gelegenheit ...
Ich wünsche Dir einen schönen Tag!
LG Silke

SchneiderHein hat gesagt…

@ Manu
Zum Posten bin ich zwar noch immer nicht ekommen, aber mir war plötzlich danach das Thema Linsen zu Silvester hier im Post zu ergänzen, da ich meine Mutter gestern dazu befragte. Jetzt ist meine Familien-Tradition hier endlich mal richtig festgehalten. Denn Wolfgang hat in seinem Post das Thema ja nur angedeutet ;-)