Sir Hopsalot drückt sich in den harten Plastiksessel. Das ist doch ein ganz billiger Budenzauber. Wahrsagen aus der Kristallkugel - wenn das mal nicht von A-Z erfunden ist.
Was soll dieser fusseliger Zipfelschrat schon von dem aufregenden Hasenlauf wissen, den Sir Hopsalot jeden Tag auf's Neue hinlegt.
Doch dann haut es den Hasen fast vom Sessel. "Ich sehe viel Bewegung in ihrem Leben. Und das mit hoher Geschwindigkeit." Das rote Männlein beugt sich nach vorn, um sich tief in die Reflexionen der Glaskugel zu versenken. "Das neue Jahr bringt große Veränderungen. Die meisten von A nach B … und dann sausen Sie mit fliegenden Ohren nach C und immer weiter im Alphabet …" Das ist doch ein Wunder. Woher weiß das Hutzelchen all diese tollen Dinge?
Der kleine grüne Drache zeigt aufgeregt auf sein Schmart-Foon in der Klaue. Das ist doch das wahre Wunderding, das alles kann. Alladin nuckelt für Wunder lieber an der Wasserpfeife oder reibt gleich die güldene Blechkanne.
Den nächsten Teil seiner Zukunft findet der Hase eher ermüdend. Was interessieren ihn Aszendenten, Häuser und Dekane oder Sonne, Mond und Sterne und dann noch unbekannte Widder, gegenläufige Krebse und anderes Viehzeug? Er will lieber wieder etwas über das Pesen, das Rasen und das Davoneilen hören.
"Ich nehme diese ganzen Sausedinge und zwar sofort." Der Hase will das Ganze abkürzen. "Ich habe ja nicht so viel Zeit, wenn ich gleich mit Riesenschritten ins neue Jahr stürmen muss."
Doch dann haut es in wieder aus den Latschen. So funktioniert die Wahrsagerei nicht … "Das Leben nimmt seinen Lauf." Lauf ist ja schon gut, Rennen wäre noch besser.
Der weise Bär erklärt ihm, die Zukunft kommt im eigenem Tempo. Es wird künftig auch mal schnell und aufregend werden. Aber wann und wie entscheidet das Schicksal und kein hektischer Hase.
"Und das steht da drin." Sir Hopsalot würde die Kugel am liebsten schütteln. Vielleicht rieseln dann die tollen Abenteuer von 2019 nach unten. Wie bei einer Schneekugel. Und dann können die ja gleich ab dem neuen Jahr durchstarten. Er ist auf jeden Fall bereit.
Doch es hilft nichts. Keine wahnwitzige Geschwindigkeit überfällt den Hasen und es saust keine verirrte Feuerwerks-Rakete durch den Raum, die er sofort entern könnte. "Ich muss weg. Wenn die Zukunft so trödelt, kann ich nicht warten." Sir Hopsalot stürmt davon.
Der alte Wahrsager schüttelt den Kopf und pocht hart mit dem Stab auf den Boden. Das passiert ihm in letzter Zeit immer häufiger. In der heutigen Zeit der "Sofortness" müssen alle Erwartungen immer pronto befriedigt werden. Sonst stürmen die neuen Hektiker gleich zum nächsten Angebot. Vielleicht klappt es dort ja mit Instant-Glück und Gleich-Zufriedenheit.
Das war wohl der letzte Eil-Kunde in diesem Jahr. Der Sekt ist kalt gestellt und die Knallbonbons warten für schnelle Sofort-Freuden.
Fotos: W.Hein
8 Kommentare:
Ja, immer diese "Sofortness" in der heutigen Zeit :-) da schreib ich jetzt sofort und noch vor dem Frühstück: Danke für eure Rückmeldung und die witzige Geschichte zum Neujahrsmorgen ;-) Startet gut und ganz entschleunigt in den Tag, nochmal alles alles Gute für 2019, liebe Grüße Manu
Liebe Manu,
nun meine Reaktionen auf die Kommentare ist bestenfalls "Baldness" und nur selten "Sofortness". Aber mein Verhältnis dazu ist wie bei den meisten Modernismen ein zwiespältiges. Natürlich geniesse ich die Möglichkeiten der Sofort-Verfügbarkeit und der direkten Transaktionen. Irgendwelche Bestellungen, die eine lange Dunkelphase ohne Status haben foltern auch mich. So wie ich beim analogen Einkauf auch alles direkt im Einkaufswagen will und nicht wie im neuen Buchhandel heute bestellen und morgen abholen möchte… Auf der anderen Seite ist die Kurzatmigkeit und die geringe Aufmerksamkeitsspanne der neuen "User", die aus der Erwartung von "hier, sofort, butz" resultieren,sind auch stressig und frustrierend. Auf jeden Fall ist es beim Leben oft ein Vorteil, dass nicht alles sofort kommt. Wo bliebe sonst die Vorfreude? Und es gibt ja auch Teile des Lebens, die man gern weit aufschieben würde und froh ist, dass die Ankunft noch unbestimmt ist. Da hat jeder seine eigene Liste…
LG Wolfgang
PS: Die Entschleunigung hat so gut funktioniert, dass die Terminpläne der nächsten Tage nun wieder etwas dichter sind ;-)
Guten Morgen und ein Frohes Neues Jahr, liebe Silke udn Wolfgang!
