Dienstag, 26. Juni 2007

Gemein!!!



"Dat wird nix!" Der alte Seebär schüttelt den Kopf, dass es nur so rauscht unter der blauen Kapuze. Innen schubbeln seine großen Ohren heftig am glatten Kunststoff lang. "Meen Deern, dat wird nix!" Auch Nelleke schaut missmutig aus ihrem Regenmantel hervor: "Gemein!"

Das ist ja auch wirklich sooo ungerecht: Seit einigen Tagen ist es nun ein ganz amtlicher Sommer. Mit richtigem Sommeranfang und so. Das haben die im Radio gesagt. Die Badesaison kann also beginnen. Wenn vor ein paar Tagen Nelleke sich flach auf den Steg gelegt hat, konnte sie gerade die Pfotenspitze ins Wasser halten. Das war schon richtig warm. Aber seitdem der Sommer angefangen hat, ist das schöne Wetter weg.

Auf den Steg würde sich Nelleke heute jedenfalls nicht legen. Der ist schon wieder pitschnass. Es nieselt und richtig windig ist es heute auch. Der alten Seebär mag ja vielleicht so ein Wetter. Nelleke will aber einen richtigen Sommer, damit sie ins Wasser kann. Denn auf dem Trockenen hat sie jetzt lange genug geübt. Und der alte Zausel ist extra noch ein paar Tage geblieben, weil er dabei sein will, wenn Nelleke schwimmt ...

Heute aber auf keinen Fall. "Da hinten kommt schon wieder der nächste dicke Regenguss." Der große Bär guckt zu den dunklen Wolken rauf, die sich über die Baumwipfel schieben. "Lass uns reingehen und einen steifen Grog trinken." Nach einer kurzen Pause folgt die jugendfreie Version: "Oder besser eine heiße Milch mit Honig." Heiße Milch mit Honig - mitten im Sommer. Wer denkt sich eigentlich so ein blödes Wetter aus?

Wenn Nelleke den erwischen könnte, der das Wetter macht! Diesem komischen Vogel würde sie schon sagen, dass kleine Bäreninnen einen sonnigen Sommer brauchen. Ganz ganz dringend. Grummelig stapft Nelleke in ihren Gummistiefeln durch die Pfützen, als beide wieder ins Haus gehen.


Fotos: W.Hein

Mittwoch, 20. Juni 2007

Ein Bär sieht rot


Das Unterholz ist schon sehr dicht. Frederik ist auf der Suche nach dem großen Abenteuer im Garten. Da ist das Dickicht fast schon blickdicht. Er kann zwar unerkannt durchs Grün streifen, aber dafür kann sich auch das Abenteuer gut verbergen.

Der Bär sollte sich einen höheren Überblick verschaffen. Von oben wird sich das Abenteuer nicht weiter verstecken können.

Er beginnt auf den nächsten Apfelbaum zu klettern. Er nutzt dabei jedes Astloch und jeden Knubbel um Halt zu finden.

Manchmal wird es ziemlich schwierig und Frederik muss sich mit allen vier Pfoten festhalten, um langsam nach oben zu rutschen. Wenn es so nicht mehr weitergeht, muss der Bär eine Pfote umsetzen. Aber mit den anderen drei krallt er sich noch mehr in die Rinde.

Als er die erste Astgabel erreicht, kann er einen kurzen Moment verschnaufen. Er guckt eifrig in die Runde, ob sich das Abenteuer auch schon in halber Höhe entdecken lässt.

Doch unten bleibt alles nur grün. Da muss er wohl bis in die Spitze steigen. Und dort ist plötzlich auch das gesuchte Abenteuer!

Oben im Geäst hat sich ein Luftballon verfangen. Den muss Frederik haben. Da klettert er immer schneller und mutiger.

Jetzt wird es kniffelig. Die Ballonschnur hat sich an einem dünnen Ast verfangen.

Wenn er sich hinten am Stamm gut festhält, kann er sicher auch auf den dürren Zweig steigen. So lange es nicht knackt, wird schon alles gutgehen.

Dann hat er den Ballon und kann wieder runtersteigen. Mit dem Abenteuer an der Schnur geht es abwärts viel schneller.

Unten angekommen ist Frederik richtig stolz. So einen schönen Ballon hat sicher noch niemand gefunden. Auf jeden Fall nicht in diesem Garten. Den muss er der wartenden Piratenente am Abend zeigen.

Doch so ein leuchtendes Abenteuer hat auch Nachteile.

Der rote Ballon schwebt immer über dem Bären und verkündet wie wanderndes Leuchtfeuer, wo Frederik gerade durchs Grün stapft. Wie soll er ein großer Unbekannter bleiben, wenn jeder von weitem schon den schwebenden Hinweiser sehen kann?

Es hilft nichts – er muss den Ballon wieder loswerden.

