Montag, 29. Januar 2018

Im Exil


 Etwas zögerlich nähern sich die beiden gutgekleideten Herren. Victoria ist überrascht, als die beiden unangemeldet in der Tür stehen. Gäste sind ihr natürlich stets willkommen, aber mit dem Anspruch, eine perfekte Gastgeberin zu sein, hat sie hat doch gern vor jedem Besuch eine Vorwarnzeit für die Vorbereitung.


Albert lässt einen Moment das Buch sinken, um zu sehen, ob er seinen Pflichten als Hausherr nachkommen muss. Obwohl er gerade an einer spannenden Stelle ist und gern wüsste, ob es am Ende auch gut ausgeht.


 Bevor der Nager im feinen Zwirn etwas erklären kann, schiebt ihn der Löwe beiseite. "Das ist meine Aufgabe," bestimmt er knapp. Dann wendet er sich an Victoria: "Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Ich bin Leondas der Achte, im Augenblick zwar König … doch ohne Land." Victoria ist sprachlos. Ein gekröntes Haupt in ihrer bürgerlichen Stube! Sie stammelt schnell: "Willkommen, Euer Hochwohlgeboren." … und macht zur Sicherheit noch einen etwas wackeligen Knicks.


Albert wundert sich, wieso Victoria da vorn an der Tür solche Verrenkungen macht. Plötzlich ist sie ganz aufgeregt, tänzelt unruhig umher und auch die Schwanzspitze tippt immer wieder nervös auf den Boden. Er sollte mal nachsehen – wenn er noch schnell den letzten Absatz gelesen hat.


  Dem achten Leonidas (der erste ohne Land) ist es sichtlich unangenehm, hier unangekündigt im Wohnzimmer stehen zu müssen. "Danke, aber Eure Hoheit reicht." Ein überstürzter Besuch, sicher, aber für eine Depesche hat die Zeit nicht gereicht und außerdem, wer hätte sie verschicken sollen. 'Ohne Land' heißt leider auch ohne Poststelle. Ob die Briefmarken mit seinem Konterfei überhaupt noch gültig sind? Dazu kommt, dass er bis eben noch keine Ahnung hatte, wohin der Weg ihn überhaupt führt. Im Moment braucht er dringend ein Exil und ist froh über jedes gastliches Haus, das ihn aufnimmt. Zu seinem Glück ist er nicht allein in dieser kummervollen Lage – sein treuer Kammerherr ist treu an seiner Seite. Der versucht im Wisperton der nervösen Victoria gerade einen Schnellkurs im Umgang mit einem zwangsverschickten Wander-Monarchen zu geben.


"Dies ist unsere bescheidene Hütte," untertreibt die Hausherrin schamlos. Sie weiß schließlich nicht, in welchem Pallast und mit wievielen goldenen Löffeln im Mund so ein König aufgewachsen ist. "Nein, nein, es ist sehr schön hier," schüttelt der Löwe etwas steif seine Mähne. Auch er bemüht sich nach Kräften auf diesem für ihn ungewohntem Parkett eine gute Figur zu machen.


  "Ich habe auch ein Gastgeschenk für Sie." Dabei weist er mit einem kurzen Nickem seinen Kammerherrn an, das schön verpackte Päckchen an die Gastgeberin zu überreichen. Zum Glück hat sein Diener noch schnell was einpacken lassen, bevor sie aufgebrochen sind. Es ist immer etwas schwierig, auch unterwegs die Minimalstandards der Hofettikette aufrecht zu erhalten.


Die kleinen Mäuse sind ganz aufgeregt. Ein Gast der Geschenke bringt? Vielleicht ein unbekannter Onkel aus Amerika oder etwas anderes Freigiebiges? Müssen sie auch einen Knicks machen? Oder warten, bis Victoria alle vorstellt?


