Sonntag, 6. Mai 2018

Besenrein



'Putzmunter' ist Hella den ganzen Tag. Sie steht jetzt tagsüber die ganze Zeit im eigenen gleichnamigen Laden für Putzmittel, Besen und Haushaltshilfen, um als Reinigungsfachkraft den hereinkommenden Kunden mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können.

'Im Laden stehen' ist eigentlich nicht die richtige Berufbezeichnung für Hella. Denn untätiges Herumstehen ist nicht die Natur einer Putzsau. So schwingt sie in der kundenfreien Zeit eifrig den Staubwedel, putzt die Auslagen und Regale. Wie soll eine Expertin der Reinlichkeit mit ihrem Sortiment glänzen können, wenn alles eine feine Staubschicht bedecken würde?

Und dieser Staub ist dazu noch ein eifriger Gesell'. Er nutzt jede Minute, um alles, was dort steht und liegt, einhüllen zu können. Da hilft es nur, noch eifriger und schneller zu sein.

So führt Hella auch gern ihre Staubsauger im laufenden Betrieb vor. Die sacken den Staub gleich ein. (Damit Platz für neuen Staub wird.) Die Putzsau hängt jeden Tag am Gerät – auch am Wochenende. Deshalb verkauft sie aus eigener Erfahrung die Geräte gern im Doppelpack. Damit der Sauger auch farblich zur Einrichtung passt und im Notfall sofort das Ersatzgerät weitersaugen kann. Schon ein Flüchtigkeitsfehler beim hastigen Beutelwechsel kann die Arbeit von Tagen mit einer einzigen Staubwolke wieder zunichte machen.

Die Glocke klingelt, die Ladentür schwingt auf. Endlich kommen die ersten Kunden des Tages. Und es sind wirklich Kunden und niemand, der beim schönen Wetter ihre pinke Welt mit dem "Il Pinguino", der Eisdiele nebenan, verwechselt hat.

Aber ein bisschen merkwürdig sind die Ladenbesucher schon. SIe sind so aufgeräuscht und tragen etwas unpraktische Gewänder für den Hausputz. Hella bedauert, dass sie noch keinen Kleiderständer mit bunten Kittelschürzen aufgestellt hat. Diese eng geblümten Plastikkleider, die so bunt gemustert sind, dass kein Fleck darauf auffällt. Noch nicht einmal die Schweißflecken beim Hochleistungsputzen im Hochsommer.

Die Dame in Rot ist begeistert. "Der liegt gut in der Pfote." Sie lässt den Reisigbesen locker auf und ab schwingen. Zielsicher hat sie das Vintage-Modell aus der Auslage gezogen. Die Versuche von Hella, auf die modernen Reiniger mit Kabel und Stecker zu verweisen, hat sie gleich abgewimmelt.

Sie braucht keinen elektrischen Schnickschnack. Den kann ihre Putzfrau nehmen. Sie braucht einen neuen Reitbesen. Den Vorgänger hat sie auf der letzten Walpurgisnacht vor ein paar Tagen durchgetanzt. Mit dem abgerockten Teil kann sie sich beim nächsten Hexensabbat auf keinen Fall sehen lassen. Also muss Ersatz her und hier haben sie ja eine wahre Goldgrube entdeckt. Der Besen ist spottbillig, weil er ja für niedere Arbeiten angeboten wird. Dabei ist jeder Besen zu Höherem berufen und wird als Flugbesen zu horrenden Preisen im Internet angeprisen. Am Schlimmsten treiben es die Händler, die überall ein "Harry Potter geprüft'-Schild dranhängen.

Auch die anderen Besucher sind froh, wenn die grüne Hexe schon gute Laune hat, seit sie den Fuß in den Laden gesetzt hat. Die Flugaffen, Drachen und Magier wissen nur zu gut, wie viel Unheil gestiftet werden muss, wenn dunkle Wolken das Hexengemüt umschwirren. Und eben nur die eifrige Verteilung von Pech und Unheil eine schwarzgrüne Seele aufheitern kann.

