Der Flug der schwangeren Ente

Heute hat der Vollmatrose Ruprecht wieder ganz lange Socken an. Anna wartet schon eine gefühlte Ewigkeit auf der beleuchteten Startbahn, bis endlich schlaftrunken ein alter Seebär auftaucht. Wenn er sich nicht bald seinen Flughobel schwingt, wird er viel zu spät zum Nordpol aufbrechen.

"Reddie foor Teek-off für 'Fleiht Ruprecht Woon'," nuschelt der müde Zausel, während er die ersten Knöpfe drückt, um den Raketenmotor zu zünden. "Starterlaubnis erteilt!" ruft Anna und beeilt sich die Piste frei zu geben. Es ist zwar noch vor Sonnenaufgang, aber sie hinken dem Zeitplan schon heftig hinterher. Aber schneller hat sie den fliegenden Geschenkeboten heute nicht aus den Federn bekommen.

"Alter Mann ist doch kein D-Zug," brummelt der so Gescholtene, "sondern Raketenflieger." Dann wird er halt einen Zahn zulegen, wenn er endlich in der Luft ist. 

Hoffentlich verfliegt er sich nicht wieder. Anna hat ein Jahr lang diesen Flug zu den Geschenken für die kleinen Bären vorbereitet. Jetzt beißt sie sich nervös auf die Lippe und zwingt sich gleichzeitig, dem Flieger freudig hinterher zu winken.

Die Polsause beschleunigt rasant auf Startgeschwindigkeit. Wenn der Zausel gleich abhebt, kann sie nur warten, bis sich Flug 'Vollmatrose Ruprecht' beim nächsten Zwischenstopp meldet. Sie hätte kontrollieren sollen, ob er die Tankkarte eingesteckt hat. Der Raketenschlitten säuft den V1000-Super-Treibstoff wie ein ausgedörrter Schützenverein im sonnendurchfluteten Bierzelt die eiskalten Lütje Lagen niederkämpft. Um die wieder liegengebliebenen Wunschzettel wird sie sich auch noch kümmern.

Für 'Fleit Ruprecht Won' beginnt jetzt der wilde Ritt über die Planken. Der Nachbrenner ist zugeschaltet und jede Bodenwelle und jeder getrocknete Vogelschiss schlagen über die brettharte Federung bis zum Piloten durch. Der muss sich an den Handgriffe gut festkrallen ...

... bevor die rote Rakete am Ende der Fahrbahn träge abhebt wie eine schwangere Ente, die in die Morgendämmerung fliegt.

Die kleinen Bären kommen zu spät. Da haben sie sich schon so früh aus den Federn gequält, im Bad nur eine Katzenwäsche veranstaltet. Und jetzt ist der alte Seebär schon weg. Dabei wollte das Navi ihm noch einmal den Weg erklären. Und der Neffe hätte gern seinem Onkel steife Ohren und immer eine Pfote Luft unter dem Raketenkiel gewünscht.

Doch Anna tröstet die beiden. Der Düsenflieger muss ja bald wieder zurück kommen. Morgen Abend ist doch schon die große Bescherung. "Hoffentlich," murmelt die große Bärin leise, "sonst wird es nur eine schöne Bescherung."

Der kleine Anorakbär kratzt sich hintern Ohr. "Was machen wir jetzt?" Die Miezen noch mal waschen? "Och nöh, wir gehen rein und holen uns ein Nutellabrot und eine heiße Milch mit Honig." Frühstücken kann bär auch dann, wenn alles so furchtbar aufregend ist, weil doch bald Weihnachten ist.

Fotos: W.Hein

Eigentlich sollte es wieder nur ein Bild geben und alles ganz schnell gehen. So schnell, dass gestern erst einmal eine richtige Start- und Landebahn ausgeleuchtet wurde. Dann musste heute schon im ersten Zwielicht der Seebär zur großen Geschenkemission starten. Und weil der Feuerschweif an der Rakete so schön ist, sind es natürlich wieder mehr Bilder geworden. Also noch schnell erwähnt, dass Anna eine Kathleen Wallace-Bärin ist, das Navi ist ein Bär aus dem Flecker Wald, der alte Seebär und der Neffe sind Amadoribären. 

Anna hat noch viel bis zur Rückkehr des Seebärs zu tun und muss sich jetzt endlich um die Geschenke im Haus kümmern ...