 Doch die Dame des Hauses ist dafür viel zu aufgeregt: "Albert, nun leg doch endlich die Schwarte beiseite. Er ist ein König und bringt sogar Geschenke!" Das ist viel zu hübsch, um es gleich auszupacken. Außerdem muss sie sich um Getränke und alles mögliche andere kümmern. "Nehmen Sie doch bitte Platz, Eure Hoheit. Möchten Sie ein Törtchen oder einen Kaffee?" Sie wendet sich wieder an ihren Albert: "Los doch, biete Seiner Hoheit doch einen Roten an. Den musst du nicht verstecken." Der melancholische Monarch wehrt matt ab: "Machen Sie sich doch keine Umstände."


'Umstände machen' ist doch die vornehmste Pflicht einer guten Gastgeberin. So schätzt es der Kammerherr durchaus, dass Victoria sofort fragt, ob sie schon ein Quatier für die Nacht haben? Sie könnte das Gästezimmer fertig machen. Sie weiß nur nicht, wie viele Schrankkoffer ins Haus passen. Doch der Kammerherr kann sie beruhigen. Er hebt den mitgebrahcten Rucksack an, der König reist nur mit leichtem Gepäck.


 Leonidas schlendert durch den Raum, um zu verbergen, dass auch für ihn diese Situation ungewohnt und damit etwas unbequem ist. Wie soll er sich verhalten. Er ist es noch immer gewohnt, einfach zu gebieten. Doch hier ist er auf diese bürgerliche Mäuse und ihre Gastfreundschaft aus freien Stücken angewiesen. Doch Victoria hat noch niemanden im Regen stehen lassen und erst recht nicht einen König. So folgt sie ihm auf Schritt und Tritt und müht sich, das Gespräch nicht abreißen zu lassen. "Das, Eure Hoheit, ist unsere Käsevitrine. Es war ein Weihnachtsgeschenk für mich, aber die besten Stücke sind fast noch ganz. Käse darf ja ein wenig reifen, wenn Dero Gnaden vielleicht etwas verkosten wollt." Käse! Doch wohl besser nicht: "Vielleicht später, meine Liebe." Er kraust die Nase. Aber es sind nun einmal Mäuse und da muss auch ein königlicher Großkater wohl Zugeständnisse machen. Besonders, wenn er froh sein muss, hier Gast sein zu dürfen.


 Der Kammerherr schiebt sich unaufdringlich dazwischen: "Ihre Hoheit würde einen kleinen Imbiss dankend annehmen, aber er hat eine gewisse Umverträglichkeit für Käse. Vielleicht hätten Sie eine Alternative? Es muss auch nichts Übertriebenes sein." Ohje, Victoria hat es ja geahnt, so hoher Besuch braucht auch eine höhere Küche. "Ich husch mal schnell in die Küche und stelle eine kleines Buffet zusammen," haspelt sie, bevor sie sich rückwärts durch die Tür verabschiedet.


  Wenig später hat der landbefreite König immerhin schon im Sessel Platz genommen. Umlagert von all den jungen Mäusen, die immer noch nicht fassen können, was da so plötzlich in die Stube geschneit ist. So angestarrt zu werden, ist für einen König eigentlich nichts Besonderes. Aber normalerweise hat er dann sein eigenes Reich als eine schützende Kulisse. So ist es schon etwas fremd und er greift gern zum Roten, den ihm Albert vorsorglich kredenzt hat. Der Hausherr hat dafür auch die Bücher endlich beiseite gelegt. Nach einem intensiven Studium über die beste Zubereitung von Käsekuchen hatte er die Variationen von Schokotorten einer genauen Betrachtung unterzogen, und war dabei jeder noch so überraschenden Wendung in den Rezeptanweisungen gebannt gefolgt. Doch wenn Victoria in der Küche zaubert, sollte es sich doch um den etwas traurig dreinblickenden Gast kümmern und wenn es geht aufheitern: "Prost, Euer Hoheit. Darf ich noch etwas nachschenken?"


 "Pst," der König wendet sich an seinen Kammerherren: "Das hier ist unser Domizil für die nächsten Wochen?" Der Kammerherr nickt. "Wir haben keine andere Möglichkeit? Ich muss den Raum mit einem Käselager teilen?" Nach einer Pause, bei der er Albert freundlich zuprostet. "Gab es denn keine anderen Angebote … auch nicht in diesem Zwischennetz?"