Er bindet dieses Verräterteil wieder an den nächsten Ast, damit das Rotlicht nicht wieder davonfliegen kann und weitere Unbekannte ins Unglück reißen kann.

Er wird der Piratenente kein Abenteuer vorzeigen können. Wenn er jetzt kein neues findet, kann er nur davon erzählen.

Doch er hat Glück. Hier haben wohl Vögel miteinander gebalgt, bis die Federn flogen. Da gibt es reiche Beute, die sich heimlich davontragen lässt.

Er wird immerhin ein paar Federn mitbringen können. Er kann die Geschichte ja etwas farbiger machen. Wie er die einem Indianerstamm abgenommen hat. Und dabei dem Marterpfahl entkommen ist.

Ein namenloser Hase blickt auch am Abend immer noch nervös über die eine und dann die andere Schulter. Wenn es plötzlich raschelt, ist das wohl doch nur ein Vogel, der unter den Büschen scharrt. Aber hase kann nie wissen, ob das nicht doch der unheimliche Unbekannte ist, der durchs Dickicht streicht.

Inzwischen ist Frederik wieder zurück. Freudig begrüßt er die Piratenente, die den ganzen Tag ausgeharrt hat. Sie hat ja auch niemanden gefunden, der ein Zugband bewegen wollte.

Der Bär hat einiges zu berichten. Wer viel erlebt und sich noch mehr dabei denkt, hat Stoff für gigantische Erzählungen. Vor allen Dingen, wenn eine Piratenente so geduldig zuhört.

Erst herzt der Bär das treue Rädertier, dann greift er das Zugseil. Denn erzählen kann er auch mit vollem Mund bei Honigbrot mit Milch. So viele Abenteuer passen in einen solchen Tag, dass es sicher längst tiefe Nacht wäre, wenn er alles vorab berichten müsste.

Doch erste Appetithappen gibt es doch schon vor dem Abendhonigbrot: "Du wirst unter die Decke kriechen, wenn ich dir sage, wie ich vor den wilden Indianern fliehen konnte. Und vorher musste ich ja den roten Riesenballon retten, der im Baum gestrandet war. Der war so prall, damit konnte ich sanft zu Boden schweben …"
  
Auch der namenlose Hase möchte sich nicht mehr fürchten. Soll doch jemand anders die Löffel aufstellen, um den großen Unbekannten zu finden.

In der Ferne sieht der Hase den Bären mit seiner Ente. Der hat die Suche offensichtlich auch aufgegeben. Allein ist so ein Garten noch mehr zum Fürchten. Er hoppelt schnell heim, bevor es dunkel wird.

Ein Bär zieht seine Rollente nach Hause. Er erzählt immer weiter von den hohen Bäumen, riesigen Ballons und all den anderen Aufregungen im Garten. Eine Ente kann nur staunend zuhören und sich wünschen, dass sie Beine statt Rädern hätte. Dann würde sie nichts halten und sie wäre mitten im Abenteuer …

Fotos: W.Hein

Der Anfang dieser Geschichte ist der Fund des roten Ballons. Nicht in unserem Garten – er wehte über die öffentlichen Straßen auf dem Rückweg vom Einkauf. Der Rumtreiber war schon einige Zeit unterwegs und hatte schon etwas Luft verloren. Damit hatte er die perfekte Bärengröße und schon gab es einen guten Grund, warum ein mutiger Bär auf große Gartenexpedition gehen konnte.


Dienstag, 19. Juni 2007

Der große Unsichbare


Da ist selbst der große Koi überfordert. Mit lautem Schmatzen stülpt der bunte Fisch das runde Maul über die schwimmenden Futterstücke. Doch so eifrig der Koi auch alles um sich herum einsaugt … gegen diese Menge kommt er auch nicht an. So schnell, wie das neue Futter im Wasser landet.

Heute muss der Fisch eben schneller fressen, denn Frederik hat für die Fütterung nicht so viel Zeit.

Er sucht heute das große Abenteuer und dafür braucht er jede Minute. Und eine feste Schnur, die Frederik jetzt stolz der Piratenente zeigt.

Dann hat der Bär natürlich noch seine Zwille eingesteckt, damit er auch Sachen, die weiter weg sind, treffen kann. Fiese Feinde, freche Flieger, ferne Früchte oder was einem im Garten sonst noch vor die Gummibandflitsche kommt.

Ein buntes Schnuffeltuch sollte auch nicht fehlen. Nicht unbedingt für eine schniefende Nase, aber damit kann er wertvolle Schätze einwickeln, die er unterwegs findet.

