Sonntag, 11. März 2018

Der Mo-Schnarch



Dem König ist öde. "Wollen euer Hoheit die Zeitung?" Der Kammerherr ist wie immer um sein Wohl und Ablenkung bemüht. "Wozu?" der matte Löwe neigt sein Haupt gelangweilt. "Die Zeitung habe ich doch schon letzte Woche gelesen und in der heutigen steht sicher auch nichts Neues drin."

Victoria nimmt den Kammerherrn beiseite. Der König und er sind nun schon seit ein paar Wochen ihre Gäste und so langsam gehen ihr die Ideen aus. Ob Bridge-Abend, Weinverkostung oder eine Lesung aus den Adelsregistern Europas. Nichts kann den König begeistern oder auch nur kurz fesseln. Gefühlt hockt er jetzt seit Tagen unbeweglich wie ein träger Trauerkloß in seinem Ledersessel.

Der Kammerherr hört aufmerksam zu – doch auch er ist inzwischen ratlos. Er versteht, dass es der Hausherrin gegen den Strich geht, wenn ein Gast sich unter ihrem Dach nicht wohlfühle. Sie ist stolz darauf, bis jetzt jedem Besucher ihres Hauses eine wundervolle Zeit bereiten zu haben. Doch hier liegt es ja gar nicht an den Bemühungen von Victoria oder den anderen Hausgenossen. Dem König ist öde, weil es nichts zu regieren oder gar zu entscheiden gibt. Ohne Land muss er nicht einmal etwas repräsentieren. Noch nicht einmal sich selbst. Und darauf hat ihn niemand vorbereitet. Er weiß einfach nicht, was er mit seiner Zeit tun soll.

"Vielleicht sollten eure Hoheit darüber nachdenken, was wir tun wollen," versucht der Kammerherr seinen Herren zu locken. "Sucht Euch doch eine Beschäftigung, ein Hobby, in dem ihr gut sein könntet. Es gibt doch heute so viele sogar bürgerliche Monarchen: Den Skatkönig, den Bratwurstkönig, den Kuchenkönig oder den Schneekönig, der sich freuen kann. Auch ihr könntet so ein Amt mit Leichtigkeit bekleiden." Leonidas ist schon ein wenig interessiert: "Mit Leichtigkeit? Was müsste ich tun?" "Ach, eure Hoheit müssen sich nur für etwas entscheiden," winkt der Kammerherr lässig mit der Pfote. "Dann bleibt ihr dran und übt, bis ihr besser seid als die anderen." "Üben?" Der König ist nicht sicher, ob er so etwas schon mal getan hat. "Wie lange?" "Nun, nur ein paar tausendmal … eben einfach mehr als der Vizekönig auf diesem Gebiet." Dem Kammerherr schwant, das es vielleicht doch nicht so einfach wird. "Wichtig ist nur, dass ihr einen Anfang findet."

"Ach, ein paar tausendmal." So hat sich der König das nicht vorgestellt. "Ich wusste gar nicht, dass das König-Sein so anstrengend sein kann. Bisher war ich König durch Geburt. Und das musste ich nur einmal machen." Leonidas sinkt wieder in den Sessel zurück. "Gibt es denn nichts auf die Schnelle?" "Ihr könntet eine aktive Königin heiraten," schlägt der Kammerherr vor. "Das sollte man auch nur einmal machen." Der Plan gefällt Leonidas schon bedeutend besser, bis der Diener auf den Haken hinweisen muss: "Ihr müsstet hinaus in die Welt. Hinter dem Sofa werdet ihr keine Braut finden."

"Hm!" Leonidas strafft das Kreuz durch, als er eine wahrlich hochherrschaftliche Entscheidung trifft: "Ich werde der König der Langeweile!" Der Kammerherr verneigt sich, als er rückwärts den Raum verlässt: "Eure Hoheit, da seid ihr schon sehr gut im Training."


Fotos: W.Hein

Da werden Victoria, Albert und die anderen Mäuse (von Deb Canham) wohl noch länger königlichen Besuch haben. Und dabei hatte Leonidas davor auch noch nicht so viel zu tun, dass es etwa unübersichtlich geworden wäre. Er und sein Kammerherr (Julia Nazarenko, Estland) warteten seit 2017 in der Bärenhöhle Hannover auf neue Aufgaben. Und da die Bärenhöhle Mahnke leider nach dem 24.03.2018 ihre Pforten schließen wird, sind sie rechtzeitig ins Mausewohnzimmer umgezogen. Aber nach der neuen Defintion von königlichen Interessen ist das wohl dann doch eine neue "königliche Aufgabe" zu nennen.

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