Donnerstag, 21. April 2011

Vogelfutter




"Ich brauche Pinguinfutter! Unbedingt!" Linus hat da eine Riesen-Frackhorde am Teich stehen, und die wetzen schon die spitzen Schnäbel. Die paar bunten Fische im Wasser werden da kaum mehr als eine Vorspeise sein. Hier muss der kleine Bär dringend für Nachschub sorgen.


Linus hat als der weltbeste Forscher für Frackvogelfragen die große Wanderung der Pinguine begleitet. Mit seinem selbstgebauten Laufvogelanzug hat er sich unter die bärengroßen Vögel gemogelt. Und ist mit ihnen im Hungermarsch vom futterlosen Aluteich durch den Wald bis zum großen Gartenteich am Haus gewandert. Doch jetzt muss er schnell zu den anderen Bären ins Haus, um dort mehr Vogelfutter zu finden.


Drinnen erklärt Lisa gerade Kaninchen, wie man einen Kaufmannsladen führt. Man darf die Möhrchen zum Beispiel nicht einfach wegfuttern. Die muss man vorher wiegen, damit das Langohr am Ende nicht zu schwer wird. Und dazu klingelt die Kasse, weil es immer wieder Spaß macht, an den Hebeln zu ziehen.


"Ich will Schmackhappen für Polvögel", kräht Linus, als er den Papierschnabel über den Tresen streckt. Er hat jetzt keine Zeit für tolle Piratenanstecker, die Lisa ihm zeigt. "Guck mal, die sind sogar meerwasserfest," erklärt die Ladenbesitzerin ihrem aufgeregt umherspringenden Kunden. "Weil die jetzt aus Gummi sind." Aber Linus ist heute Forscher und kein Pirat. Vielleicht ist morgen ein Freibeutertag. "Dann musst Du eben morgen wiederkommen." Lisa ist eine ordenliche Kauffrau. Doch der kleine Bär bleibt hartnäckig: "Ich will aber heute fluffiges Vogelfutter!"


Linus presst sich so gut es geht durch die Durchreiche: "Ich brauche zappelnde Fische als Pinguinhappen," erklärt er. "Am Gartenteich sind ganz viele Frackvögel angekommen, und die fressen jetzt bestimmt schon das ganze Becken leer." Die Ladenbesitzerin nickt: "Und dann sind sie immer noch hungrig." Sie packt die Anstecker wieder zur Seite: "Aber warum können die nicht selber kommen?" Da kennt sich ein Frackforscher genau aus: "Die sind pottenfeige und außerdem haben ihre Vogelfracks keine Taschen für Geld." "Aber du kannst das bezahlen?" Die kleine Bärin kennt ihren Bruder, sein Taschengeld reicht doch meistens noch nicht einmal eine halbe Woche. "Äh! Das ist ein wichtiger Forschungsauftrag von nationalem Interesse ... ich dachte, ich könnte mir die Fische ausleihen." "Das ist ein Kaufbärladen und kein Leihladen," schnappt Lisa zurück. "Das Futter musst du schon kaufen! Wie willst du denn die weggefressenen Fische zurückgeben? Als Köttel?"


Auch wenn das hier keine Pumpstation für Vogelfutter ist, zeigt die Bärin dem Forscher gern ihre Auslage. Dafür ist ein Kaufmannsladen doch da und Linus ist doch immerhin ein Fast-Kunde. Fische hat die junge Geschäftsführerin sowieso nicht im Angebot, aber dafür leckere Wurst. Der Frackvogelforscher zieht eine Schnute: "Böh! Wurst fressen Vögel doch sicher nicht. Oder gibt es die auch mit Meersalz?" Die Wurstfachverkäuferin zuckt mit den Schultern: "Du kannst nur kaufen, was es gibt." Lisa betont dabei besonders das Wort 'kaufen'. "Wir haben heute Hartobst, Steinkäse, Blockwurst und brettharte Stielgurken im Angebot. Die Schwerstkarotten bekommt aber schon Kaninchen." Denn das Langohr darf noch etwas Gewicht zulegen. "Oder du nimmst doch die Piratenanstecker aus Gummi."


"Gummi? Das macht doch keinen Vogel satt," ruft Linus und stürmt davon. Natürlich hat der Bär nichts gekauft. Aber er hat ja sowieso kein Taschengeld. Und für so ein Fersengeld kann man sich nichts kaufen. Lisa lässt trotzdem die Kasse klingeln, weil es so schön klingt.