Die grüne Unholdin muss sofort einen Probeflug machen. Das kann sie als Kundin wohl verlangen. Nicht, dass die Borsten sofort bei der ersten ruppigen Landung abknicken. Oder der Stiel in der ersten scharfen Kehre birst. So ein Fluggerät muss viel mehr aushalten können, als nur ebenerdig ein paar Ecken zu kehren und danach gemütlich im Besenschrank zu landen. Davon kann sie auch ihre holde Begleiterin nicht abbringen, die längst bemerkt hat, wie sehr Hella schon lange leidet.

Die hilfsbereite Ladeninhaberin ist hin und her gerissen. So schön es ist, endlich Kunden zu haben – müssen es gerade solche sein? Die mitten im Laden stehen und mit den armen Putzmitteln Löcher in die Luft stechen. Weil sie ständig den offenen Reisigkopf nach vorn stoßen: "Um zu sehen, dass die Borsten halten und sich nur sanft im Gegenwind biegen."

Ein Besen für Fernreisen? Hella mag es gar nicht, wenn ihre Putzmittel so zweckentfremdet werden. Am Liebsten würde sie ihre kostbaren Waren nur an diejenigen verkaufen, die damit wirklich putzen wollen. Kann sich sau nicht die Kunden aussuchen? Sie handverlesen vorlassen, wenn sie einen Termin vorab gemacht haben? Und muss sie jedes Geschäft mitnehmen, weil sie Schotter, Kohle und Kies für die eigene Schweinevilla braucht? Vielleicht sprechen alle ja deswegen auch vom dreckigen Geld. Das sie nimmt, auch wenn ihr Herz für den armen Besen blutet.


Fotos: W.Hein

Hella, die schwäbische Buntsau von Hanne Mahnke, wird noch schwere Stunden im Putzladen haben. Wenn zufriedene Kundinnen, wie die Oz-Hexen von Deb Canham, ihren Laden weiterempfehlen als Toppadresse für Hexenbedarf: "So günstig, eine echter Geheimtipp. Die haben ja keine Ahnung, was für Schätze sie dort verkaufen." Das wird sich schneller verbreiten, als Hella lieb sein kann. Die fliegenden Helfer der grünen Hexe kommen weit herum, kommen sie doch wie alle Geschöpfe von Deb Canam ursprünglich aus Amerika.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Hella :-) Zuerst hab ich deine neuen Fotos bewundert und nochmal die gut gefüllten Regale im pinken Putzshop, dann deine Texte gelesen ... und da geb ich dir Recht: "Bunte Kittelschürzen" waren mal echt kleidsame Klassiker ;-) die könntest du noch ins Sortiment aufnehmen .
Und dass der gute alte Reisigbesen zu Höherem berufen ist ... auch gut so ! Dadurch kommt ein ganz neuer Kundenkreis in deinen Shop, der sich nicht von Harry Potter beeindrucken lässt, sondern noch Ahnung hat vom echten Zaubern.
Hauptsache, dass die Dame in Rot Grün nicht nur Staub aufwirbelt, sondern deinen Putzmunter - Shop weiter empfiehlt !
Freu mich auf weitere Posts von dir und wünsch dir viel Schotter für deine Schweinevilla !
P.S. War wie immer viel Spaß und Schmunzeln beim neuen Post ... Liebe Grüße an euch und schöne Tage, Manu

heinwerken hat gesagt…

Liebe Manu,
da bist Du ein Opfer der Umstellung zur neuen Datenschutzverordnung geworden. Die Kommentare müssen demnächst von uns erst freigeschaltet werden, um eine bessere Kontrolle zu bekommen. Deshalb erscheinen sie leider nicht mehr sofort .-(
Deshalb hast Du es offensichtlich 4mal versucht, den Kommentar durchzubekommen. Und so gern wir Kommentare bekommen, habe ich doch drei Versionen wieder gelöscht ;-)

LG Wolfgang

Anonym hat gesagt…

;-))) Ich dachte schon, dass es an meiner Beweisführung KEIN ROBOT liegt. Jetzt weiß ich Bescheid, Danke fürs Löschen ... auch dieser Kommentar kann gern gelöscht werden :-)
Euch noch eine schöne Restwoche, wie immer herzliche Grüße, Manu