 "Eure Hoheit, es sind ehrliche und freundliche Mäuse, die nicht die falschen Fragen stellen." Sein Kammerherr wundert sich immer wieder, wie abgehoben so eine königliche Erziehung machen kann. "Wir hätten es viel schlecher treffen können."


Derweil blickt Victoria sich etwas ratlos in der Küche um. Auf königlichen Besuch war sie wirklich nicht vorbereitet. Es gibt zwar schon Platten für den Abend. Das sind aber ausgerechnet wieder Käseplatten. Die Reste vom Mittag mag sie nicht anbieten. Denn das ist doch nur – zwar leckere – aber schlichte Hausmannskost. Sie sollte Albert in den Keller zur Gefriertruhe schicken und hoffen, dass das Fleisch beim schnellen Auftauen nicht zu zäh wird. Wenn dero Gnaden länger bleiben will, werden das noch stressige Wochen für sie und ihre Küche.


Idee: SchneiderHein    Fotos: W.Hein


Leonidas und sein Kammerherr sind zwei Einzelstücke von Julia Nazarenko (Juna Art) aus Estland vom April 2017.

Es ist ein trauriger Anlass, die einen stolzen Leonidas ins Exil treiben. Sein bisheriges Reich, die Bärenhöhle Mahnke in der Flüggestraße 3 in Hannover List wird leider das Ladengeschäft schließen. Noch bis zum 24. März geht der Räumungsverkauf, jetzt mit Preisnachlässen zwischen 30% und 70% je nach Artikel. Auch wenn es danach online weitergehen soll. Es ist schade, dass es bald keine Bärenhöhle mit Besuchsrecht mehr geben wird, haben uns doch die Mahnkes mit dem Bärenvirus erst richtig infiziert. Erst hier haben wir die wunderbaren Bären von Kathleen Wallace, Ulrike und Claude Charles, Petra Waldorf und vielen anderen Bärenkünstlern kennengelernt. Viele unserer Helden und Heldinnen kommen von aus der Bärenhöhle. Nicht zu vergessen die großartigen Plüchgesellen, die Hanne Mahnke selbst entworfen hat. Wer also noch einmal ein Kleinod der Liebe und Hort des Wissens erleben möchte – bevor es nur noch im Netz veschwunden sein wird – sollte sich jetzt endlich auf den Weg nach Hannover machen. Hier noch mal der Link mit allen Infos zum Abschied:
Bärenhöhle Mahnke.

Dienstag, 23. Januar 2018

Alles wegen Friederike


Die Ruhe nach dem Sturm durchschneiden kreischende Sägen. Den Dachs ficht das nicht an. Er ist ganz aufgeregt, denn er hat gerade eine neue Immobilie in bester Lage entdeckt.
 Ein riesiges Loch klafft im Boden – der alte Dachs kann von hier oben den Boden nur erahnen. Äste und weit ausragende Wurzeln erleichtern den Abstieg. Und wenn er blinzelt, fällt da sogar seitlich ein schmaler Lichtstreif auf die gegenüberliegende Wand.

 Es muss eine Schlucht geben oder eine schmale Rinne. Auf jeden Fall einen bequemen Abstieg in seine neue Dachshöhle. Dort tief unten wird ihn niemand stören. Und dieses nervige Sägen wird dann – wie alle lauten Geräusche – vom dichten Erdreich geschluckt.
 Der Fuchs ist keine Konkurrenz für diese Topplage. Der hat seinen Fuchsbau längst in die Zivilisation verlegt mit Zentralheizung, Strom für die Kühltruhe mit Hühnerklein und eine Anbindung an das Glasfasernetz für Fernsehen, Telefon und Internet. So im Hochwald wohnt man doch immer noch nach Altvätersitte.
Doch der alte Dachs ist begeistert, dies wird sein neues Reich, tief im Boden und nur mit so viel Außenkontakten, wie er es haben will. Und die sind im Winter schon recht übersichtlich. Sollen die anderen doch sagen, dass er dabei die Geselligkeit verlerne. Er ist glücklich, wenn er die meiste Zeit seine Dinge so machen kann, wie er es nun mal für richtig hält. Und wenn das bedeutet, dass er dafür von Jahr zu Jahr immer weniger ungebetene Störer braucht. Dann ist das eben so.
 