Wenig später trifft der weltbeste Winterlaufvogelexperte Anna. Vielleicht hat die große Bärin ja Vogelfutter für seine Gartenbewohner. Und noch besser ist, dass er bei Anna nie was kaufen muss. Weil alles, was Anna gibt, immer umsonst ist. Leider auch die guten Ratschläge.


Mit großem Einsatz beider Arme erklärt der kleine Forscher Anna die Lage am Teich: "Die roten Fische und diese Japanflosser sind sicher schon aufgepickt. Und jetzt müssen wir neue bunte Gartenfische kaufen, damit die Pinguine weiter schnabulieren können." Die große Bärin schüttelt energisch den Kopf: "Auf keinen Fall bekommt das hungrige Federvieh Goldfische oder Kois. Die sind viel zu schade als Pinguinfutter!" Linus stemmt die Pfoten in die Seite ... wieso stellt sich Anna beim Flossenfressen bloß so an, er ist doch auch ein Vogelfreund und nicht Fischforscher. Aber Anna lässt sich nicht beirren: "Lass uns zum Vorratsschrank gehen. Da gibt es sicher 'was anderes Leckeres für deine Vögel."


"Pinguine für Pinguine zum Fressen? Das geht doch nicht! Das sind doch keine Kannibalen ..." Linus ist entgeistert, wenn das jetzt dieses 'was anderes Leckeres' sein soll. Anna zeigt ihm als Goldfisch-Ersatz Lakritz-Pinguine mit Zitronenlätzchen. Sie findet die kleinen schwarzen Vögel zum Anbeißen. Der Vogelforscher kann das überhaupt nicht verstehen. "Und Gummibärchen esse ich auch nicht mehr. Das ist doch wohl klar!"


"Wie wäre es mit Fischfilet in Tomatensoße?" "Gibt das denn keine Flecken auf dem Pinguinfrack?" Der kleine Bär überlegt. "Aber dann sieht das wenigstens richtig blutig am Teich aus. So ein großes Fressen halt." Anna ist sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob sie wirklich ein rotbekleckertes Teichufer will. Wenn die Pinguine nun ähnlich großzügig beim Gierschlunden sind wie kleine Bären mit ihren ständig verschmierten Mündern, wird der Garten wohl wirklich wie ein Schlachtfeld aussehen. "Ich hab da noch eine Idee."


Die nächste Fischkonserve ist schon viel weniger gefährlich. Ölsardinen sind zwar farblos ... aber machen die nicht einen Ölfilm auf dem Teich? Da kann sich dann lustig die Sonne in den bunten Fettaugen spiegeln. Auf jeden Fall rutschen ölige Fische sicher besser in den Pinguinmagen als zum Beispiel furztrockene Stockfische. Doch eigentlich wollte Anna dem kleinen Bären noch ganz andere Flossenträger zeigen.


"Boah! Haie sind cool ..." Diese bunten Raubfische hat auch Linus zum Fressen gern. Sie sind weder bissig noch bissfest, sondern ganz weich und fruchtig, wenn man sie wegputzt. Der Frackvogelforscher ist begeistert. Wenn er die schon so gerne mag, dann werden sie seine Pinguine sicher auch lieben. Das ist doch viel besser als roher Gartenfisch mit pieksigen Gräten!


Endlich ist der berühmte Großvogelforscher wieder zurück im Garten. Anna hat ihm eine grüne Tasche mit Haien und Salzheringen gepackt, die sie noch hinten im Vorratsschrank gefunden hat. Falls es einige Pinguine lieber herzhaft mögen. Zusätzlich zur Fischtasche hat sich Linus doch noch die Dose mit den Ölsardinen gegriffen, als die Anna abgelenkt war. Es sind doch so viele Pinguine und da kann ein Extrahappen nicht schaden.


Er kann es kaum erwarten, in die Frackhorde wieder zu sehen. Die werden sich freuen, wenn er das Futter bringt. Er wird sich heimlich anpirschen, dann reinschummeln und wieder mitkrächzen, bevor er seine Wundertasche aufmacht. Das wird ein Festfressen. Und die Pinguine werden sicher dankbar sein: "Ich werde dann der Oberpinguin auf Lebenszeit oder Vogelhäuptling der Nichtflieger."


