Im Exil der Hotelsuite seiner Majestät 'Leonidas der Erste ohne Land' ist es nach dem Ostertrubel schon seit Wochen ruhig geblieben. So ruhig, dass sogar der Staub sich träge um die Glasränder legt. Ein Umstand, den die Hoheit mit einem überaus übersichtlichen Terminkalender durchaus geniesst.
Der Kammerherr legt die Dreieck-Schablone auf den Tisch und ordnet die Kugeln für ein neues Spiel. Schon seit einigen Tage füllen der König und er die sonst so öden Stunden spielend am Billardtisch.
Seine Majestät wartet, dass der Tisch bereitet ist, bevor er den ersten Anstoß macht. "Woher kommt eigentlich das Billard, Eure Majestät?" Der Kammerherr wundert sich schon länger. Eigentlich als plötzlich einige maulfaule Möbelpacker das schwere Möbel an einem Morgen in die Suite gewuchtet haben. "Ach das ist nur eine Leihgabe." Leonidas winkt etwas gelangweilt ab: "Die Inhaber von diesem Billardgeschäft wollen, dass ich ihren Tisch königlich empfehle."
Der Kammerherr ist froh, dass der König für das Billard sein letztes Hobby aufgegeben hat. Mit dem Teleskop blickte er davor stundenlang in die Nachbarfenster der umliegenden Häuser. Ob dort das Leben auch so langweilig sei? Seit dieser Zeit sind bei einigen Fenstern ständig die Vorhänge zugezogen und der Kammerherr musste ihrer Majestät erklären, was ein 'Stinkefinger' ist.
Der Kammerherr bemerkt mal wieder die abgegessenen Teller, die auf dem Esstisch vor sich hintrocknen. Keiner räumt hier ab – dabei wieseln gerade drei Pagen durch das Nachbarzimmer.
Der König schüttelt träge das Haupt. Der Kammerherr liegt vollkommen falsch: "Das sind keine Pagen, Das ist meine 'Leih-Security', die ich auch testen soll." Dem Angebot eines Wachdienstes konnte der König nicht widerstehen. Schließlich hat er die Sicherheitsfirma selbst auf die Idee gebracht. Ein König ohne Leibwache ist undenkbar und die Empfehlung als königliche Leibstandarte ist doch pures Gold für jedes Geschäft. Dafür müssen die schwarz gekleideten Herren aber erst mal ein paar Wochen ihre Eignung beweisen. Sie sollen unauffällig im Hintergrund bleiben und sich als Hotelbedienstete tarnen. Aber als solche arbeiten müssen sie deshalb noch lange nicht.
Allein es fehlt dem König etwas Taschengeld. Der Monarch betrachtet die Silberwaren in der Vitrine. Das wären doch ideale Leihgaben an den Pfandleiher. Wie schon einiges anderes aus der Vitrine oder von den Wänden. Das Hotelzimmer war beim Einzug schon etwas vollgestopft und hier würde es doch nur staubig, wenn kein Schwarzrock putzt. Leonidas ist sicher, dass das Hotel bei seiner Abreise alles gern wieder auslösen wird.
Der Kammerherr schluckt schweigend seine Bedenken. Lieber möchte er wissen, wie Leonidas all diese Sachen bekommt. "Ihr seid ein großer Influenzer?" Der König wehrt ab: "Influenzer? Ich habe doch keine Grippe!" Seine Majestät will nicht verstehen: "Nicht Influenzia. Ihr seid ein Beeinflusser!" Leonidas nickt: "Oja, ich bin ein großer Beeinflusser. Deshalb kommt ja das ganze Zeug zu mir. Damit ich diese Geschäfte alle zu königlichen Hoflieferanten ernennen kann."