Jetzt muss er nur aufpassen, dass nicht diese flinken Puschelträger alles wieder zunichte machen. Bevor er hier sein Bauschild aufstellen kann oder besser gleich einen Briefkasten mit Klingelschild – „Läuten zwecklos. Stellen Sie einen schriftlichen Antrag.“ Der Dachs kennt diese Leichtfüße: Noch vor dem ersten Spatenstich haben die flinken Biester hier schon Eicheln oder Walnüsse ins Loch geworfen. Ehe ein Dachs sich versieht, steht plötzlich ein riesiger Baum im Loch und versperrt die Aussicht.
 
„Hau ab!“ raunzt er das vorbeiflitzende Eichhorn an. „Und wehe, du lässt hier was fallen.“ Er behält den buschigen Unhold lieber im Auge, bis er in einem anderen Garten verschwunden ist. Dieses Getrappel flinker Beinchen, den ganzen Tag rauf und runter auf den Baumstämmen wäre ja schon nervig, wenn er nun ständig neben einer Eichhornrennbahn einziehen würde.
 
Aber zum Glück wird seine neue Höhle viel zu tief im Boden liegen. Das nervige Trippeln wird von den feuchten Erschichten über ihm sicher verschluckt. Nur sollte er verhindern, dass nicht doch noch eine Schonung vor seiner Haustür gepflanzt wird. Vielleicht sollte er schon jetzt alles mit gelbem Absperrband weiträumig sichern. Und Warnschilder für den kommenden Tiefbau aufstellen.

 Der Dachs überlegt gerade, wo er sich die ganze Sicherheitstechnik am Besten mieten kann, da hält er plötzlich inne. Er zieht den Hut vom Kopf und spitzt die Ohren: Das Sägen macht just in diesem Moment Pause. Es ist endlich wieder still.
Die Erdmannen sind aus ihrem Bau gekrochen, um zu sehen, was mit ihrem Garten passiert ist. Sie dösten gerade noch lässig in der Winterentspannung. Winterschlaf kann man es nicht wirklich nennen, wenn ständig der Pizzabringdienst klingelt, in der Glotze die Endlos-Serien laufen, oder gerade eine Konsole für ein gepflegtes Ballerspiel eingestöpselt wird.

Aber plötzlich gab es einen gigantischen RUMMS. Gefolgt von einem geringfügig schwächeren WUMMS. Das Porzellan schepperte in den Schränken. Von der Decke rieselten Erdplacken und kurzzeitig war sogar der Strom weg. Das war unheimlich. Noch unheimlicher die Stille danach. Bis sich der Fernseher wieder berappelt hatte und fröhlich die Bude wieder volllärmte. Huh wollte darauf ein Stück kalte Pizza. So ein Schreck macht hungrig. Doch Hei bestand darauf, dass sie oben nachsehen sollten. Und da sahen sie dann die ganze Bescherung. Jemand hatte die große Kiefer quer in den Garten geworfen. Und alles, was dabei im Weg stand, wurde weggefegt oder höhenreduziert. Etwas weiter hinten hat der Nachbar einen weiteren Nadelbaum gespendet, der in die letzten beiden Obstbäume gerauscht ist, um sich dort auf halber Höhe als Zweittrümmer abzulegen. Das ist nicht mehr ihr Garten.

Wenige Tage danach stehen die drei mit schwerem Gerät vor der Riesenschweinerei. Alles nur weil eine Friederike aus Sonstwo im Internet sich ihr eigenes Tief kaufen wollte und gleich einen Orkan mitgebucht hat. Man sollte schon aufpassen, wo man im Internet die Kreuze auf den Bestellformularen macht. Hei sagt Huh auch immer, er soll nicht immer den Newsletter mitbestellen und gefälligst nicht das Tagesangebot 'Ladenhüte zum Vorzugspreis' mitnehmen, das ein fürsorglicher Verkäufer schon vorab in Warenkorb gepackt hat.

