Samstag, 24. September 2011

Kopfüber



Es hätte alles viel schlimmer kommen können. Vor sechs Tagen sind Samuel und Starbuck im Spätfrühling in Australien in den Karton geklettert und um die halbe Welt geflogen. Jetzt sind sie endlich im herbstlichen Wildwuchsgarten angekommen und stellen fest: Zum Glück ist das Wetter hier nicht ganz so kalt und zugig wie sie erst vermutet hatten. Wer weiß denn schon vorher, wie es auf der anderen Seite der Erde aussieht ...
  
Auf Kangeroo Island vor der Küste Westaustraliens konnte Ihnen keiner sagen, was die beiden erwarten würde. Es ist hier viel grüner ... aber nicht viel kälter als die letzten milden Winterwochen zuhause. Es ist schon merkwürdig, dass jemand im Internet von irgendwoher kommen und sagen kann, ihr Bären fliegt jetzt nach Deutschland! Sie sollten nur langsam aus dem Karton steigen, denn der ist mit der Zeit ziemlich eng geworden.

 Nun gibt es wieder Luft und Bewegung. Oft genug hatte Samuel in den letzten Tagen Starbucks Fuß im Gesicht oder umgekehrt der zimtfarbene Bär eine Müffel-Tatze vor der Schnauze. Die beiden Bären recken und strecken die steifen Glieder, vertreten sich die Beine und lassen die Arme kreisen.

Erstaunlicherweise steht in Deutschland doch nicht alles Kopf. Die beiden Australier hatten schon befürchtet, dass sie hier auf der anderen Seite der Erde alles mit der Bärenschnauze nach unten machen müssten. Und sie sich besser mit beiden Pfoten gut festhalten sollten, damit sie nicht von der Erde runterfallen. Das haben sie in den letzten Tagen daheim auf der Kängeruh-Insel noch eifrig geübt.

So haben sie minutenlang am Strand die Beine in den Himmel gereckt. Die anderen Hampton-Bären haben sich schon gewundert, warum die Reisebären nach Seilen, Pickel, Steigeisen und Bodenankern gefragt haben, als sie in den Karton steigen sollten. Zur Sicherheit haben sie auch überprüft, dass man Honig auch kopfüber aufschlecken und runterschlucken kann. Hoffentlich gibt es hier überhaupt Wildwuchsblütenhonig.

Starbuck stellt sich wieder auf beide Pfoten. Er kann den Honig suchen, ohne sich überall krampfhaft festklammern müssen. Die Schwerkraft wirkt zum Glück überall auf der Erde. Das macht das Leben für alle Bären überall auf der Weltkugel wirklich einfacher. Sie hatten auch geglaubt, diese Pläne, die Eisbären auf den Südpol zu bringen, hätten damit zu tun, dass die Polarbären nicht aus Versehen ins Weltall fallen sollten, wenn ihre Pfoten nicht mehr vom dahin schmelzenden Eis gehalten werden.

Die Schwerkraft lässt auch Samuel glücklich auf den Rücken purzeln, als er sich vom Tatzenstand abrollt. Es hätte alles wirklich viel schlimmer kommen können. Sie sollten den anderen Bären in Australien eine Nachricht zukommen lassen, dass man gefahrlos hinaus in die Welt fahren kann. Und Ihre Mutter sollte wissen, dass künftige Bären doch keine Saugnapfpfoten brauchen.

"Und was machen wir jetzt?" Der helle Bär bleibt noch einen Moment auf dem Rücken liegen. Honig suchen? Mit den anderen Bären im Haus sprechen? Wenn man die überhaupt versteht! Oder doch noch die Sonne hier draußen ausnutzen?

Zuerst erleben sie noch einmal den großen Flug. Sie breiten ihre Arme aus und sausen mit brubbelnden Lippen ziemlich laut durch den Garten. Für den Flug von Australien mussten sie einen richtig großen Flieger nehmen: Der ist ja auch unterwegs über ganze Ozeane gehüpft.

Sie bleiben lieber auf dem Steg und versuchen nicht über den Gartenteich zu springen. Aber so ein Jumbo ist ganz schön unhandlich. Deshalb poltert wenig später der Frachtkarton über die Steine, als Starbuck eine weite Kehre fliegen muss.

Aber stoppen kann er deswegen noch lange nicht, sonst würde der Pelzflieger ja abstürzen. Die Flügel sind pfeilförmig nach hinten gereckt, damit der Zimtpetz schneller fliegen kann. Sonst geht der Honigvorrat im Tank, äh Bärenbauch zu Ende, bevor er die Landebahn erreicht.

Sind wir schon da? Ist es noch weit? Samuel ist nicht sicher, ob er genug Honig getankt für einen Langstreckenflug hat. Vielleicht sollte er eine Zwischenlandung am Vorratsschrank einlegen? Oder ob es schon eine Luftbetankung mit einen langen Saugschlauch gibt? Er wird mal über Funk nachfragen, wer hier für die fliegenden Honigtanker zuständig ist ... 

Starbuck fliegt da noch eine Runde durch den Wildwuchsgarten.


Fotos: SchneiderHein

Samuel und Starbuck sind Hampton Bears von Lynda Hampton. Sie kommen, wie schon mehrfach erwähnt von der Kangeroo Island vor der Küste Westaustraliens. Sie wirken für uns nicht sehr fremd, da Lynda sich die alten antiken Steiff-Bären zum Vorbild genommen hat. Aber sie sind ideale Fluggäste, da sie holzwolle-gestopfte Leichtgewichte trotz ihrer Größe sind.


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