Das bietet doch ungeahnte Möglichkeiten für den Umsatz einer jeden Art von Geschäft. Das müssen natürlich alle wissen. Besonders die Firmen, die noch etwas loswerden wollen. Der König drängt seinen Kammerherrn sich an den Laptop des königlichen Hoflieferanten zu setzen. Seine Majestät hat ein eigenes Profil auf Facebook und Instagram, aber als Promi lässt er natürlich schreiben: "Los, ihr müsst meine Begeisterung für die Leibwache auf meine Seite im Zwischennetz stellen. Schreibt etwas Nettes darüber. Aber nicht so nett, dass sie gleich abgezogen werden."
Seine Majestät hat gewartet, dass der Tisch bereitet ist, bevor er nun den ersten Anstoß geben kann. Ob er will oder nicht, ein König muss immer beginnen: 'Prima impulsaris' – das ist sein Geburtsrecht als Hochwohlgeborener.
Der König überlegt nicht lange. Er ist ein impulsiver Spieler, der die weiße Kugel in das bunte Dreieck jagt, damit die Bälle in alle Richtungen davonspritzen.
Er hat Glück, schon ist die erste Kugel in einer Tasche versenkt. Auch der nächste Stoß sitzt. So ein Monarch ist eben ein Naturtalent, der locker den Spielstock tanzen lässt. Übung ist doch etwas für niedere Stände.
Doch dann verlässt den lässigen Spieler das Glück. Der rosa Ball verhungert vor dem Loch.
Der Kammerherr ist dran und muss sich wirklich Mühe geben. Er hat sich in seiner Jugend sein Studium am Billiardtisch verdient. Und muss nun so kunstvoll stoßen, dass alle Kugeln im Spiel bleiben.
Siegesgewiss greift der König wieder zu Spielstock. Da wird er ein leichtes Spiel haben. Hätte er, wenn er tatsächlich dabei einen Ball versenken würde.
So muss der Kammerherr wieder seine ganze Kunstfertigkeit aufbringen…
Leonidas ist sofort wieder auf die Siegerstraße. Es ist schon betrüblich, wie leicht er seinen Gegner vor sich her treibt. Der Kammerherr ist eigentlich zu ungeschickt, um auf Augenhöhe Paroli zu bieten. Aber mit den drei schwarzen Sicherheitsleuten kann er nicht spielen, da die ja praktisch gar nicht in der Suite sind.
Die Situation auf dem Grün bleibt etwas unübersichtlich. Keine der bunten Kugeln will nach dem hochherrschaftlichen Stoß in eine der sechs Taschen fallen. Selbst als Leonidas auf dem Recht des königlichen Zweitstoßes besteht. Wieder flippen die farbigen Kugel kreuz und quer über den Tisch und keine verschwindet. Es wird Zeit, den Kammernherrn nach seinen anderen Aufgaben zu befragen.
Der Kammerherr sollte ein königliches Wappen besorgen. Möglichst eindrucksvoll soll es sein – mit Löwen und Einhörnern und einer Krone auf dem Schild. Sein Diener hat gleich mehrere Entwürfe mitgebracht, da er immer noch nicht weiß, wozu der König diese ganze Heraldik benötigt.
"Das macht doch was her." Der Monarch hat schon einen Favoriten. Das prächtige Wappen steht doch sicher hervorragend auf dem weißem Lack einer Nobelkarosse. Er braucht dringend einen fahrbaren Untersatz und einen künftigen Hoflieferanten, der dafür gleich – weithin sichtbar – die königlichen Insignien aufbringt. So jemand sollte doch leicht zu finden sein.
"Dero Gnaden sollte das mir überlassen," Der Kammerherr fürchtet, dass da bald nicht nur muntere Pferdchen unter der Haube galoppieren – sonder auch neue Kosten. "Ich werde für eine angemessene Beförderung sorgen."