Ganz wichtig ist der lange Stecken der mindestens zweibärenhoch ist. Oder fast. Niemand sollte in den Garten ohne einen langen Stock gehen, mit dem gut Fuchteln ist. Um sich fieses Gemöpp auf Abstand zu halten. Oder hohe Früchte vom Ast schlagen können. Oder wilde Fechtduelle um Wegerechte führen zu können, wenn ein Fremder ihn am Durchgang hindern will. Oder man kann sich beim Tänzeln auf liegenden Baumstämmen abstützen. Oder … oder … oder … Frederik hat gar nicht die Zeit, der Piratenente all die Möglichkeiten aufzählen zu können, die ein guter Stecken bietet.

Doch nun muss das treue Rädertier Abschied nehmen. Das Ende des Stegs ist erreicht und hier beginnt die Wildnis. Da kann die Ente nicht mitkommen. Ihre Räder würden sich sofort im Dickicht verheddern. Aber sie kann hier ja warten, bis er wiederkommt. Auch wenn es sicher spät wird.

Er winkt noch ein letztes Mal im Sonnenlicht, bevor er sich umdreht.

Die Piratenente bleibt allein am Ende des Stegs zurück.

Schon verschwindet der Bär im dichten Grün. Bald sieht man nur noch den Papierbüschel seines Hutes in den Wipfeln wackeln. Dann tanzt noch eine Stockspitze über den Blätterspitzen. Bis auch sie mit einem letzten Rascheln verschwunden ist.

Da kann die Piratenente mit dem guten Auge noch so blinzeln. Die grüne Hölle hat den Bären verschluckt.

Der kleine Petz ist schon gut vorangekommen. Er pirscht durch das Unterholz und blinzelt ins Oberholz. Niemand ist zu sehen und rund um ihn ist wilde Natur. Das muss das Unbekannte sein, mit dem er gerade Bekanntschaft macht.

Über ihm blitzen weiße Blütenköpfe in der Sonne.

Die sind so hoch, dass er sie gerade noch mit dem Stecken an der ausgestreckten Pfote erreichen kann.

Upps! Die sind ganz schön empfindlich. Kaum ist er mit der Stockspitze durch die Blüten gepflügt, lassen die schon jede Menge Blätter fallen. Ziemlich zerrupft schaukelt danach der traurige Blütenrest hoch über den erschreckten Bären in der Sonne. Das hat er nicht gewollt. Die Rosen pieksen – das muss doch möglich sein. Aber jetzt sehen die schon von Weitem angemackelt aus. Wenn das nun auffliegt …

Glück gehabt, das hat wohl niemand bemerkt. Schnell in eine neue Ecke der Wildnis, die noch nicht zivilisiert worden ist.

Da hört ein durchdringendes Quaken im Dickicht. Das heißt nicht umsonst so. Frederik hat Mühe dort schnell durchzukommen. Bevor das, was da quakt, wieder verschwunden ist. 

Ein schnellen Blick erhascht Frederik noch auf den Lärmbold, wie er auf einem Ast mitten im Teich hoo … Platsch! … da ist er schon weg. 

Doch da sitzt noch ein zweiter am Beckenrand. Wenn er sich langsam anpirscht, dann … Platsch! … ist auch der Grünling im Wasser verschwunden.

Der Bär sucht die ganze Wasserfläche ab. Es müssen doch die beiden Quackelköppe im Teich zu sehen sein. Doch da schwimmt so viel Wasserlinse und anderes Grünzeug im sonst klaren Wasser – er kann nicht nicht mal den Grund sehen. Die beiden haben sich gut versteckt und ein kleiner Bär wir ungeduldig.

Das nächste Abenteuer wartet sicher schon. Er muss es nur finden.

Das nächste Abenteuer liegt natürlich nicht auf dem Präsentier-Teller bereit. Dann wäre es doch auch kein Abenteuer. Das wartet nur auf ihn, wenn er es allein aufstöbern kann. Dafür muss er auch durch das dichteste Gestrüpp, den unhandlichsten Farn und das größte Astverhau, das er überwinden kann.

Ein namenloser Hase spitzt erschreckt die Ohren. Seit Tagen raschelt es immer wieder in seiner Nähe im Grün. Da lauert sicher der große Unbekannte. Warum zeigt er sich nicht? Wenn er nichts im Schilde führen würde?

Er kann sich dann auch noch so schnell um die eigene Achse drehen. Diesen unheimlichen Raschler bekommt er dabei nie zu Gesicht. Und wenn er sich noch schneller dreht wird ihm nur schwindelig.

Dann entgeht ihm erst recht, wie eine dünne Steckenspitze durch den Farn streicht … bevor sie wieder verschwindet.

Fotos: W. Hein

Frederik ist ein fast unsichtbarer Bär von Barbara Fernholz (Zaubearhaft). Der unbekannte Hase von Marjolein Diemel ist immer noch ziemlich beunruhigt und die Piratenente wartet darauf, wie es weitergeht.

So geht es weiter