Gleich schon wieder eine so tolle Geschichte, auch wenn sie ein Geschehniss aus dem Alten Jahr noch zeigt!
Entschleunigen, das hab ich gestern auch gemacht und den PC ausgelassen ;O) Jetzt hat uns der Alltag wieder ...
Ich wünsche Euch einen schönen Wochenteiler !🍀
♥ Allerliebste Grüße, Claudia ♥
Oh ein Wahrsager, ja den hätten wir auch gern konsultiert! Aber vielleicht kann unser Katzenengel ja Karten legen, wir glaubem, bei der Frau welche gesehen zu haben, nur benutzt sie die nicht, sie schaut sich höchstens mal die Bilder an -
Wir wünschen allen Bären, Hasen, Katzen und Zweibeinern ein schönes neues Jahr, was bei allem Sausewind auch Zeit zu Innerhalten bereit hält - wir beide, Brumm und Zebedäus - sind eher gemütliche Tiere
(und wir freuen uns, hier zu schauen und zu lesen)
Lieber Wolfgang, Danke für Sofortness-Antwort ;-) Du sprichst da wahre und weise Worte ganz gelassen aus!! Das ewige Gschiss mit Terminen und ToDoes, die man sich selber gar nicht aussucht und das ständige Multitasking, am besten rund um die Uhr ... immer mehr, immer schneller ... obwohl man lieber eine andere Richtung einschlagen möchte! Da kann ich euch jetzt nur wünschen, dass die zwei kommenden Werktage schnell vorbeigehen und ihr am Wochenende wieder Zeit zum Entschleunigen ;-) findet! Liebe Grüße zurück an dich und Silke, Manu :-)
Sofortness ist ein gutes Wort, es beschreibt den Zustand unserer Gesellschaft recht gut, witzig finde ich auch, dass man für die Zukunft keine Zeit mehr hat. Insgesamt eine sehr schöne Geschichte, die sehr gut erzählt ist.
Ich wünsche Dir noch eine schöne Restwoche.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
ach ich liebe ja die Details - wie süß sind denn die Rosensessel?
Sir Hopsalot erfährt also seine Zukunft von Hutzelchen.... na ja - es hört sich ja
toll an am Anfang - aber dann ist es ihm mal wieder zu langweilig - doch auch er muss sich seinem Schicksal beugen - wie wir alle - es geht einfach nicht immer im Eiltempo - und das ist auch gut so -
der kleine grüne Drache besitzt sogar ein Schmart-Foon - wow -
ja dieses Ding hält auch mich immer in Atem - will ich doch für die Familie immer und sofort erreichbar sein -
aber ich versuche doch immer, mir kleine Auszeiten zu nehmen - allein Gassigehen mit Luna entschleunigt mich - und das Schmusen mit meiner kleinen Enkelin -
ich wünsche euch viele Momente ohne Hektik -
alles Liebe - Ruth.
@ Claudia
Bei der Beantwortung der Kommentare habe ich mich extrem entschleunigt ;-) Jetzt auch Dir noch einmal ein gutes Jahr und viele Anlässe für einen Besuch hier. Auch wenn die Retorte im Moment noch mithelfen muss...
@ Mascha
Ich freue mich, wenn Brumm und Zebedäus bei den vielen spannenden Büchern und Geschichten in Deinem Haus noch Zeit finden hier mitzulesen. Hat der Katzenengel noch mitgespielt und nicht nur die Bilder betrachtet? Wer die Wahrsagerei aber so oberflächlich konsumiert wie Sir Hopsalot, dem reicht dann sicher auch nur der Ausblick auf die nächsten 14 Tage.
@ Manu
Da bist Du ganz allein in die gleiche Richtung gelaufen, die ich bisher nur angedeutet habe. Oh ja, Sofortness bedeutet für deren "Lieferanten" in der Regel Stress und bisweilen Fremdbestimmung. Wobei es Menschen geben soll, die das genießen und Multitasking nicht für die Fiktion des hektischen Umschaltens halten ;-)
@ Wolfgang
Danke für das Lob und den Gleichklang der Vorstellungen. Wobei die Federn für "Sofortness" gehören Sascha Lobo, der in einer Kolumne den Begriff genutzt hat, um die aktuelle Erwartungshaltung der Menschen zu beschreiben. Das war bei ihm allerdings noch sehr wertfrei und eher als Aufforderung gedacht, sich den geänderten Anforderungen der neuen Zeit zu stellen.
@ Ruth
Das Smartphone ist wirklich gut darin, das Leben zu beschleunigen. deshalb ist das bewusste Ignorieren für selbstbestimmte Auszeiten inzwischen eine Fähigkeit, die man sich wieder zurück erobern und nicht hoch genug einschätzen kann. Ich glaube zwar, dass für eine bestimmte Teilhabe an der Gesellschaft der Verzicht auf ein Smartphone ein aussichtslose Unterfangen wird, weil immer mehr alltägliche Handlungen plötzlich ein Smartphone voraussetzen. Aber das komplette Diktat, das uns die lieben Anbieter von Geräten, Apps und Diensten immer wieder im Komfortgewand andienen, führt nicht zum glücklicheren Leben. Und jedes mal die Grenze zu finden, ist auch keine leichte Aufgabe. Gut, wenn man wie Du, seine Kraftinseln schon kennt.
LG
Wolfgang
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