Jetzt haben sie den Salat. Wobei der Salat hier ein ausgewachsener Riesenbaum ist. Ho lässt noch einmal die Kettensäge aufheulen. Er kann sie dabei kaum halten. Ein Huh muss schnell zur Seite springen.
„Lass mal,“ ruft Hei ihm durch den Lärm zu. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir damit gegen so viel Holz ankommen.“ Vielleicht sind die drei Erdmannen doch nicht Manns genug für so eine Riesenaufgabe. Soll doch jemand anders hier Ordnung schaffen. Außerdem hat Hei sein Tablet vergessen. Und ohne technische Hilfe sieht er sich außerstande, einen guten Plan zu machen. Damit Ho nicht wild umhersägt und dabei Dinge, die später noch gebraucht werden, einen Kopf kürzer macht. Wie diese stachligen Ranken, an denen er immer mit der Kettensäge hängenbleibt.
Andernorts wird schon fröhlich gewerkelt. Die Bö-Botz ackern mit fröhlich tuckerndem Dieselantrieb im Geäst. Endlich eine Aufgabe, die alle mit Kusshand los werden wollen. Und dafür wird ein bisschen mehr Feinstaubbelastung sicher gern gesehen. Die wandelnden Blechdosen wollen ja auch nicht viel. Einen vollen Tank, etwas Anerkennung und freie Bahn bei der Gartengestaltung.
 So bearbeiten sie mit Stahl und eisernem Willen das widerspenstige Holz. Das Werkzeug dafür hatten sie sich eigentlich bereit gelegt, um Erdlingshöhlen auszuheben. Hier ist diese Ausrüstung doch etwas mickrig und schält im ersten Versuch nur die Rinde ab.
Pinkie dirigiert die ganze Aktion mit dem langen Räumhaken. Sie werden hier beweisen, dass die Botz viel zu nützlich sind, um sie wieder davonzujagen. Wenn sie diese quergeschlagene Natur aus Nadeln, Ästen und Riesentrumm beseitigt haben und könnten sie auch gleich mit der Mauseplage im Haus aufräumen.

 „Natürlich sind es Metallsägeblätter!“ Der MOD 7 verdreht das Leuchtauge. Für einen Metallroboter gibt es nichts Schlimmeres als Metallsägeblätter, die jeden Stahl verletzen können. Und das ist hier nur Holz! „Eben, es ist Holz,“ schnarrt Klotzkopf.
Der kleine Metallkasten hat gut reden, er hat schon Mühe sich mit seinen Stummelbeinen auf dem Stamm zu halten. Praktische Arme, die überhaupt Werkzeug halten geschweige denn nutzen könnten, hat er nicht. Da kann er nur altklug daherquatschen.
 

Der Kettensägen-Botz ist schon den ganzen Vormittag nicht bei der Sache. Immer wieder irrt sein Blick zum Eisen-Chef in Rosa. "Nun mach schon," meckert der gelbe Kollege. "Der Baum verschwindet nicht von allein." Schließlich hat kein anderer Botz so ein effektiven Kurz-und-Klein-Macher. Dafür opfern sie sogar den wertvollen Sprit. Jeder Botz sollte nur aufpassen, dass er außer Reichweite der sirrenden, hungrigen Sägespitze bleibt, die nicht nur Holz fressen kann.
Mit mächtigen Axthieben hauen die Bramble-Botz auf den Stamm ein. Nur der ist noch mächtiger. Das wird nun ein Hauen und Stechen, denn die wirklich effektiven Geräte haben sie schon lange abgeben müssen. Was würde hier ein Flammenwerfer für eine Schneise ziehen!

Der Sägebotz wird endlich zur Arbeit geschickt. Pinkie hat mit ihm noch etwas Persönliches zu klären. Aber das muss warten …
 Bis dahin soll der Blechwicht seine Säge gefälligst immer schön in die andere Richtung halten. Weit weg von allen lebenswichtigen Leitungen und Schaltkreisen.
 Ein Arm reicht! Von wegen "Schwund ist immer". Der Dussel soll gefälligst aufpassen, was er mit der Kettensäge abtrennt. Sein Arm ist doch "kein Beinbruch", hoffentlich findet ein Botz beim Aufräumen den Stumpf unter den herbgefallenen Zweigen und losen Nadeln. Und er findet dann jemanden, der den fehlenden Arm wieder funktionsfähig montieren kann. So lange braucht er die lange Räumstange, um einarmig das Gleichgewicht auf den rutschigen Stämmen zu halten. Noch muss er hier alles im Blick der Zwei-Objektiv-Optik behalten.
 