Linus stoppt, der Schnabel zittert. Das gibt es doch nicht! Er starrt angestrengt ins Schilfdickicht. Er kneift die Augen zusammen und blinzelt. Und starrt noch einmal. Aber dann steht ohne Zweifel fest:


Die Vögel sind weg! Die Tasche fällt ihm aus der Pfote und Haie und Heringe kullern über den Steg. Den kleinen Bären kümmert's nicht, er hat jetzt Wichtigeres zu tun.


Er muss unbedingt die Vögel suchen. Denn ein Forscher, der seine Beforschten verliert, ist doch höchstens der weltgrößte Vogelverleger. Und Linus will alles Mögliche in riesengroß sein, nur nicht ein Verlierer für Federvieh oder sonst etwas.


Am Teich haben sich die Pinguine auch nicht im Schilf versteckt. Linus hat sogar hinter der Mauer im kleinen Becken nachgeschaut. Im Dickicht hinter den Steinplatten sind sie auch nicht, denn in ihrem Schwarzweiß würden sie da doch auffallen. Die großen Vögel sind einfach spurlos verschwunden, obwohl die bunten Fische noch im Teich sind. Ob sie etwas gefunden haben, das noch besser schmeckt?

Er rennt den Steg entlang nach hinten in den Garten. Vielleicht sind die Vögel ja Rückwanderer und stehen wieder am Aluteich. Oder sie sind doch Zugvögel auf dem Weg zur Straßenbahn. Aber noch hofft der kleine Bär.

Also am Aluteich sind die Wandervögel aber auch nicht wieder aufgetaucht. Er ist im Garten alle Wege abgelaufen ... sogar bis ganz hinten zu den vergessenen Gemüsen. Nirgendwo ist der kleinste Frackträger zu sehen.

Linus sitzt auf dem Steg, nachdem er das Vogelfutter wieder eingesammelt hat. Was soll er jetzt bloß tun? Ein Frackvogelforscher ohne Frackvögel ist plötzlich nur ein kleiner Bär mit einem Papierkostüm.

Die Ölsardinen kommen wieder ins Haus. Linus packt die Konserve in die Tasche. Solche Dosenfische kann man doch lange lagern und er mag keine fettigen Glitschfische. Die Gummihaie schon. Er wird aber nicht alle auf einmal wegschlickern, denn hoffentlich kommen die Pinguine wieder.



Beim nächsten Mal nimmt Linus aber lieber diese gescheckten Schokomuscheln aus Belgien in den Futterbeutel. Die schmelzen sogar im Mund, so zart sind sie. Und essen muss man die supersüßen Meeresfrüchte auch ganz schnell, sonst klebt alles an den Pfoten. Denn wenn er jetzt das ganze Vogelfutter selber wegputzen muss, dann sorgen salzige Heringe nur für einen fiesen Forscherflunsch. Kleine Bären sind doch süße Leckermäuler.


Fotos: W.Hein

Linus und Lisa sind Rica-Bären von einem Sofa im nahen Detmold.
Anna ist eine klassische Bärin aus Amerika von Kathleen Wallace.
Die Frack-Horde kommt wirklich vom anderen Ende der Welt.
Und die Pinguin-Leckereien sind das Beste was Schrank und Küche
im Moment hergeben.


4 Kommentare:

МамаФиалка hat gesagt…

they are so cute!!!

Anonym hat gesagt…

Hi, Linus !
Bär Internet haben wir deine letzten Abenteuer miterlebt. Du warst echt tapfer und cool drauf. Also genieß die Schoko-Muscheln und die nächsten Abenteuer :-)
Die Bären aus München : -)

Anonym hat gesagt…

Das sind ja Erlebnisse! Ach, macht das Spaß!
Anna kam mir fast bekannt vor! Ich habe eine sehr ähnliche Bärin einmal gemacht - sie ist aber verkauft worden.

Viel Freude weiterhin!
Petra

Lilo hat gesagt…

Also ich bin ganz hin und weg!
Was für eine herrliche Bildergeschichte .... die in Buchform vielen kleinen großen Lesern das Herz aufgehen lassen würde.
Man kann sich an den schönen detailierten Fotos kaum satt sehen und die Geschichte dazu, einfach super!
Habe übrigens gerade in Deinem Profil entdeckt, dass wir in der selben Stadt leben.
Wünsche Dir noch einen schönen Abend und grüße ganz herzlich
Lilo