Es sind einfach zu viele Kugeln. Aber einem geliehenen Billiardtisch kann man nicht in die Taschen schauen. Es gibt leider nur einen löcherigen Pool und keinen noblen Karambolagenfilz. So stopfen sie beim nächsten Spiel die überzähligen Bälle in die Taschen und spielen nur noch mit drei klassischen Farben: Schwarz - Weiß- Rot.
Der König hat natürlich auch hier den Anstoß. Aber weniger Kugeln bedeuten nicht mehr Treffer. Die weiße Kugel saust über den Filz, wird von den Banden immer wieder zurückgeworfen, allein die beiden anderen Kugel bleiben unberührt.
So muss sich nun der Kammerherr bemühen, nicht zu viele Punkte zu machen. Er schickt die weiße Kugel ziellos über den Tisch. Doch berührt sie am Ende die Rote, die unglücklich die Schwarze trifft.
Er muss weiterspielen. Er könnte versuchen in den Filz zu stechen, um sich zu disqualifizieren. Der König achtet immer nur nachlässig auf des Spiel, wenn er warten muss. Aber der Kammerherr sollte sehen, dass der Tisch keinen Schaden nimmt. Schließlich müssen sie ihn unversehrt zurückgeben können. Wovon sollten sie ihn auch bezahlen, wenn auch dieser königliche Test endet?
Fotos: W.Hein
Die Geschichte hat einen langen Vorlauf. So läuft schon im Juli eine Katze durch die Räume – zum Glück ohne die 'Leihgaben' zu schädigen.
Fotos: W.Hein
Die Geschichte hat einen langen Vorlauf. So läuft schon im Juli eine Katze durch die Räume – zum Glück ohne die 'Leihgaben' zu schädigen.
3 Kommentare:
... nur ein Pool - aber ein komplexes Thema ;-) Löwensuper, dieser Moschnarch als Billardspieler und Influenzer und dazu ein Kammerherr, der den Stinkefinger zum Glück noch analog erklären kann. Leih-Gaben und Leih-Personal ... da fängt bei den witzigen Texten und Fotos wieder das Kopfkino an ... fehlt bloß noch Hella, um die trägen Staubränder wegzuwischen :-)
Die Entwürfe zum königlichen Wappen ... der Moschnarch hat offensichtlich auch gute Zeichner um sich und der Link zu einer Katze ;-) Da kann man mal wieder das Entstehen eines neuen Posts und die Größenverhältnisse erahnen und bestaunen, wie sorgsam und geschickt Flo unterwegs ist !
Danke fürs neue Abenteuer :-) und einen gutgelaunten Start in den September, liebe Grüße, Manu
Guten Morgen, ihr Lieben!
Danke für dieses wieder tolle und so herrlich gestaltete Abenteuer!
Das königliche Wappen, also den entwirf, den find ich auch toll, sehr gelungen für den Monarch ;O)
Ich wünsche Euch einen schönen Wochenstart!
♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥
Hallo zusammen,
vorab eine wichtige Information: Weder der Kammerherr noch ein anderes Mitglied unseres Haushaltes hat die prächtigen Wappen für Leonidas entworfen. Sie stammen von "Moloko88" und sind bei Shutterstock erhältlich. Mann muss sich nicht mit allen fremden Federn schmücken ;-)
@ Manu,
Wir werden mal fragen, ob Hella eine Stelle im Hotel annehmen will. So lange sie nicht zu den großzügigen Beschaffungsmethoden seiner Majestät arbeiten muss, könnte es klappen. Dabei würde die Putzsau wahrscheinlich noch nicht mal auf den Mindestlohn bestehen, gehört sie doch zu den 15 % aller Deutschen, die ihre tägliche Arbeit tatsächlich noch lieben.
@ Claudia,
wie an dem Loch zwischen der Katzenbegehung und der Veröffentlichung zu sehen, war das Gestalten weniger die Hürde denn das Betexten. Dafür geht es heute Nachmittag schon weiter.
Euch auch einen grandiosen Start in den September
Liebe Grüße
Wolfgang
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