 Der so gescholtene Armstrong muss sich einen einsamen Ast suchen, bevor er weiteren Blechschaden anrichten kann. Die anderen bearbeiten den Hauptstamm. Er beginnt dafür das Kroppzeug zu entasten. Für die dicken Durchmesser reicht das Sägeblatt nicht für einen einfachen sauberen, glatten Schnitt.
 Die drei Mäuse sind beeindruckt. Sie haben eine Rieseneisenstange aus dem Geäst gezogen. Wahrscheinlich haben die eifrigen Blechdosen sie liegen lassen, um lieber zu Axt und Säge zu greifen. Sie schauen endlich nicht mehr mit ihren kalten Maschinenaugen auf die kleinen Nager und zischen "verdammte Erdlinge" hinter ihrem Rücken. Dafür haben sie nun offensichtlich keine Zeit mehr. Dann kann es ja auch nicht so wichtig sein.

Die Mäuse verschwinden im Nadeldickicht und lassen die Brechstange lieber dort, wo sie sie gefunden haben. Sollen die Botz doch weiter schuften. So lange sie dort so schwer beschäftigt sind, haben kleine Mäuse freie Bahn auf den verbliebenen Freiflächen. Das Kreischen der Säge, das Knacken der wegbrechenden Äste und Lärmen der Dieselmotoren geht noch Stunden weiter. Mit ihren nachtaktiven Infrarotaugen müssen die Botz erst Pause machen, wenn der Tank mal wieder leer ist.


Idee: SchneiderHein    Fotos: W.Hein

Das ist wieder so ein Auftrag, der aus den Fugen geraten ist. Ich sollte die Erdmänner mit schwerem Gerät in Garten schicken, der seit dem Gestaltungswillen von Sturm Friederike eine ganz neue Struktur bekommen hat. Leider eine, die uns überhaupt nicht gefällt, war doch der alte Baumbestand immer einer der großen Pluspunkte für die Antwort auf die Frage: Was machen wir eigentlich hier? Nun müssen wir uns eine neue Antwort suchen und dabei auch noch querliegende Riesenbäume verschwinden lassen. War der Garten seit dem Zusammenbruch des Efeuapfelbaums schon ein schwieriger Bärenhintergrund geworden, ist es jetzt wohl für die nächsten Wochen und Monate unmöglich, hier etwas anderes als Baustellenbilder von Trümmern und Abbrucharbeiten zu bekommen. Damit sich das schnell ändert, sind die Roboter leider nur eine bgrenzte Hilfe...

Samstag, 6. Januar 2018

Auf Sterntaler und Zimtcent



Es hat immer noch viele Sterne. Vor zwei Monaten sind sie unvermittelt heruntergeregnet, liegen seitdem überall verstreut im Wohnzimmer und ballen sich in den Ecken. Naseweis hat sich einen Stern gegriffen, der sicher wertvoller ist, weil er größer und weicher ist als die anderen. Das ist garantiert so ein Sterntaler, von denen er im Fernsehen gehört hat. Er weiß zwar nicht, wie Sterntaler in Euros umgerechnet werden und ob es sich lohnen würde, sein Taschengeld auf die Zackenwährung umzustellen. Aber auch bei seinem Wochenlohn ist es so: Die weichen Euros bringen mehr als das Hartgeld.

Eigentlich ist ja das Fernsehen zu Weihnachten schuld. Am liebsten sieht der kleine Mäuserich Äkschn-Kracher in der Glotze, in denen die Welt kurz vor Schluss in Schutt und Asche gelegt wird. Seine große Schwester Altklug sagt aber, dass es gar nicht gut für kleine Mäuse ist, wenn sie dabei so viel 'Krawumm und Aua' sehen müssen. Dabei weiß Naseweis doch selber, die Filme sind nicht echt. Es gibt zum Beispiel hier im ganzen Haus keinen roten Knopf, der alles mit einer lauten Explosion zusammenfallen lässt. Dabei hat das jeder Superschurke in seinen Firmensitz. Hier im Haus – Fehlanzeige. Hat er schon überall gesucht. Und er findet auch keinen geheimen Plutoniumvorrat oder einen Bunker mit Interkonti-Raketen, die auf die Hauptstädte der Welt gerichtet sind. Stattdessen soll er sich Märchen im Tiwii angucken. Da sagt dann keiner was, von wegen 'unecht oder brutal', obwohl da auch Kleinwüchsige betrogen, Riesen bestohlen und im Wald alte Frauen in ihren essbaren Ausflugslokalen verbrannt werden dürfen.

Aber eine Geschichte war dann doch zu spannend. Wenn dieses Kind in den Wald läuft und dabei all diese Glitzerdinge aufsammelt, die herrenlos runterregnen. Zackiges Klimperzeug, mit denen es nun ganz viel kaufen kann. Und das sind eben diese Sterntaler gewesen. Naseweis muss noch nicht einmal in den nassen Garten gehen, hier liegt das Geld sogar schon im Wohnzimmer! Er greift sich jetzt so ein Pieksding und schaut mal, was er dafür bekommt.

Altklug wundert sich, was der kleine Mausjunge mit dem Stoffstern vorhat. Erst ist er aufgeregt in alle Ecken gelaufen, hat dabei prüfend die Deko betrachtet und immer wieder einzelne Stücke hochgenommen. Nachdem er sie von allen Seiten eingehend betrachtet hat, hat er die meisten achtlos fallen gelassen, bis er sich endlich für diesen weißen Weichstern entschieden hat, um ihn jetzt davon zu tragen. Will er schon Platz für die bunte Frühjahrsdeko machen, obwohl es noch nicht einmal richtig geschneit hat? Nur, weil überall in den anderen Häusern die Sterne und Tannenbäume ab heute wieder abgeräumt werden? Aber wenn er jeden Stern so einzeln entsorgt, dauert das Aufräumen doch wieder bis kurz vor Ostern.

"Nöh," lacht der Mäuserich. "Das ist ein Sterntaler, den ich gefunden habe. Als Extrataschengeld im Winter. Den gehe ich eintauschen … mal sehen, was ich dafür bekommen kann." Altklug weiß noch nicht einmal, wo sie mit Sterntalern bezahlen könnte. Außerdem sieht sie sofort, dass so ein Stern für die Tasche als Geld viel zu unpraktisch ist. Der ist ja so stachelig, dass er das ganze Innenfutter aufschlitzen würde.

Wenig später kommt Naseweis stolz zurück. Anna hat seinen Sterntaler in Zahlung genommen und er hat dafür auch Wechselgeld bekommen. Das ist als Zimtstern sogar essbar. Die anderen Leckereien wie Lebkuchenherzen, Dominosteine und Schokoprinten hat er als Wegzehrung gleich verputzt. Aber die Zimtcent hat er seiner Schwester mitgebracht, damit sie sehen kann, dass sie auf einem Schatz sitzen. Sie müssen nur die umliegenden Sterne einsammeln.

Vorher teilen sie sich brüderlich das Wechselgeld. Seine Schwester bekommt also nur einen Zimtcent.

Altklug muss doch noch mal überlegen. Wenn der kleine Bruder so viel Süßkram für einen schlappen Stoffstern bekommt, dass er ihr sogar etwas abgeben kann … dann hat sie hier vielleicht ein kleines Vermögen am Bande? Der Frühling sollte ganz schnell kommen, damit sie hier alles absammeln können. Sie sollten sofort alle Sterne sichern, bevor jemand anders auf die selbe Idee kommt. Oder Annas Süßwarenlager leergefuttert sind.


Fotos: W.Hein

Naseweis und Altklug sind zwei Mäuse von Bell Bears Design aus den Niederlanden. Und dies ist eine parallele Wirklichkeit, da der Wohnraum inzwischen fest in der Hand von drei wilden grauen Katzen ist.